Spruch:
Ersatzansprüche einer Aktiengesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied sind auch dann, wenn er Dienstnehmer der Aktiengesellschaft ist, nach § 84 AktG und nicht nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz zu beurteilen; es haftet für leichtes Verschulden, Erfolghaftung besteht jedoch nicht
OGH 31. Oktober 1973, 1 Ob 179/73 (OLG Wien 2 R 69/73; HG Wien 9 Cg 159/70)
Text
Der Beklagte war bei der Klägerin, einer Aktiengesellschaft, seit 1930 als Angestellter und anschließend seit 1957 auch als Vorstandsmitglied tätig. Im Jahre 1968 wurde die Bestellung des Beklagten vom Vorstand der klagenden Partei widerrufen und der Beklagte fristlos entlassen. Die Klägerin behauptete, daß der Beklagte seine Obliegenheitspflichten als Vorstandsmitglied schwer verletzt habe. Daraus sei ihr im Kreditfall E-P ein Schaden von 275.900 S deswegen entstanden, weil der Beklagte den Mitschuldner Kurt P aus der Haftung einen gewährten Kredit, der sich in der Folge als uneinbringlich herausgestellt habe, entlassen habe. Die klagende Partei begehrt den Ersatz dieses Betrages.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil er bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Vorstand der klagenden Partei die pflichtgemäße Sorgfalt nicht außer acht gelassen habe. Überdies machte er Verjährung des geltend gemachten Anspruches nach den Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes und eine Gegenforderung von 993.750 S wegen ungerechtfertigter Entlassung geltend.
Das Erstgericht wies das Begehren ab. Es stellte fest: Kurt P und Otto E grundeten im Jahre 1964 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Betrieb einer im Gebäude der W-Versicherung in Wien gepachteten Garage. Dieser Gesellschaft, deren geschäftsführender Gesellschafter Otto E war, gewährte die Klägerin im Herbst 4 einen Betriebsmittelkredit von 300.000 S, der im Jahre 1965 auf 500.000 S erhöht wurde. Ausschlaggebend für diese Kreditgewährung waren in erster Linie die wirtschaftliche Leistungskraft des Kurt P, die Pachtrechte an der außerordentlich günstig gelegenen Garage und deren Ertragswert. In den Bestandvertrag, der dem Betrieb zugrunde lag, nahm der Beklagte nicht Einsicht. Im Jahre 1966 wurde der Kredit auf 320.000 S herabgesetzt und überdies verpflichtete sich Otto E, die Schuld bis zum 31. Dezember 1966 auf 220.000 S abzutragen. Dennoch wies das Konto E P per 31. Oktober 1967 einen Debetsaldostand von 381.700 S auf.
Im Jahre 1966 schied Kurt P aus der genannten Gesellschaft aus, die in diesem Zeitpunkt der Klägerin 300.000 S bis 400.000 S schuldete. Nach einer Trennung von Otto E versuchte Kurt P, bei der Klägerin die Entlassung aus der Haftung zu erreichen und drohte anderenfalls mit der Liquidation der Gesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt einen Schuldenstand von über 1 Million Schilling hatte. Um die Liquidation des Unternehmens, das der Beklagte als wirtschaftlich aufstrebend ansah und aus dessen Ertrag der Kredit abgetragen werden könnte, zu verhindern, entließ der Beklagte durch mündliche Zusage Kurt P aus der Haftung für den Betriebsmittelkredit. Eine Zustimmung des damaligen zweiten Vorstandsmitgliedes konnte nicht eingeholt werden, da sich dieser auf einer Weltreise befand. Der Beklagte sah sich auch deshalb zur Haftungsentlassung des Kurt P veranlaßt, weil er befürchtete, sonst Kurt P bei einer etwaigen direkten Inanspruchnahme, zu der es zweifellos gekommen wäre, da der Wert des Unternehmens hauptsächlich im Ertragswert bestand, zu verärgern und so außerdem einen wirtschaftlich potenten Bankkunden, der noch dazu durch seine Geschäfte der Klägerin weitere Kunden zuführte, zu verlieren. Außerdem vertraute der Beklagte dem Otto E auch persönlich, weil dieser von dem erfahrenen Geschäftsmann Kurt P (zur Gründung der Gesellschaft) ausgewählt worden und durch zwei Jahre regelmäßig den aus dem Kreditverhältnis entspringenden Zahlungsverpflichtungen nachgekommen war. Der Beklagte hielt den Garagenbetrieb für ein wirtschaftlich gesichertes Unternehmen, das wegen seiner Größe und Lage kaum zugrunde zu richten wäre. Aus diesen Gründen unterließ der Beklagte bei der Haft Nachforschungen über die persönliche Bonität Otto Es. So war es dem Beklagten auch nicht bekannt, daß gegen Otto E im Jahre 1966 insgesamt 10 Exekutionen gelaufen sind, die allerdings alle nach § 39 Z. 6 EO eingestellt wurden.
