Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die in Ansehung des Zuspruchs eines Betrags von EUR 6.375,39 samt 4 % Zinsen seit 13. 1. 2003 sowie der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens und eines Betrags von EUR 22.057,34 sA als unangefochten unberührt bleiben, werden darüber hinaus, sohin in Ansehung eines Betrags von EUR 108.609,73 samt 4 % Zinsen ab 13. 1. 2003 dahin abgeändert, dass sie als
Zwischenurteil
zu lauten haben:
„Der Anspruch der klagenden Partei auf Erhalt des ungeminderten Pflichtteils nach dem am 10. 7. 1995 verstorbenen DDr. Franz K***** besteht dem Grunde nach zu Recht.
Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten."
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 8. 5. 1952 geborene Klägerin ist die außereheliche Tochter des am 10. 7. 1995 verstorbenen Erblassers. Dieser war seit Mai 1995 mit der Beklagten verheiratet. Am 15. 3. 1993 errichtete der Verstorbene vor einem öffentlichen Notar nach ausführlicher Rechtsbelehrung ein Testament, in dessen Punkt III. er festlegte, dass der Klägerin im Hinblick auf § 773a Abs 1 ABGB lediglich die Hälfte des Pflichtteilsanspruches zustehen solle.
Nachdem die Klägerin im Jahr 1952 zur Welt gekommen war, zahlte ihr Vater vorerst keinen Unterhalt. Dieser wurde in der Folge gerichtlich festgesetzt. Die Klägerin wuchs in Graz bei ihrer Mutter auf. Der in Wien wohnhafte Erblasser besuchte die Klägerin in deren früher Jugend in regelmäßigen Abständen von etwa zwei bis drei Monaten. Zu regelmäßigen Besuchen kam es bis zum Jahr 1970. Zwischen 1972 und 1973 war der Kontakt zwischen der Klägerin und ihrem Vater unterbrochen, weil es im Jahr 1972 zwischen ihnen zu einem Streit gekommen war. Von 1973 bis 1979 hatten Vater und Tochter in Abständen von ca sieben bis acht Monaten Kontakt. Einmal besuchte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Vater den Wiener Opernball, wobei sie der Vater während der Tage der Anwesenheit der Klägerin in Wien in einem Nobelhotel unterbrachte. Zwischen 1973 und 1979 telefonierten die Klägerin und ihr Vater in regelmäßigen Abständen miteinander. Im Jahr 1979 erklärte der Erblasser der Klägerin anlässlich eines Telefonats, dass sie nicht mehr anrufen solle. Er habe eine Frau kennengelernt, die den Kontakt zwischen ihm und der Klägerin nicht schätze. Die Klägerin hätte ihren Vater gerne mehr in ihr Leben einbezogen, doch wollte dieser dies „eher nicht". Gegenüber seiner Familie und seinen Bekannten sprach der Erblasser nicht über seine Tochter bzw verleugnete er auch deren Existenz.
Im Todeszeitpunkt hielt der Erblasser einen Kommanditanteil von 49 % an einer Apotheke mit einem derzeitigen Wert von ATS 4,323.000. Weiters war er Hälfteeigentümer einer Wiener Liegenschaft und repräsentiert sein Anteil derzeit einen Wert von ATS 2,270.350. Ein weiterer im Eigentum des Erblassers gestandener Viertelanteil an einer Liegenschaft in Perchtoldsdorf weist einen derzeitigen Wert von ATS 1,347.250 auf. In den Nachlass fielen auch ein Sparbuch mit einem Guthabenstand von ATS 7.755,14, ein Girokonto mit einem Guthabenstand von ATS 12.719,59, ein Wertpapierdepot mit einem Guthabenstand von ATS 80.750, ein Wertpapierkonto über ATS 43.500 und ein Guthaben des Verstorbenen beim Finanzamt über ATS 68.084. Im Eigentum des Erblassers standen auch Antiquitäten und Bilder mit einem Wert von ATS 122.900 und ATS 15.100.
