OGH 1Ob185/01i

OGH1Ob185/01i30.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Substitutionssache der am ***** verstorbenen Franziska S***** infolge Revisionsrekurses der Silvia R*****, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler und Mag. Harald Papesch, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 11. April 2001, GZ 22 R 144/01k-65, womit infolge Rekurses des 1. Siegfried S*****, 2. Kurt S*****, und der 3. Erika K*****, alle vertreten durch Dr. Hans Rieger, Rechtsanwalt in Bad Ischl, der Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 19. Februar 2001, GZ A 429/59-62, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 7. 9. 1959 verstorbene Erblasserin setzte mit Testament vom 29. 8. 1959 ihre Ziehtochter zur Universalerbin ihres gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens ein und ordnete an, dass das in die Verlassenschaft fallende Haus von der Erbin nicht verkauft werden dürfe. Das Haus solle nach dem Tod der Erbin "auf ihre ehelichen Kinder" übergehen.

Mit Einantwortungsurkunde des Erstgerichts vom 28. 1. 1960 wurde der Nachlass auf Grund des Testaments der Ziehtochter eingeantwortet und angeordnet, dass für diese auf der in den Nachlass fallenden Liegenschaft das Eigentumsrecht mit der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zu Gunsten der ehelichen Kinder einzuverleiben sei. Nach dem der Verlassenschaftsabhandlung zu Grunde gelegten Inventar vom 3. 12. 1959 betrugen die Aktiva ATS 155.510, die Passiva ATS 5.871, der Reinnachlass daher ATS 149.639. Die in den Nachlass fallende Liegenschaft wurde dabei mit einem Verkehrswert von ATS 152.420 bewertet, die Fahrnisse (Wohnungseinrichtungsgegenstände) mit ATS 3.090.

Die Ziehtochter der Erblasserin verstarb am 14. 8. 2000. Sie hatte insgesamt vier eheliche Kinder, von denen ein Sohn am 24. 6. 1971 vorverstorben ist. Die am 11. 10. 1969 geborene Revisionsrekurswerberin ist die uneheliche Tochter dieses Sohnes, der sonst keine Nachkommen hinterließ. Mit Beschluss vom 31. 1. 1972 wurde in der Verlassenschaftssache nach dem vorverstorbenen Sohn unter anderem ausgesprochen, dass gemäß § 72 Abs 2 AußStrG eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfinde.

Im Zuge der Substitutionsabhandlung wurde festgestellt, dass für die erwähnte Liegenschaft samt Haus der Nacherbfall eingetreten sei. Die drei überlebenden ehelichen Kinder der Vorerbin gaben auf Grund des Testaments vom 29. 8. 1959 zu je einem Drittel und die Revisionsrekurswerberin gab auf Grund dieses Testaments zu einem Viertel des Substitutionsnachlasses die unbedingte Erbserklärung ab.

Die drei überlebenden ehelichen Kinder der Vorerbin brachten vor, die Revisionsrekurswerberin sei nach den Bestimmungen der §§ 615 Abs 2, 681 ABGB von der Nacherbschaft ausgeschlossen, weil die Vorerbin kein Kind der Erblasserin, sondern zu dieser fremd gewesen und weil die Revisionsrekurswerberin erst nach dem Ableben der Erblasserin geboren sei.

Die Revisionsrekurswerberin wendete ein, sie repräsentiere ihren vorverstorbenen Vater, der ein eheliches Kind der Vorerbin gewesen sei, gemäß § 733 ABGB. Nach § 615 Abs 2 ABGB gehe überdies das Recht des fideikommissarischen Erben auch dann auf dessen Erben über, wenn er den Eintritt des Substitutionsfalls nicht erlebe, sofern nicht ein anderer Wille der Erblasserin anzunehmen sei. Dem Testament vom 29. 8. 1959 könne jedoch nicht entnommen werden, dass die Tochter des Substitutionserben von der Nacherbschaft ausgeschlossen werden sollte.