Wegen Nichtzahlung des Pachtzinses kundigte die W-Versicherung den Pachtvertrag zum 30. November 1967 auf; der Zinsrückstand betrug 60.000 S. Die Gesamtschulden beliefen sich auf zirka 1.5 Millionen Schilling. In der Folge wurde Otto E nach § 486a Z. 1 und 2 StG., § 1 EVG und § 114 ASVG zu einer Arreststrafe verurteilt.
Am 8. April 1968 brachte die Klägerin beim Erstgericht zur GZ 24 Cg 66/68 gegen Otto E und die "A" Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Maschinenhandel Ges. m. b. H., deren alleiniger Gesellschafter Kurt P ist, eine Klage auf Zahlung des aushaftenden Kreditbetrages ein. Gegen Otto E erging in diesem Verfahren ein Versäumungsurteil, doch erwies sich der zugesprochene Betrag als uneinbringlich. Gegen die "A" wurde die Klage am 12. September 1969 wegen erfolgter Haftungsentlassung unter Anspruchsverzicht zurückgenommen.
Hinsichtlich der Modalitäten bei der Kreditgewährung durch die Klägerin konnte das Erstgericht nicht annehmen, daß alle Kreditfälle geringeren Ausmaßes in einer Aufsichtsrats- oder in Präsidialsitzungen behandelt wurden, sondern stellte dazu fest, daß in diesen Sitzungen auch Kredite geringeren Ausmaßes behandelt wurden, daß jedoch die Auswahl der behandelten Fälle in den ungefähr 18 jährlich stattfindenden Sitzungen offensichtlich davon abhing, ob es ein "heikler" Kredit war oder ein aktueller Kreditfall, der gleichsam zur Komplettierung der Tagesordnung behandelt wurde.
Nach der Praxis der Banken wird bisweilen auch bei notleidenden Krediten ein zahlungsfähiger Mitschuldner nicht in Anspruch genommen, um ihn als wichtigeren Bankkunden nicht zu verärgern. Üblicherweise nimmt eine Bank Einsicht in Bestandverträge, bevor sie dem Bestandnehmer Kredite gewährt. Bestandverträge werden im Garagengeschäft meist kurzfristig abgeschlossen, doch erhalten auch solche Betriebe dann Kredite, wenn die Bonität des Kreditnehmers ausreichend erscheint.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die Haftung des Beklagten nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz zu beurteilen sei, weil der Beklagte auch als Vorstand der klagenden Partei zu dieser in einem Angestelltenverhältnis gestanden sei. Dem Beklagten könne bei der Entlassung des Kurt P aus der Haftung für den an Otto E gewährten Kredit keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil er dies aus der Überlegung gemacht habe, daß die Entlassung aus der Haftung letztlich für die klagende Partei günstiger sei als der Verlust des Kurt P als Kunden und daß die Art des von Otto E geführten Unternehmens sowie die Konjunkturlage erfahrungsgemäß eine wirtschaftlich ausreichende Sicherheit für die Einbringlichkeit des diesem gewährten Kredites geboten hätten. Ansprüche wegen eines Verschuldens minderen Grades hätten aber gemäß § 6 DHG binnen 6 Monaten ab dem Tag, an dem sie erhoben werden konnte, geltend gemacht werden müssen. Diese Frist habe die beklagte Partei versäumt. Ihr Begehren sei daher im angeführten Umfang schon aus diesem Gründe abzuweisen gewesen.