Diesen Aktiva stehen gegenüber Gerichtskommissärskosten von ATS 73.200 und ATS 24.720 sowie Sachverständigenkosten von ATS 49.862, ATS 5.205 und ATS 53.391.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin zuletzt, die Beklagte zur Zahlung von EUR 137.042,46 sA zu verurteilen. Der Verstorbene habe seit der Geburt der Klägerin bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Beklagte kennengelernt habe, eine äußerst innige und intensive Beziehung zur Klägerin gehabt. Er habe Teile seiner Freizeit mit der Klägerin verbracht, obwohl das Verhältnis zwischen der Mutter der Klägerin und dem Verstorbenen schlecht gewesen sei. Der Vater der Klägerin sei stets der Ansicht gewesen, dass deren Mutter ihr nicht die notwendige Erziehung und Bildung angedeihen lasse, weshalb er sich, sobald die Klägerin das entsprechende Alter erreicht gehabt habe, darum gekümmert habe, welche schulische Ausbildung die Klägerin erhalten solle. Der Vater der Klägerin sei mit ihr in ein entsprechendes Ausbildungsinstitut gegangen, um sie dort unterzubringen. In weiterer Folge habe er der Klägerin dazu verholfen, von Graz nach Deutschland zu übersiedeln, was der Klägerin ohne die Hilfe ihres Vaters nicht möglich gewesen wäre. Die Klägerin habe ihren Vater regelmäßig in Wien besucht und sei für sie ein gemeinsamer Besuch des Opernballs, auf den ihr Vater ausdrücklich bestanden habe, eine besonders schöne Erinnerung. Anlässlich dieses Ballbesuchs sei die Klägerin von ihrem Vater völlig eingekleidet worden und habe der Vater eine Übernachtung in einem erstklassigen Wiener Hotel organisiert. Der ersten Verehelichung der Klägerin sei ihr Vater negativ gegenübergestanden, weshalb er mit dem Ehemann kaum Kontakt gehabt habe. Die Klägerin habe daher ihren Vater regelmäßig allein in Wien besucht und sich mit ihm in dessen Wohnung getroffen. Das gemeinsame Interesse des Vaters und der Klägerin selbst, die damals als Bankangestellte in der Schweiz gearbeitet habe, seien Kunst und Antiquitäten gewesen sowie die Beschäftigung mit Investitionsanlagen. Der Vater habe mit der Klägerin auch intime Details aus ihrem und seinem Privatleben erörtert und habe sich von der Klägerin bei Investitionsgeschäften beraten lassen. Die Klägerin habe für ihn Geld von Österreich in die Schweiz transportiert, um es dort in Aktien zu investieren, die sie ihm in weiterer Folge ausgehändigt habe. Der Klägerin sei aus Erzählungen ihres Vaters bekannt gewesen, dass er in den letzten Kriegstagen einer Sondereinheit zugeteilt gewesen sei, die sich mit der Sicherung von Kunstgegenständen beschäftigt habe. Der Grundstock des Vermögens ihres Vaters habe aus dieser Zeit gestammt. Auch habe der Vater der Klägerin nachfolgend mehrfach Lebensgemeinschaften und Bekanntschaften mit älteren, vermögenden, alleinstehenden Damen gehabt, die er in der Folge beerbt habe. Der letzte Kontakt der Klägerin mit ihrem Vater habe im Jahr 1994 stattgefunden, als die Klägerin ein Buch veröffentlicht habe. Bei der Organisation des aus diesem Grund gegebenen Empfanges in London sei ihr der Vater behilflich gewesen. Danach habe sich der Kontakt der Klägerin zu ihrem Vater „verdünnt", weil die Beklagte gegen derartige Kontakte gewesen sei. Es sei, weil die Klägerin den Wunsch ihres Vaters akzeptiert habe, sodann nur selten zu kurzen Treffen oder Telefonaten gekommen. Der Klägerin stehe der Pflichtteil ungeschmälert zu, sodass sie Anspruch auf ein Drittel des Reinnachlasses habe.