Das Erstgericht nahm sowohl die von den drei überlebenden Kindern der Vorerbin zu je einem Drittel des Substitutionsnachlasses abgegebenen unbedingten Erbserklärungen als auch jene der Revisionsrekurswerberin zu einem Viertel des Substitutionsnachlasses zu Gericht an und erkannte weiters, dass infolge der widersprechenden Erbserklärungen die drei überlebenden ehelichen Kinder der Vorerbin gegenüber der Revisionsrekurswerberin als Kläger aufzutreten hätten. Diesen wurde aufgetragen, binnen vier Wochen dem Abhandlungsgericht die Klagseinbringung nachzuweisen, widrigenfalls dem weiteren Verlassenschaftsverfahren zu Grunde gelegt werde, dass alle Erbansprecher Anspruch auf je ein Viertel des Substitutionsnachlasses haben. Eine Verweisung auf den Rechtsweg habe auch dann zu erfolgen, wenn - wie hier - nur Rechtsfragen strittig seien. Die Revisionsrekurswerberin repräsentiere im Sinn des § 733 ABGB ihren verstorbenen Vater. Weil deren auf § 681 ABGB gestützter Rechtsstandpunkt "nicht abgesichert" sei, sei den drei überlebenden ehelichen Kindern der Vorerbin die Klägerrolle zuzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es die von der Revisionsrekurswerberin auf Grund des Testamentes vom 29. 8. 1959 zu einem Viertel des Substitutionsnachlasses abgegebene unbedingte Erbserklärung zurückwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der am 24. 6. 1971 vorverstorbene eheliche Sohn der Vorerbin sei kein Deszendent der am 7. 9. 1959 verstorbenen Erblasserin gewesen, weil die Vorerbin deren Ziehtochter gewesen sei. § 779 Abs 1 ABGB sei daher unanwendbar, sodass die Revisionsrekurswerberin den verstorbenen Nacherben bei der vorliegenden testamentarischen Erbfolge nicht zu repräsentieren vermöge. Zudem sei sie weder zum Todeszeitpunkt der Erblasserin noch zu jenem ihres unehelichen Vaters gesetzliche Erbin gewesen. Das gesetzliche Erbrecht des unehelichen Kindes zum Nachlass seines Vaters sei erst durch den am 1. 7. 1971 in Kraft getretenen § 754 Abs 2 ABGB eingeführt worden. Umfang und Inhalt der gesetzlichen Erbfolge seien nach der Rechtslage zur Zeit des Erbfalls zu beurteilen. Maßgebend sei somit grundsätzlich der Todestag des Vaters, zu welchem Zeitpunkt der Revisionsrekurswerberin aber diesem gegenüber kein gesetzliches Erbrecht zugekommen sei. Die Berufung ihres Vaters zum Nacherben sei nicht gemäß § 615 Abs 2 ABGB auf sie übergegangen, weil ein Transmittent sein Erbrecht nur dann vererbe, wenn es im Zeitpunkt seines Todes bereits entstanden und nicht vor oder doch gleichzeitig mit seinem Tod untergegangen sei. Nach herrschender Meinung falle einem fideikommissarischen Substituten die Erbschaft bereits mit dem Tod des Erblassers an, wenn die Berufung nur an den Tod des Vorerben und an keine sonstige weitere Voraussetzung geknüpft sei. Es sei bereits die Anwartschaft des Nacherben vererblich, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werde. Der vorverstorbene eheliche Sohn der Vorerbin habe aber seine Anwartschaft als Nacherbe nicht auf die unehelich geborene Revisionsrekurswerberin vererben können. Im Übrigen handle es sich bei dieser auch nicht um einen ehelichen Abstämmling der eingesetzten Vorerbin, sodass sie auch die von der Erblasserin bestimmte Substitutionsvoraussetzung (eheliches Kind der Vorerbin) nicht erfülle.

Der Revisionsrekurs der unehelichen Tochter des vorverstorbenen ehelichen Sohnes der Vorerbin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Nacherbe ist - wie der Vorerbe - mit Eintritt des Nacherbfalls Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben (SZ 45/118; 7 Ob 587/92; RIS-Justiz RS0012564; Weiß in Klang2 III 427). Zusammen haben Vorerbe und Nacherbe die Rechte eines freien (Voll-)Eigentümers (SZ 41/151; SZ 63/209; SZ 67/193), doch ist das Recht des Vorerben auflösend bedingtes oder zeitlich beschränktes - mit dem Eintritt des Nacherbfalls endendes - Eigentum (SZ 63/209; SZ 67/193; 1 Ob 127/98b).