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß der Beklagte im Kreditfall E-P nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorgegangen sei; er habe sich vor der Entlassung des Kurt P aus der Haftung für den offenen Kredit nicht ausreichend über den Geschäftsgang des Betriebes und die finanzielle Lage des Otto E, insbesondere nicht durch Einsicht in die Bücher des Unternehmens, unterrichtet und auch die von Kurt P für die Trennung von Otto E vorgebrachten Gründe nicht geprüft. Es müsse aber berücksichtigt werden, daß Otto E bis zur Entlassung des Kurt P aus der Haftung für den aufgenommenen Kredit die daraus stammenden Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt habe und die Annahme des Beklagten, der Kredit könne aus dem Ertrag des Unternehmens zurückgezahlt werden, bis zu einem gewissen Grad begrundet erscheinen konnte. Es kommt im Geschäftsbetrieb einer Bank bisweilen vor, daß auch bei einem schon notleidenden Kredit zahlungskräftige Mitschuldner aus der Haftung entlassen werden, um sie als die wichtigere Kunde zu erhalten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß zur Zeit der Entlassung des Kurt P aus der Haftung schon Zahlungsschwierigkeiten hinsichtlich des Betriebsmittelkredites des Otto E aufgetreten seien; bei einer Ablehnung der Entlassung aus der Haftung habe der Beklagte aber rechnen müssen, daß Kurt P als Bankkunde verlorengehe und die Klägerin auch nicht mehr weiter empfehle. Auch wenn der Beklagte in den Bestandvertrag über die Garagen Einsicht genommen hätte, hätte er die Kündigung dieses Vertrages wegen Nichtzahlung des Zinses nicht verhindern können. Da dem Beklagten nur ein minderer Grad des Verschuldens angelastet werden könne, sei der geltend gemachte Anspruch § 6 DHG wegen verspäteter gerichtlicher Geltendmachung erloschen. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit Rücksicht darauf, daß der Beklagte nach den Feststellungen der Untergerichte auch während seiner Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes der klagenden Partei, deren Angestellter er war, ist von Amts wegen die Frage zu prüfen, ob für den Rechtsstreit die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes oder die des Arbeitsgerichtes gegeben ist; diese Zuständigkeit ist nämlich in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen wahrzunehmen (ArbSlg. 8.358, 7.073, 6.889 u. a.). Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes ist aber zu verneinen, weil gesetzliche Vertreter von juristischen Personen - zu diesen gehörte der Beklagte als Vorstandmitglied der Klägerin - gemäß § 2 Abs. 2 ArbGG nicht Beschäftigte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind. Ein Dienstnehmer einer juristischen Person verliert seine Eigenschaft als Beschäftigter im Sinne dieser Gesetzesstelle, wenn er gleichzeitig gesetzlicher Vertreter seines Dienstgebers ist (ArbSlg. 8.476, 6.148, 5.322, SZ 23/196 u. a.). Maßgebend ist hiebei nicht, ob die Eigenschaft eines gesetzlichen Vertreters zur Zeit des Rechtsstreites noch gegeben ist, sondern ob sich der strittige Anspruch auf eine Zeit bezieht, während der diese Voraussetzung zutraf (ArbSlg. 8.701, 6.148, SZ 38/34, SZ 31/124 u. a.). Da sich der geltend gemachte Anspruch auf eine Zeit bezieht, während der der Beklagte Vorstandsmitglied der klagenden Partei war, war für diesen Rechtsstreit das ordentliche Gericht zuständig.
In der Revision wird vor allem geltend gemacht, daß Ersatzansprüche gegen ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft nach § 84 AktG 1965 und nicht nach den Vorschriften des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes zu beurteilen seien.
