OGH 1Ob206/07m

OGH1Ob206/07m29.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing. Walter N*****, 2.) Weberei T***** Gesellschaft mbH, *****, 3.) Dr. Wolfgang D*****, 4.) Wolfgang G*****, 5.) Gerhard E*****, und 6.) K***** Verwaltungsgesellschaft mbH, *****, alle vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Karl U*****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Abtretung von Gesellschaftsanteilen (Streitwert EUR 109.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. August 2007, GZ 3 R 69/07y-59, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Fragen der Vertragsauslegung sind regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042936, RS0042776 ua). Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit bzw der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

2. Insbesondere begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, das in § 9 Punkt 3 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene Aufgriffsrecht der verbleibenden Gesellschafter entstehe nur dann, wenn die Generalversammlung die Zustimmung zu der beabsichtigten Abtretung verweigert hat, unter Berücksichtigung der Systematik des Gesellschaftsvertrags sowie dem erkennbaren Zweck der Bestimmungen, die sich auf die Abtretung von Gesellschaftsanteilen durch einen (ausscheidenden) Gesellschafter beziehen, keinen Bedenken. Einerseits soll der Gesellschaft (Generalversammlung) und in zweiter Linie den Gesellschaftern die Möglichkeit eingeräumt werden, darüber mitzuentscheiden, wer den Anteil des veräußerungswilligen Gesellschafters erwirbt. Andererseits wird eine für den einzelnen Gesellschafter unzumutbare Behinderung einer Abtretung dadurch eingeschränkt, dass er seinen Geschäftsanteil ohne jegliche Beschränkungen veräußern kann, wenn - trotz fehlender Zustimmung der Generalversammlung - Aufgriffsrechte der übrigen Gesellschafter nicht ausgeübt werden.

Erteilt die Generalversammlung ihre Zustimmung zur beabsichtigten Veräußerung an einen vom abtretungswilligen Gesellschafter bezeichneten Erwerber, so hat das Aufgriffsrecht der übrigen Gesellschafter grundsätzlich keine Bedeutung, weil eben primär der Generalversammlung das Recht zukommt, auf die Auswahl eines (neu eintretenden oder seine Beteiligung erhöhenden) Gesellschafters Einfluss zu nehmen. Kommt die Abtretung nun - wie im vorliegenden Fall - mit dem von der Generalversammlung akzeptierten potenziellen Erwerber nicht zustande, weil etwa zwischen diesem und dem ausscheidungswilligen Gesellschafter kein Einvernehmen über den Abtretungspreis erzielt wird, liegt keine (konkret) „beabsichtigte Abtretung" mehr vor. Wenn das Berufungsgericht nun den in § 9 Punkt 3 des Gesellschaftsvertrags verwendeten terminus der „beabsichtigten Abtretung" in der Weise verstanden hat, dass damit eine konkrete Veräußerungsabsicht an einen der Generalversammlung bekannt gegebenen, von dieser aber nicht akzeptierten Erwerber gemeint sein soll, ist darin keine bedenkliche Fehlbeurteilung zu erblicken.

3. Der Sonderfall, dass der ausscheidungswillige Gesellschafter ein Abtretungsanbot an potenziell aufgriffsberechtigte Mitgesellschafter ankündigt und die Generalversammlung einer solchen Abtretung zustimmt, ist im Gesellschaftsvertrag nicht eigens geregelt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein solcher Vorgang sei nicht anders zu behandeln als eine beabsichtigte Veräußerung an einen beliebigen Dritten, begegnet allerdings keinen Bedenken. Konsequenz daraus ist, dass ein Aufgriffsrecht der übrigen Gesellschafter nicht entsteht, wenn die Generalversammlung einer beabsichtigten Abtretung - sei es an Dritte oder an Mitgesellschafter - zugestimmt hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die ins Auge gefasste Abtretung an die von der Generalversammlung akzeptierten Erwerber in der Folge zustandekommt oder nicht.

Dass dieses Ergebnis durchaus sachgerecht ist, zeigt auch die Überlegung, dass die von den Revisionswerbern vertretene Auslegung des Begriffs „beabsichtigte Abtretung" zu dem Ergebnis führte, dass ein Aufgriffsrecht der Mitgesellschafter selbst dann aktuell würde, läge die Zustimmung der Generalversammlung zur Abtretung vor und erzielte der abtretungswillige Gesellschafter mit dem akzeptierten Erwerber Einigung über die Abtretung. Darauf dass ein solches Ergebnis mit dem erkennbaren Rang der Zustimmung der Generalversammlung nicht vereinbar wäre, hat bereits das Berufungsgericht - wenn auch vielleicht in etwas missverständlicher Formulierung - hingewiesen.

4. Unzutreffend ist letztlich auch die Auffassung der Revisionswerber, die Ansicht des Berufungsgerichts führte dazu, dass die Generalversammlung die Zustimmung zur Abtretung an sie verweigern hätte müssen, um ihr Aufgriffsrecht zu aktualisieren. Eine Zustimmungsverweigerung hätte nur dann die Konsequenz des „Entstehens" der Aufgriffsrechte, wenn der abtretungswillige Gesellschafter seine konkrete Abtretungsabsicht aufrecht hält, auch um die Möglichkeit zu haben, die beabsichtigte Abtretung iSd § 12 Punkt 3a des Gesellschaftsvertrags ohne Beschränkung vorzunehmen, sofern die Mitgesellschafter ihre Aufgriffsrechte nicht ausüben. Hier hat aber der Beklagte ersichtlich seine ursprüngliche Absicht, die Anteile (einvernehmlich) rechtsgeschäftlich - und zu einem höheren Preis - an die Mitgesellschafter zu übertragen, aufgegeben, sodass durchaus gesagt werden kann, dass eine „beabsichtigte Abtretung" nicht mehr vorlag.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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