Die Beklagte wendete ein, die vom Erblasser vorgenommene Pflichtteilsminderung gemäß § 773a Abs 1 ABGB sei zutreffend und gültig. Zwischen der Klägerin und ihrem Vater habe niemals ein Naheverhältnis bestanden, wie es zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich bestehe. Die Klägerin sei in Graz geboren und dort aufgewachsen, demgegenüber sei der Verstorbene immer in Wien wohnhaft und beschäftigt gewesen. Er habe keinen Kontakt zur Klägerin oder deren Mutter gehabt. Schon allein aus der Notwendigkeit der behördlichen Festsetzung von Unterhaltszahlungen ergebe sich, dass zumindest in der Zeit, in der die Klägerin noch ein Kind gewesen sei, kein Naheverhältnis zu ihrem Vater bestanden habe. Auch in weiterer Folge sei es niemals zu den behaupteten innigen und intensiven Kontakten gekommen. Die Klägerin habe sich nicht um ihren Vater gekümmert und habe dieser auch kein Bedürfnis gehabt, mit der Klägerin in Kontakt zu treten. Erst rund drei Jahre nach Aufnahme der Lebensgemeinschaft der Beklagten mit dem Verstorbenen habe dieser die Beklagte informiert, dass er ein außereheliches Kind habe. Der Verstorbene habe selbst nicht gewusst, wo sich die Klägerin aufhalte, weil er bei Errichtung seines Testaments deren Adresse nicht angeben habe können. Auch die Familie des Verstorbenen habe kaum etwas über die Klägerin gewusst. Der Verstorbene habe über keine Wohnmöglichkeit in Graz verfügt, sodass er schon deshalb das Besuchsrecht nicht habe ausüben können. Aufgrund der schlechten Beziehung zur Mutter der Klägerin habe er mit der Klägerin keinen Umgang pflegen können. Der Verstorbene habe nicht über die Klägerin gesprochen und habe der Beklagten einige Jahre vor seinem Tod mitgeteilt, dass er vom Verbleib der Klägerin nichts wisse und es keine Verbindung zu ihr gebe.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin einen Betrag von EUR 6.375,39 samt 4 % Zinsen seit 11. 7. 1995 zu zahlen und wies das Mehrbegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, in deren Zusammenhang es weiters ausführte, dass zwischen dem Verstorbenen und seiner Tochter keine geistig-emotionale Nahebeziehung bestanden habe und dass der Vater eine nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme an der Entwicklung und dem Wohlergehen der Klägerin nicht habe erkennen lassen. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass ausgehend von den getroffenen „Feststellungen", wonach eine geistig-emotionale Beziehung, die über einen gewissen Zeitraum angedauert hat, nicht gegeben gewesen sei - die Pflichtteilsminderung „zutreffend und gültig" sei. Ausgehend von den festgestellten Aktiva ergebe sich nach Abzug der Passivposten ein Sechstel des Reinnachlasses mit ATS 1,347.499,22. Davon sei der von der Beklagten bereits geleistete Betrag von ATS 1,259.772 abzuziehen, sodass der Klägerin noch ein Betrag von ATS 87.727,22 (= EUR 6.375,39) zuzusprechen sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge und änderte das Ersturteil über Berufung der Beklagten dahin ab, dass es den Beginn des Zinsenlaufs für den zugesprochenen Betrag mit 13. 1. 