Dieser Auffassung muß beigetreten werden. Mit dem Hinweis, daß die beiden Gesetze zwar am selben Tag (31. März 1965) beschlossen worden seien, aber das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz schon am 24. April 1965 und das Aktiengesetz 1965 erst später, nämlich am 1. Jänner 1966, in Kraft getreten sei, ist allerdings nichts gewonnen, weil es im vorliegenden Fall nicht darauf ankommt, ob ein späteres Gesetz ein früheres außer Kraft setzte, sondern darauf, ob die beiden Gesetze dieselbe Frage, nämlich die Ersatzpflicht für verschuldeten Schaden, behandeln und ob hinsichtlich eines Vorstandsmitgliedes, das zugleich Dienstnehmer der Aktiengesellschaft ist, die Regelung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes oder jene des Aktiengesetzes 1965 die speziellere ist. Es ist nämlich ein anerkannter Grundsatz der Gesetzesauslegung, daß ein speziellerer Gesetzessatz dem allgemeineren gegenüber Vorrang hat und die Anwendung des allgemeineren Gesetzes ausschließt, wenn die Rechtsfolgen beider Gesetze unvereinbar sind (Wolff in Klang[2] I/1, 96). Letztere Voraussetzung trifft für das Verhältnis der Regelung der Schadenersatzpflicht des Vorstandsmitgliedes durch das Aktiengesetz 1965 und der Ersatzpflicht eines Dienstnehmers nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz zu. § 84 AktG 1965 legt nämlich die Ersatzpflicht eines Vorstandsmitgliedes bei Verletzung seiner Obliegenheiten, nämlich der Verpflichtung, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, schlechthin, also auch bei nur leichtem Verschulden, in vollem Umfang fest und läßt nur den Beweis der Schuldlosigkeit durch das Vorstandsmitglied offen; es wird auch eine Verjährungsfrist von 5 Jahren bestimmt. Nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz kann dagegen bei einem Verschulden minderen Grades die Ersatzpflicht des Schädigers gemäßigt oder auch ganz erlassen werden; die Frist zur Geltendmachung des Schadens, der auf einem Verschulden minderen Grades beruht, ist mit sechs Monaten bestimmt. Die Anwendung beider Gesetze ist daher hinsichtlich des Umfanges der Haftpflicht und der Frist zur Geltendmachung ausgeschlossen, so daß nur die Rechtsfolgen jenes Gesetzessatzes eintreten, der als der speziellere anzusehen ist.
Bei der Prüfung dieser Frage muß davon ausgegangen werden, daß das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz nach dem Wortlaut seines § 1 für alle Dienstnehmer in einem privatrechtlichen oder einem öffentlichrechtlichen Dienst(Lehr)verhältnis gilt, soweit die Dienstnehmer nicht als Organe der im Art. 23 Abs. 1 des B-VG genannten Rechtsträger in Vollziehung der Gesetze dem Rechtsträger oder einem Dritten einen Schaden zugefügt haben. Überdies gelten dessen Bestimmungen auch für bestimmte Personen, die in keinem Dienstverhältnis stehen, aber doch für andere Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind. Die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes auf solche Personen wurde damit begrundet, daß der soziale Schutzgedanke auch für sie, die gemäß § 2 Abs. 1 ArbGG auch prozeßrechtlich den Dienstnehmern gleichgestellt sind, ebenso wie für diese zutreffe (631 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, X. GP S. 4)