Einem fideikommissarischen Substituten fällt die Erbschaft bereits mit dem Tod des Erblassers an, wenn er "terminisiert", somit in der Form berufen ist, dass der Erbantritt an keine weitere Voraussetzung geknüpft ist als den Tod des Vorerben (§ 705 ABGB). Bereits diese Anwartschaft des Nacherben ist vererblich, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers festgestellt wird. Das Recht des fideikommissarischen Erben geht somit auch dann auf dessen Erben über (§ 537 ABGB), wenn er den Eintritt des Substitutionsfalls nicht erlebt hat (SZ 18/197; SZ 31/47; 2 Ob 212/00s).

Stirbt der Nacherbe vor Eintritt des Substitutionsfalls, kommt schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut - der Vorerbe ist nicht Erblasser - die Bestimmung des § 779 ABGB nicht zur Anwendung. Es ist vielmehr die Norm des § 615 Abs 2 ABGB heranzuziehen, wonach, sofern ein anderer Wille des Erblassers nicht anzunehmen ist, das Recht des fideikommissarischen Erben auch dann auf dessen Erben übergeht, wenn er den Eintritt des Substitutionsfalls nicht erlebt (SZ 63/15). In dem hier zu beurteilenden Fall ist ein derartig abweichender Wille der Erblasserin aus dem Akt nicht ersichtlich. Der Sachverhalt unterscheidet sich damit wesentlich von jenem, der der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 613/89 zu Grunde lag, weil dort als Nacherben die "dann vorhandenen ehelichen Nachkommen" eingesetzt wurden, welche Anordnung vom Obersten Gerichtshof als ausdrückliche Überlebensbedingung aufgefasst wurde, die die gesetzliche Vermutung des § 615 Abs 2 ABGB widerlege. Im hier maßgeblichen Testament findet sich eine vergleichbare Willensbekundung der Erblasserin nicht, hat sie doch lediglich verfügt, das in den Nachlass fallende Haus möge nach dem Tode der Vorerbin auf deren eheliche Kinder übergehen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Anordnung dahin zu verstehen sei, diese Kinder müssten den Substitutionsfall erleben, finden sich im Akt nicht, weshalb die gesetzliche Regel über die Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts des Nacherben zur Anwendung gelangt.

Damit ist aber für den Standpunkt der Revisionsrekurswerberin nichts gewonnen. Gleichgültig, ob ihr Vater - wie festgestellt - am 24. 6. 1971 oder - wie im Revisionsrekurs behauptet - am 30. 6. 1971 vorverstorben ist, war sie nämlich im Todeszeitpunkt gemäß § 754 ABGB idFd 1. TN als uneheliches Kind zum Nachlass des Vaters nicht erbberechtigt. Das Bundesgesetz vom 30. Oktober 1970 über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl 1970/342, das diese Bestimmung dahin novellierte, dass auch dem unehelichen Kind zum Nachlass des Vaters ein, allerdings gegenüber ehelichen Nachkommen nachrangiges, Erbrecht zukomme, trat gemäß seinem Art X § 1 mit 1. Juli 1971 in Kraft. Wie zu diesem Gesetz bereits mehrfach ausgesprochen wurde, fehlt jeder Grund, bei der Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen idF vor der Novelle das neue Gesetz, das auf den Fall noch nicht zur Anwendung zu kommen hat, zu berücksichtigen. Dies käme einer Rückwirkung entgegen der Bestimmung des § 5 ABGB gleich (RIS-Justiz RS0008716).

Nach ständiger Rechtsprechung sind Umfang und Inhalt der gesetzlichen Erbfolge nach der Rechtslage zur Zeit des Erbfalls zu beurteilen. Dies gilt auch für das gesetzliche Erbrecht des unehelichen Kindes gegenüber seinem Vater (5 Ob 1587/90; SZ 68/61; 2 Ob 346/00x). Entgegen der von der Revisionsrekurswerberin vertretenen Ansicht ist daher ihr Erbrecht gegenüber dem Vater nicht nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts des Substitutionsfalls zu beurteilen, sondern - wie das Rekursgericht zutreffend dargestellt hat - für den Zeitpunkt des Todes des Vaters, weil bereits durch dieses Ereignis das sich aus der fideikommissarischen Substitution ergebende Anwartschaftsrecht vererbt wird. Hatte der vorverstorbene Nacherbe in diesem Zeitpunkt nach der bestehenden Rechtslage keine Erben, konnte auch kein Anwartschaftsrecht übergehen und ist somit für diesen Stamm erloschen.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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