2003 bestimmte und das Zinsenmehrbegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im vorliegenden Fall müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin und ihr Vater nicht im Familienverband gemeinsam, sondern sogar in verschiedenen Städten gelebt haben. Zwar habe ein gewisses Mindestmaß an Kontakten bestanden und habe der Vater mit der Klägerin auch den Wiener Opernball besucht, doch deute dies nicht auf eine enge „finanzielle und emotionale" Beziehung zwischen dem Vater und seiner Tochter hin. Schließlich habe der Verstorbene die Vaterschaft zu seiner Tochter nicht anerkannt, sondern sei diese durch das Gericht festgestellt worden, welches ihn zunächst auch zur Zahlung von Unterhalt habe verhalten müssen. Besonders schwer wiege, dass der Verstorbene gegenüber Freunden und Verwandten bemüht gewesen sei, entweder die Existenz der Tochter oder zumindest ein familiäres Verhältnis zu dieser zu leugnen. Auch dem Notar, der das Testament errichtete, habe er weder den genauen Namen noch den genauen Wohnort seiner Tochter nennen können. Einen Hinweis, dass die festgestellten dürftigen Kontakte des Verstorbenen zur Klägerin wegen seiner oder ihrer besonderen Lebensumstände das Maximum des dem Verstorbenen Möglichen gewesen seien, habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Auch der einmalige gemeinsame Besuch des Opernballs lasse noch nicht auf eine starke Nahebeziehung schließen. Während die Berufung der Klägerin somit nicht gerechtfertigt sei, komme jener der Beklagten in Ansehung des Zinsenausspruchs Berechtigung zu, weil dem Noterben erst ab der wirklichen Zuteilung - hier zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz - gesetzliche Zinsen gebührten.
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 773a Abs 1 ABGB in der hier anzuwendenden Fassung vor dem FamErbRÄG 2004 mindert sich dann, wenn ein Elternteil und sein Kind zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis, wie es in der Familie zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich besteht, standen, der Pflichtteil dieses Elternteils oder seiner Vorfahren dem Kind und seinen Nachkommen gegenüber und der des Kindes und seiner Nachkommen dem Elternteil und seinen Vorfahren gegenüber, wenn es der Erblasser anordnet, auf die Hälfte. Diese durch das Erbrechtsänderungsgesetz 1989, BGBl 656, eingeführte Regelung wird in den Gesetzesmaterialien (AB 1158 BlgNR 17. GP, 6) damit begründet, dass „am Nachlass beteiligt sein soll, wer eine besondere Nahebeziehung zum Erblasser" gehabt habe; eine solche sei anzunehmen, wenn der Erbe mit dem Erblasser nahe verwandt oder verheiratet sei und mit ihm gemeinsam lebe oder gelebt habe, „wie dies in einer Familie üblicherweise der Fall" sei. Der Pflichtteil eines Verwandten, der „als Kind zum Elternteil oder als Elternteil zum Kind zu keiner Zeit in einem familienrechtlichen Naheverhältnis" gestanden sei, solle gemindert werden können. Eine bloß rechtliche Beziehung, die „regelmäßige Unterhaltsleistung des Vaters" und „die örtliche Nähe" seien für eine Pflichtteilsminderung kein Hindernis, wenn es an einer „familiären Beziehung" fehle. Der Elternteil dürfe „also - wie es bei einer Familienbindung gewöhnlich der Fall ist - am Wohlergehen und Werden des Kindes zu keiner Zeit Anteil genommen haben, damit dessen Pflichtteil gemindert werden" könne.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung 2 Ob 581/94 = SZ 67/217 darauf verwiesen, dass gemeinsames Wohnen vom Gesetzgeber nicht zur positiven Voraussetzung für den Anspruch auf den vollen Pflichtteil gemacht worden sei. Entscheidend sei vielmehr, ob ein in einer Familie übliches Naheverhältnis vorliege und eine „geistig-emotionale" Beziehung bestehe, die eine gewisse Zeit gedauert habe. Der Elternteil müsse zumindest zeitweise am Wohlergehen und Werden des Kindes Anteil genommen haben.