Bei der Prüfung der Frage, ob das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz wegen des angeführten Wortlautes seines § 1 auch für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gilt, muß davon ausgegangen werden, daß die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft auch deren Dienstnehmer sein können, es aber nicht in jedem Fall sind. Ob dies zutrifft, muß im Einzelfall dem Inhalt der Abmachungen zwischen der Aktiengesellschaft und dem bestellten Vorstandsmitglied entnommen werden (Schuster - Bonnot Festschrift für Kastner, 425, insbesondere 437; SZ 22/196). Grundsätzlich haben Vorstandsmitglieder aber Unternehmerfunktionen auszuüben (Schuster - Bonnot Festschrift 430). Sie sind daher schon in vielen Fällen auf Grund ausdrücklicher Bestimmungen von gesetzlichen Vorschriften für Dienstnehmer ausgenommen (z. B. § 2 Abs. 2 ArbGG, § 2 Abs. 3 lit. a BRG, § 5 Abs. 2 lit. b AKG, § 1 Abs. 2 Z. 8 AZG u. a.). Andere arbeitsrechtliche Vorschriften können auf Vorstandsmitglieder, die auch Dienstnehmer der Aktiengesellschaft sind, grundsätzlich angewendet werden. Eine Ausnahme muß aber dann gemacht werden, wenn das Aktiengesetz 1965 die Rechtsbeziehungen zur Aktiengesellschaft zwingend regelt; in einem solchen Fall werden auch zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen, die allgemein für Dienstnehmer gelten, verdrängt, weil das Aktiengesetz 1965 den besonderen Fall behandelt, daß eine Person gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft ist und die spezielle Regelung auch dann gelten muß, wenn sie diese Stellung neben der Eigenschaft eines Dienstnehmers der Gesellschaft hat. Die Regelung der Ersatzpflicht eines Vorstandsmitgliedes im Falle der Verletzung seiner Obliegenheiten behandelt einen besonderen Fall, von dem Dienstnehmer nicht allgemein, sondern nur dann, wenn sie auch gesetzlicher Vertreter der Dienstgeberin sind, betroffen werden. Mit Rücksicht darauf, daß es sich bei dieser Regelung um eine zwingende Bestimmung handelt, die auch im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz der Gläubiger getroffen wurde (Losert - Schiemer - Stadler Aktiengesetz 1965 Anm. 1 zu § 84; Schilling in Groß-Komm. z. § 93 Deutsches Aktiengesetz Anm. 8), muß angenommen werden, daß sie in allen Fällen gelten soll, in denen jemand Mitglied des Vorstandes der Aktiengesellschaft ist und die Frage, wie die im Innenverhältnis getroffene Abmachung, die der Bestellung zum Vorstandsmitglied zugrunde liegt, zu beurteilen ist, demgegenüber in den Hintergrund zu treten hat. Die Bestimmung des § 84 AktG 1965 schließt daher die Anwendung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes für solche Dienstnehmer, die zugleich Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind, aus (Schuster - Bonnot Festschrift, 436). Einer besonderen Bestimmung dieses Inhaltes im Dienstnehmerpflichtgesetz bedurfte es mit Rücksicht darauf nicht, daß bereits die angeführten allgemeinen Grundsätze der Gesetzesauslegung zu diesem Ergebnis führen. Es ist daher auch nicht gerechtfertigt, au Fehlen einer besonderen Bestimmung im Dienstnehmerhaftpflichtgesetz über die Ausnahme solcher Dienstnehmer, die Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind, aus seinem Geltungsbereich und dem Bestehen solcher Ausnahmebestimmungen in anderen Gesetzen zu schließen, daß das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz auch für solche Personen gelten soll. Für deren Ersatzpflicht enthält nämlich das Aktiengesetz eine besondere Vorschrift, die unabhängig davon gilt, ob das Vorstandsmitglied Dienstnehmer ist oder nicht. Für die Bereiche, die in den Gesetzen geregelt sind, die eine Ausschlußbestimmung für gesetzliche Vertreter juristischer Personen, leitende Angestellte und ähnliches enthalten, sind aber im Aktiengesetz keine besonderen Regelungen getroffen. In diesen Bereichen fehlt somit eine spezielle Vorschrift, so daß die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft dann, wenn sie auch deren Dienstnehmer sind, anderen Dienstnehmern gleichgestellt werden könnten. Die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes, insbesondere des § 6 über die Frist zur Erhebung von Ersatzansprüchen bei einem Verschulden geringeren Grades, sind daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
