Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Antragsteller ist der außereheliche Sohn des Antragsgegners. Im Oktober 2004 schloss er eine Lehre zum Fahrzeugfertiger als Facharbeiter ab. Nach Absolvierung des Zivildienstes vom 31. 1. 2005 bis Ende Jänner 2006 stand er von März bis Mai 2006 in Beschäftigung, hatte aber bereits im März 2006 die Aufnahmsprüfung für die Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie und Datenverarbeitung in Wien bestanden, die er seit September 2006 besucht. Es handelt sich dabei um eine fünfjährige, mit Matura abschließende Ausbildung. Der Antragsteller bezieht kein Einkommen und hat auch keinen Anspruch auf ein Stipendium, weil er nach dem Lehrabschluss nicht zumindest vier Jahre gearbeitet hat. Er beantragte am 19. 9. 2006, den Antragsgegner ab 1. 9. 2006 zu einer monatlichen Geldunterhaltsleistung von EUR 600 zu verpflichten, weil es ihm aufgrund seines Stundenplans (Wochenstundenzahl 37) nicht möglich sei, einer Beschäftigung nachzugehen. Die Arbeit als Fahrzeugfertiger gefalle ihm nicht mehr, er sei schon lange an Kunst interessiert. Nach der Matura würde ihm die nunmehr angestrebte Ausbildung die Möglichkeit bieten, als Designer zu arbeiten. Der Antragsgegner sprach sich gegen seine Verpflichtung Geldunterhalt aus und wandte ein, der Antragsteller verfüge bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung, sein Fortkommen werde durch die neue Ausbildung nicht verbessert.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner ab 1. 9. 2006 zu einer monatlichen Geldunterhaltsleistung in Höhe von EUR 600. Es ging davon aus, dass dem überdurchschnittlich verdienenden Vater die Verlängerung seiner Unterhaltspflicht schon dann zugemutet werden könne, wenn sein Kind damit in die Lage versetzt werde, den gewünschten Beruf zu erlernen. Hätte der Antragsteller bereits im Anschluss an die Hauptschule die HTL besucht und wollte er nunmehr eine entsprechendes Studium daran anschließen, bedürfte es keiner besonderen Begründung, dies „aus unterhaltsrechtlicher Sicht" zu gestatten. Es bestehe kein Grund, ihm derlei zu verbieten, weil die erste und die nunmehrige zweite Ausbildung miteinander nichts bzw nicht viel zu tun hätten.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es verwies darauf, dass in Bezug auf eine zweite oder weiterführende Ausbildung eines Unterhaltsberechtigten die „Bestimmungsfaktoren" „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen" und „Verbesserung der Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten des Berechtigten" nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs ein bewegliches System darstellten. Die „Überlegungs- oder Korrekturfristen", die man Unterhaltsberechtigten bei einem Studium unmittelbar nach der Matura zubillige, müssten auch für andere in Berufsausbildung oder am Beginn der Berufsausübung stehende Kinder gelten, selbst wenn diese bereits eine gewisse Zeit selbsterhaltungsfähig gewesen seien. Nicht nur beim Hochschulstudium, sondern auch bei anderen beruflichen Ausbildungswegen sei zumindest ein einmaliger Wechsel zu tolerieren und habe sich die Entscheidung an der fiktiven „intakten Familie" zu orientieren. Hier besuche der Antragsteller nach der Ausbildung zum Beruf des Fahrzeugbauers eine HTL im Bereich Kunst, Mode und Design. Die Eignung des Antragstellers für die Ausbildung ergebe sich aus der erfolgreichen Ablegung der Aufnahmsprüfung, die zukünftigen Berufsaussichten seien beim Schultyp HTL allgemein als gut einzustufen. Darüber hinaus sei auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers bei einem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen von EUR 3.593,19 - ohne weitere Sorgepflichten - gegeben. In Abwägung der wechselseitigen Interessen sei der Vater zur Unterhaltsleistung zu verpflichten.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene ordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig und - im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen - auch berechtigt.
Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs kann einem Kind dann eine zweite Berufsausbildung gegen den Willen und auf Kosten des Unterhaltspflichtigen zugebilligt werden, wenn auf Seiten des Kindes eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung (überdurchschnittliche Begabung) sowie ausreichender Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennbar sind, es dem Unterhaltspflichtigen zumutbar ist, dafür Leistungen zu erbringen, und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Fortkommens des Kindes eintreten wird (RIS-Justiz RS0107722). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen einerseits und die Verbesserung der Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten andererseits, bilden in einem solchen Fall ein bewegliches System, das eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen soll. Je weniger die Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten durch die Zweitausbildung verbessert werden können, umso geringer ist die Verbindlichkeit des Unterhaltspflichtigen, die Zweitausbildung innerhalb der Grenzen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mitzufinanzieren (3 Ob 7/97v = SZ 70/36). Die zum Wechsel eines Studiums judizierten „Überlegungs- oder Korrekturfristen" gelten auch für in Berufsausbildung oder am Beginn der Berufsausübung stehende Kinder (2 Ob 97/97x). Entscheidungen in Unterhaltsssachen haben sich an den Verhältnissen einer fiktiven „intakten Familie" zu orientieren (1 Ob 49/02s).
Geht man von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners aus, stellt sich somit vorweg die Frage nach der Verbesserung der Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten des Antragstellers durch die zweite Berufsausbildung. Dazu hat das Erstgericht nur die Meinung des Antragstellers, schon auf Grund der Ablegung der Matura stünden ihm mehr Berufsmöglichkeiten offen als bei seiner bisherigen Ausbildung, wiedergegeben, ohne dies zu objektivieren. Das Rekursgericht erörtert zu diesem Themenbereich, dass allgemein beim Schultyp HTL gute Berufsaussichten bestünden und Absolventen „stark nachgefragt" würden. Auch wenn bei Beurteilung der Frage, ob ein Studium ein besseres Fortkommen erwarten lässt, regelmäßig allgemeine Erfahrungsgrundsätze ausreichend sind (RIS-Justiz RS0047580), ist dies im vorliegenden Fall bei Abwägung der Berufsaussichten zwischen einem Facharbeiter im Bereich der Fahrzeugfertigung und einem HTL-Absolventen im Bereich der Textilindustrie nicht ohne weiteres auf der Hand liegend; dies umso mehr, als das Erstgericht offenbar davon ausgeht, dass die beiden Ausbildungswege miteinander „nicht viel bzw gar nichts" zu tun hätten, wohingegen das Rekursgericht offensichtlich von einer Ergänzungsfähigkeit der „Kombination Technik/Kunst/Design" ausgeht. Zum Kriterium der ernsthaften Neigung bzw der besonderen Eignung im Sinne einer überdurchschnittlichen Begabung des Antragstellers enthält die erstinstanzliche Entscheidung lediglich die „Feststellung", die Möglichkeit, als Designer zu arbeiten, entspreche dem Wunsch des Antragstellers. Das Rekursgericht verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich die Eignung des Antragstellers aus dem Umstand ersehen lasse, dass er die Aufnahmsprüfung bestanden habe. Diese Ansicht ist - solange nicht gegenteilige Fakten vorliegen - zu teilen.
Anders als bei dem der Entscheidung 2 Ob 97/97x zugrundeliegenden Sachverhalt, wo das Wiederaufleben der Unterhaltspflicht nach positivem Abschluss einer HTL für Waffentechnik trotz dreimonatiger Erwerbstätigkeit wegen der Aufnahme eines achtsemestrigen Fachhochschulstudiums bejaht wurde, kann im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres von einem zu erwartenden besseren Einkommen ausgegangen werden. Im dortigen Fall war überdies wesentlich, dass das vom Kind gewählte Fachhochschulstudium neu eingerichtet wurde und daher zuvor als Ausbildungsvariante nicht zur Verfügung stand.
Da die Vorinstanzen zwar die einschlägige Judikatur richtig dargestellt haben, ihre Beurteilung aber ohne ausreichende Feststellungen erfolgte, ist das Verfahren ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren nach entsprechenden Erhebungen Feststellungen zu den (verbesserten) Berufsaussichten und Verdienstmöglichkeiten zu treffen und danach neuerlich zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 AußStrG.
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