In seiner Entscheidung 1 Ob 2247/96i = SZ 69/237 nahm der erkennende Senat ausführlich zur Forderung von Teilen der Lehre (Umlauft, Pflichtteilsminderung nach § 773a ABGB, in NZ 1990, 143; Eccher in Schwimann, ABGB - Ergänzung III Rz 2 zu § 773a) nach einer besonders intensiven geistig-emotionalen Nahebeziehung Stellung und führte unter Berufung auf Welser (Die Erbrechtsreform 1989, in NZ 1990, 137) aus, dass eine derartige Intensität der Beziehung wohl zwischen einer Mutter und ihrem unehelichen Kind typisch sei, dagegen zwischen dem unehelichen Vater und dem Kind gewöhnlich fehlen werde. Wäre daher eine letztwillige Pflichtteilsminderung gemäß § 773a Abs 1 ABGB nur dann ausgeschlossen, wenn ein Elternteil und sein Kind in einer besonders intensiven familiären Nahebeziehung stehen, könnten uneheliche Väter ihre Kinder im Regelfall immer letztwillig auf den halben Pflichtteil setzen. Das könne aber schon deshalb nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, weil einer der mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 1989 verfolgten Zwecke die Gleichstellung des unehelichen Kindes im Erbrecht gewesen sei. Als wesentliche Entscheidungskriterien sah der erkennende Senat das Alter, den Beruf und die Gesundheit der Beteiligten an, weil darin auch „normale familiäre Beziehungen differieren" könnten. Ebenso von Bedeutung seien aber individuelle Eigenschaften, weil verschiedene Personen ihre Familienverhältnisse verschieden gestalten könnten. Auch die räumliche Entfernung des unehelichen Vaters von seinem Kind und das familiäre Umfeld, in dem beide lebten, seien wesentlich. So werde beispielsweise ein verheirateter Vater ehelicher Kinder wegen der sich aus dem Beziehungsgeflecht der ehelichen Familie ergebenden Anforderungen gewöhnlich weniger Zeit und Anteilnahme für seine unehelichen Nachkommen aufbringen können als uneheliche Väter in einer anderen familiären Situation. Gleiches gelte normalerweise auch dann, wenn die persönliche Lebenssituation des unehelichen Vaters zwar einen intensiven Kontakt mit seinem Kinde erlaubte, dieses aber etwa in die eheliche Familie der Mutter voll integriert und der Vater bei der Kontaktpflege daher auf die bloße Rolle eines Außenseiters beschränkt sei. Eine Pflichtteilsminderung gemäß § 773a Abs 1 ABGB scheide daher nicht erst dann aus, wenn sich der uneheliche Vater während eines gewissen Zeitraums intensiv um sein Kind bemüht und daher eine besonders enge geistig-emotionale Nahebeziehung aufzubauen verstanden habe, sondern bereits dann, wenn er über seine Rolle als „Zahlvater" hinaus die nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme an der Entwicklung und am Wohlergehen seines Nachkommens erkennen habe lassen. An dieser Rechtsansicht ist weiterhin festzuhalten.