Soweit die klagende Partei ihre Ansprüche auf eine Obliegenheitsverletzung des Beklagten bei der Entlassung des Kurt P aus der Haftung für den offenen Kredit des Otto E stützt, ist aber damit für sie nichts gewonnen, weil eine solche Obliegenheitsverletzung beim festgestellten Sachverhalt nicht angenommen werden kann. Die Vorstandsmitglieder haben gemäß § 84 AktG 1965 bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Darunter ist jene Sorgfalt zu verstehen, mit der ein ordentlicher und gewissenhafter Mann geschäftliche Unternehmen der betreffenden Art für eigene Rechnung zu leiten pflegt. Der Vorstand ist verpflichtet, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden (Schilling Groß-Komm., Anm. 9; Godin - Wilhelmi DAktGes., Anm. 4 zu § 93). Wenn widerstreitende Interessen abzuwägen sind, hat dies das Vorstandsmitglied mit pflichtgemäßen Ermessen in eigener Verantwortung vorzunehmen. Hält es sich im Rahmen dieses Ermessens, mißbraucht es also das Ermessen nicht durch einseitige Bevorzugung eines der zu berücksichtigenden Interessen, so ist die gebotene Sorgfaltspflicht gewahrt (Schilling Groß-Komm. Anm. 10). Das Vorstandsmitglied ist zwar auch bei nur leichtem Verschulden zum Ersatz des von ihm herbeigeführten Schadens verpflichtet, seine Haftung ist aber keine Erfolgshaftung (Schilling Groß-Komm Anm. 15; Godin - Wilhelmi DAktGes. Anm. 6). Auch nicht jedes gewagte Geschäft, das der Vorstand vorgenommen hat, kann ihm als Verschulden angelastet werden. Damit, daß eine Maßnahme für die Gesellschaft auch ungünstig ausfallen kann, muß immer gerechnetwerden; das liegt im Wesen des geschäftlichen Risikos, das die Gesellschaft und nicht deren gesetzlicher Vertreter persönlich zu tragen hat. Eine Verletzung der zu beachtenden Sorgfalt liegt daher nicht vor, wenn im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäftes die Möglichkeit oder die naheliegende Wahrscheinlichkeit bestand, daß sich das Geschäft für die Gesellschaft als ungünstig erweisen werde. In der unrichtigen Beurteilung der Folgen einer Handlung liegt noch keine Fahrlässigkeit, wenn nicht die Beurteilung selbst auf Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt beruht. Ob dies zutrifft, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (Schilling Groß-Komm., Anm 15, 17).
Daraus folgt zunächst, daß für die Beurteilung, ob der Beklagte bei der Entlassung des Kurt P aus der Haftung die von ihm zu beachtende Sorgfalt aufwandte, die Sachlage zu diesem Zeitpunkt maßgeblich ist. Die zur Zeit der Kreditgewährung gegebene Sachlage und die nach der Entlassung des Kurt P aus der Haftung eingetretene Entwicklung sind nur so weit von Bedeutung, als sie vom Beklagten anläßlich dieser Maßnahme noch zu berücksichtigen waren oder schonvorausgesehen werden konnten und daher bei der Abwägung der Interessenlage für die klagende Partei bedacht werden mußten. Daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeiten des Kurt P einer der Gründe für die Gewährung des Kredites an Otto E war, ist hiebei nicht wesentlich, weil das Kreditverhältnis schon fast zwei Jahre bestand und während dieser Zeit immer klaglos abgewickelt worden war; es hatte sich somit schon durch eine erhebliche Zeit als gut bewährt, so daß die persönliche Kreditwürdigkeit des Kurt P nicht mehr wesentlich war. Nach den Feststellungen der Untergerichte waren zu der Zeit, als Kurt P aus der Haftung entlassen wurde, noch keine Zahlungsschwierigkeiten des Otto E hinsichtlich des Kredites gegeben; es war die Annahme gerechtfertigt, daß der Kredit aus den Einnahmen des Betriebes mit Rücksicht auf seine Größe und Lage, sowie die bestehende Konjunktur nach den