OGH 1Ob210/03v

OGH1Ob210/03v14.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei sowie Gegners der gefährdeten Partei Dr. Peter W*****, vertreten durch Dr. Hans Lesigang, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende sowie gefährdete Partei Sylvia W*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung und Unterhalt infolge außerordentlicher Revisionen der beiden Streitteile gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2003, GZ 45 R 126/03t-142, und außerordentlichen Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Juni 2003, GZ 45 R 400/03m-142, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden und widerbeklagten Partei wird - soweit sie die Ehescheidung betrifft - gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Gegners der gefahrdeten Partei wird gemäß § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird zurückgewiesen.

Im Übrigen werden die Akten dem Erstgericht zur Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die "außerordentliche" Revision der klagenden und widerbeklagten Partei im Unterhaltsrechtsstreit zurückgestellt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zur außerordentlichen Revision der beklagten und widerklagenden Partei:

1. 1. Vorerst ist festzuhalten, dass eine Klage auf Leistung des gesetzlichen Unterhalts wegen ihres genetischen Zusammenhangs mit der Scheidungsklage als Widerklage anzusehen ist (Simotta in Fasching² § 76a JN Rz 17). Mit Beschluss vom 16. 6. 1999 wurden die Verfahren über die Scheidungs- und die Unterhaltsklage "zur gemeinsamen Verhandlung" verbunden (ON 7). Über beide Klagebegehren wurde schließlich auch gemeinsam entschieden.

1. 2. Gemäß § 224 Abs 1 Z 4 ZPO sind u. a. Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt Ferialsachen. Dagegen sind Verfahren über Ehescheidungsklagen keine Ferialsachen. Durch die Häufung mehrerer Ansprüche in einer Klage, von denen einer im Fall gesonderter Geltendmachung als Ferialsache zu erledigen wäre, wird nach stRsp der gesamte Rechtsstreit einheitlich zur Ferialsache (zuletzt so 3 Ob 118/03d; siehe ferner RIS-Justiz RS0037388). Gleiches gilt nach Verbindung der Verfahren über eine Ferialsache und eine Nichtferialsache aufgrund gesonderter Klagen (zuletzt so 3 Ob 2412/96v; siehe ferner RIS-Justiz RS0037773 und Gitschthaler in Rechberger, ZPO² § 224 Rz 10), wenn über diese Klagen - wie hier - auch gemeinsam entschieden wurde. Dann haben die verhandlungsfreien Zeiten keinen Einfluss auf Beginn und Ablauf von Rechtsmittelfristen.

1. 3. Das Urteil zweiter Instanz wurde der beklagten und widerklagenden Partei (im Folgenden nur: Beklagte) am 22. 7. 2003 zugestellt. Deren außerordentliche Revision wurde dagegen erst am 25. 8. 2003 zur Post gegeben. Die Revisionsfrist endete jedoch - vor dem Hintergrund der voranstehenden Erwägungen - bereits am 19. 8. 2003 um 24 Uhr. Das Rechtsmittel ist somit als verspätet zurückzuweisen.

2. Zur Aktenrückstellung

2. 1. Das Erstgericht erkannte der Beklagten aufgrund deren Klage 31.625,23 EUR an Unterhaltsrückstand, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufgelaufen war, und 462 EUR monatlich an Unterhalt ab 1. 11. 2002 zu. Das Mehrbegehren von 18.519 EUR an Unterhaltsrückstand und 628,09 EUR monatlich an Unterhalt ab 1. 11. 2002 wies es ebenso ab wie den "Antrag" des "Klägers, die Klageforderung mit einer Gegenforderung in der Höhe von 45.129,83 EUR aufzurechnen" und das Begehren auf Zuerkennung einstweiligen Unterhalts von 1.090,09 EUR monatlich ab 3. 9. 1999.

Der Kläger und Widerbeklagte (im Folgenden nur: Kläger) setzte sich gegen den klagestattgebenden Teil des Unterhaltsurteils zu Wehr und beantragte in der Berufung die gänzliche Abweisung des Unterhaltsbegehrens. Im Übrigen beantragte er, im Fall des Bestehens eines Unterhaltsanspruchs seine Gegenforderung mit 26.961,62 EUR festzustellen "und mit diesem Betrag bis zu einer Forderung" der Beklagten "gegenzuverrechnen".