wirtschaftlichen Erfahrungen als gesichert anzusehen war. Der Beklagte hafte bei dieser Sachlage keinen Anlaß, über die geschäftliche Lage des Otto E Auskünfte einzuholen, oder die Bücher des Unternehmens zu überprüfen. Er konnte vielmehr davon ausgehen, daß durch die Entlassung des Kurt P das Risiko der Klägerin hinsichtlich des gewährten Kredites nicht wesentlich erhöht werde. Hatte aber der Beklagte hinsichtlich der finanziellen Lage des Otto E keine Erkündigungspflicht, ist es auch nicht wesentlich, ob und in welchem Ausmaß gegen diesen Exekutionen eingeleitet worden waren und ob dies aus den Büchern überhaupt hervorgegangen wäre. Für die Annahme, daß die von Kurt P, der ein ständiger und guter Kunde der klagenden Partei war, für sein Ausscheiden aus der Gesellschaft angegebenen Gründe nicht zugetroffen hätten, hatte der Beklagte keinen Anhaltspunkt; es ergibt sich auch aus dem festgestellten Sachverhalt nicht, daß diese Gründe nicht den Tatsachen entsprochen hätten und Kurt P damals schon finanzielle Schwierigkeiten des Otto E befürchtete oder erkannte. Es darf nicht übersehen werden, daß der wesentliche Grund dafür, daß diese Schwierigkeiten eintraten, darin lag, daß Otto E zu einem späteren Zeitpunkt für ein Jahr der Führerschein entzogen wurde. Es hätte sich auch durch Einsicht den von der Gesellschaft geschlossenen Bestandvertrag kein Analtspunkt dafür ergeben, daß das Unternehmen Otto Es nicht ausreichend gesichert sei. Daß Otto E in Zukunft mit der Zahlung des Zinses in Verzug geraten werde, hätte dem Bestandvertrag nicht entnommen werden können. Überdies wurde festgestellt, daß im Garagengeschäft Bestandverträge meist nur kurzfristig abgeschlossen werden, aber auch solche Betriebe Kredite erhalten. Daß die Entlassung des Kurt P aus der Haftung nicht schriftlich erfolgte, ist nicht wesentlich, weil für diese Maßnahme eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist und es nicht auf die Form der Handlung des Beklagten, sondern auf deren sachliche Berechtigung ankommt. Dazu muß aber noch darauf verwiesen werden, daß der Beklagte bei einer Ablehnung des Begehrens Ps nach Entlassung aus der Haftung annehmen mußte, daß dieser wichtige Bankkunde der klagenden Partei, der ihr durch seine Geschäfte auch neue Kunden zuführte, verlorengehe und die klagende Partei nicht mehr weiter empfehle. Der Beklagte hatte also die Entscheidung zu treffen, ob für die Klägerin ein wertvoller Kunde verlorengehen oder aus der Haftung für einen nach vernünftigem wirtschaftlichem Ermessen ohnehin nicht gefährdeten Kredit entlassen werden soll. Wird berücksichtigt, daß nach der festgestellten Praxis der Banken derartige Kunden sogar aus der Haftung für notleidende Kredite entlassen werden, kann nicht gesagt werden, daß der Beklagte bei der Entscheidung für eine Entlassung des Kurt P aus der Haftung für den offenen Kredit eine der gegebenen Möglichkeiten in einer sachlich nicht gerechtfertigten Weise bevorzugt und die Interessen der Klägerin nicht ausreichend gewahrt habe. Im übrigen steht es auch nicht fest, welchen Nutzen die Erhaltung der Kunde Kurt P und allenfalls die Gewinnung weiterer durch ihn empfohlener Kunden in der Folge noch hatte und ob dieser Nutzen tatsächlich geringer war, als der, durch die Entlassung Kurt Ps aus dem Kreditverhältnis mit Otto E in der Folge eingetretene Schaden. Bei dieser Sachlage ist vom Beklagten der Beweis erbracht, daß er bei der Entlassung des Kurt P aus der Haftung für den Kredit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vernachlässigt hat, so daß ihn keine Verpflichtung trifft, den der klagenden Partei aus diesem Kreditverhältnis entstandenen Schaden zu ersetzen.
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