Der klageabweisende Teil des Unterhaltsurteils blieb dagegen unangefochten. Die Beklagte wendete sich jedoch mit Rekurs gegen die Abweisung ihres Provisorialbegehrens und strebte die Zuerkennung des von ihr in erster Instanz beantragten einstweiligen Unterhalts von 1.090,09 EUR monatlich an.

2. 2. Es entspricht stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass Unterhaltsansprüche gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten sind. Bereits fällige Ansprüche - also Unterhaltsrückstände - sind selbst dann nicht zusätzlich zu berücksichtigen, wenn sie gesondert begehrt wurden. Wegen der zitierten gesetzlichen Bewertungsvorschrift bedarf es bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt auch keines Bewertungsausspruches durch das Gericht zweiter Instanz (zuletzt so etwa 7 Ob 61/03a; 1 Ob 267/00x; siehe ferner RIS-Justiz RS0114353, RS0103147).

2. 3. Im Anlassfall wurde die gesonderte Zuerkennung eines Unterhaltsrückstands nicht begehrt, der zugesprochene Rückstand resultiert vielmehr aus den bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Unterhaltsklage aufgelaufenen Monatsleistungen. Insofern ist ferner hervorzuheben, dass sich das Klagebegehren auf Zuerkennung von Unterhalt - abgesehen vom laufenden Unterhalt ab dem Monat der Klageeinbringung - nur noch auf den Monat unmittelbar vor der Klageeinbringung erstreckte. Nach diesem Begehren, über das erkannt wurde, kann somit für die Ermittlung des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz jedenfalls auch jene Rechtsprechung nicht von Bedeutung sein, nach der zusätzlich begehrte, bereits fällige Ansprüche zumindest dann zu keiner Erhöhung der unter 2. 2. erörterten Bewertung führen, wenn der Durchschnitt dreier Jahre bereits fälligen Unterhalts nicht höher ist als das Dreifache der Jahresleistung des laufenden Unterhalts (3 Ob 503/96 = SZ 69/33). Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision - ungeachtet einer aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung - ausschließlich vom Geldbetrag oder Geldwert des klageweise geltend gemachten Anspruchs abhängt, soweit dieser noch Gegenstand des angefochtenen Berufungsurteils war (1 Ob 68/97z).

2. 4. Das erstgerichtliche Unterhaltsurteil wurde nur vom Kläger bekämpft. Er strebte die gänzliche Abweisung des Unterhaltsbegehrens an. Da die geltend gemachte Gegenforderung, soweit sie im Berufungsverfahren aufrechterhalten wurde, außer Betracht zu bleiben hat, errechnet sich der zweitinstanzliche Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 16.632 EUR (= 462 EUR x 36). Schließlich ist noch anzumerken, dass die Verbindung mehrerer Streitsachen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluss hat. Daher ist die Zulässigkeit der Revision nach dem Entscheidungsgegenstand jedes einzelnen Rechtsstreits zu beurteilen (zuletzt so 1 Ob 301/02x; siehe ferner RIS-Justiz RS0037252).

2. 5. Nach § 502 Abs 4 ZPO idF BGBl I 2001/98 ist die Revision in einer Streitigkeit über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt nach § 49 Abs 2 Z 2 JN - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied, insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO - wie hier - für nicht zulässig erklärte. Unter solchen Voraussetzungen kann eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses nur den gemäß § 508 Abs 2 erster Satz ZPO beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein derartiger Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Die beklagte Partei brachte ihre "außerordentliche" Revision rechtzeitig beim Erstgericht ein. Darin wird ua ausgeführt, warum die Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts als zulässig angesehen wird. Dem direkt an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmittel fehlt freilich der gemäß § 508 Abs 1 ZPO erforderliche Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht. Nach dieser seit geraumer Zeit geltenden Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch Revisionen gegen Entscheidungen im Streitwertbereich des § 502 Abs 4 ZPO, die nach dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht mit ordentlicher Revision bekämpfbar sind, gemäß § 507b Abs 2 ZPO sofort dem Berufungsgericht, nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Sollte das Erstgericht allerdings der Ansicht sein, einem solchen Vorgehen stehe der Mangel des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil sie sich - gleich den Revisionsausführungen zur Sache - an den Obersten Gerichtshof wendet, so kann es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag erteilen. Sollte der Rechtsmittelwerber eine solche Verbesserung sodann verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (1 Ob 301/02z; 1 Ob 134/02s; 1 Ob 319/01w uva).

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