In dem genannten Urteil musste der erkennende Senat sich nicht damit auseinandersetzen, was der Gesetzgeber mit der Wendung „zu keiner Zeit" zum Ausdruck habe bringen wollen, weil das dort über mehrere Jahre vorliegende familiäre Naheverhältnis diesem Tatbestandsmerkmal jedenfalls entsprochen habe. In seiner Entscheidung 7 Ob 505/95 hielt der Oberste Gerichtshof ein - wenngleich schon im Kleinkindalter wieder beendetes - Zusammenleben im Familienverband etwa drei Jahre hindurch als jedenfalls ausreichend, um die Pflichtteilsminderung auszuschließen, habe doch das in einer Familie übliche Naheverhältnis nicht nur punktuell, sondern doch eine gewisse Zeit gedauert. In 6 Ob 52/05y schließlich wurde darauf verwiesen, es sei ein „gewisser Zeitraum" erforderlich, um von einem familiären Naheverhältnis sprechen zu können. Wie lange dieser „gewisse Zeitraum" sein müsse, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab, weil es Fälle geben könne, wo der Elternteil mit dem Kind zwar im gemeinsamen Haushalt wohne, aber keine Nahebeziehung oder eine solche nur sehr langsam aufbaue, in anderen Fällen aber ein Naheverhältnis bei getrenntem Wohnen wegen entsprechender Bemühungen des Elternteils durchaus bejaht werden könne. Im dort zu beurteilenden Fall wurde das Zusammenleben ab der Geburt des Kindes in einer Dauer von rund eineinhalb Jahren im gemeinsamen Familienverband als ausreichend angesehen, um eine Pflichtteilsminderung auszuschließen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorerst die Natur der von den Vorinstanzen offenkundig dem Tatsachenbereich zugeordneten, im Rahmen der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen (Seite 12 des Ersturteils) gemachten Aussage zu untersuchen, zwischen dem Vater und seiner Tochter habe keine geistig-emotionale Nahebeziehung bestanden. Zur Unterscheidung zwischen Tat- und Rechtsfrage enthält das Gesetz selbst keine Abgrenzungsregel. Im Allgemeinen ist als Lösung der Tatfrage die Beschaffung der konkreten Unterlagen für die Feststellung eines tatsächlichen Geschehens und diese Feststellung selbst anzusehen, während die Lösung der Rechtsfrage in der Anwendung der generellen Norm auf den konkreten Einzelfall besteht (2 Ob 29/86). Umschreibt das Gesetz ein Tatbestandselement mit einem erst durch rechtliche Beurteilung inhaltlich zu bestimmenden Begriff, dann liegt in der bloßen Bejahung oder Verneinung dieses Tatbestandselements ein Feststellungsmangel, wenn nicht erkennbar ist, aus welchen in tatsächlicher Hinsicht zugrunde gelegten Umständen das fragliche Tatbestandselement inhaltlich bestimmt wurde (6 Ob 617/79). Ebenso wie etwa die Frage der unheilbaren Zerrüttung der Ehe keine tatsächliche Feststellung betrifft, sondern in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung gehört (RIS-Justiz RS0043423), ist auch die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des im § 773a Abs 1 ABGB beschriebenen Naheverhältnisses eine solche der rechtlichen Beurteilung, die auf Grund des festgestellten Sachverhalts zu lösen ist. Die Qualifikation der für die Pflichtteilsminderung erheblichen Sachverhaltselemente im Sinne der Bejahung oder Verneinung des vom Gesetz geforderten Naheverhältnisses ist daher revisibel, sodass der erkennende Senat an die - wenngleich in den Feststellungen enthaltene - Beurteilung durch das Erstgericht nicht gebunden ist.
Die weitere „Feststellung", der Verstorbene habe „eine nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme an der Entwicklung und dem Wohlergehen der Klägerin nicht erkennen" lassen, ist schon deshalb nicht relevant, weil es auf den äußeren Eindruck, den dritte Personen allenfalls gewinnen konnten, nicht entscheidend ankommt. Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht ist das Verleugnen der Tochter gegenüber Verwandten und Bekannten keinesfalls ein ausschlaggebendes Indiz für das Fehlen einer entsprechenden Nahebeziehung zum Kinde, weil es für dieses Verhalten zahlreiche, die unmittelbare Beziehung zum Kind nicht betreffende Gründe, wie etwa gesellschaftliche Rücksichtnahmen, geben kann. Die Frage der Unterhaltsleistung mag ein Indiz für das Verhältnis zum Kind sein, welches jedoch an Bedeutung insoweit verliert, als persönliche Zuwendung zum Kind vorhanden ist und eher der gestörte Kontakt zur Mutter als Begründung für die Verweigerung von Unterhaltszahlungen in den Vordergrund rückt.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Verstorbene seine 1952 geborene Tochter bis etwa in das Jahr 1970 regelmäßig in Abständen von etwa zwei bis drei Monaten in Graz besucht und hatte auch danach - wie in den erstinstanzlichen Feststellungen beschrieben - regelmäßigen, wenngleich lockereren Kontakt mit seiner Tochter. Wie bereits eingangs dargestellt, ist bei der Beurteilung des Bestehens familiärer Nahebeziehungen einerseits für den unehelichen Vater ein weniger strenger Maßstab anzulegen und andererseits das Umfeld der beteiligten Personen als wesentliches Kriterium in die Analyse einzubeziehen. Hier ist zwar der Beklagten zuzugestehen, dass der Verstorbene nach dem Akteninhalt nicht verheiratet war, doch ist ihr andererseits die nicht unbeträchtliche räumliche Entfernung entgegenzuhalten. Die Beklagte weist selbst wiederholt darauf hin, dass der Vater der Klägerin in Graz über keine Wohnmöglichkeit verfügte und dass er zudem ein äußerst schlechtes Verhältnis zur Mutter der Klägerin hatte. Ausgehend davon können aber regelmäßige Besuche im Abstand von zwei bis drei Monaten bis etwa zum 18. Lebensjahr der Tochter nicht ohne Weiteres als „Mindestmaß an Kontakt" abgetan werden, wie es das Berufungsgericht gemacht hat. Vielmehr zeigt sich darin ein doch einigermaßen gewichtiges Interesse des Verstorbenen am Wohlergehen seiner Tochter, welches sich in der Folge auch durchaus am Weiterbestand dieser, wenngleich mit fortschreitendem Alter der Tochter und größer werdender räumlicher Entfernung spärlicher werdenden Kontakte zeigt. Vor diesem Hintergrund liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, den gemeinsamen Besuch des Opernballs nicht als Zeichen der Zuneigung zur Klägerin zu sehen. Die Tatsache, dass der Verstorbene seine Tochter im Jahr 1979 darum bat, ihn nicht mehr anzurufen, weil er eine Frau kennengelernt habe, die derartige Kontakte nicht schätze, vermag die Pflichtteilsminderung nicht zu begründen, weil diese - wie bereits dargelegt - schon durch länger dauernden Kontakt im Kleinkindalter ausgeschlossen wird. Der Beklagten, die als Pflichtteilsschuldnerin die materielle Beweislast für das Fehlen eines Naheverhältnisses trifft (SZ 67/217), ist der Beweis nicht gelungen, die festgestellten regelmäßigen Kontakte zwischen Vater und Tochter hätten nicht dem Aufbau einer entsprechenden geistig-emotionalen Nahebeziehung gedient und dürften wegen erkennbar anderer Zielrichtung nicht als Anteilnahme an der Entwicklung und am Wohlergehen der Klägerin gewertet werden. Ausgehend davon kann aber keine Rede davon sein, der Verstorbene wäre nur auf die Rolle des „Zahlvaters" beschränkt geblieben, und es hätte zwischen Vater und Tochter zu keiner Zeit das im § 773a ABGB beschriebene Naheverhältnis bestanden.
Der Anspruch der Klägerin besteht somit dem Grunde nach zu Recht. Allerdings ist das Verfahren zur Höhe noch ergänzungsbedürftig, weil das Gericht zweiter Instanz auf die detaillierten Ausführungen der Klägerin in deren Berufung, das Erstgericht habe aus dem Nachlassinventar ersichtliche Positionen bei der Berechnung der Höhe des reinen Nachlasses nicht berücksichtigt, nicht nachvollziehbar eingegangen ist. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts finden sich sämtliche Positionen, wenngleich hinsichtlich des Ansatzes Bargeld mit einem geringeren Betrag, im Inventar, sodass die Begründung, der nur in der Todfallsaufnahme enthaltene Teil der Aktiva sei unbeachtlich, schon deshalb unrichtig ist. Inwieweit die sonstigen Positionen vom Erstgericht „ohnedies berücksichtigt worden" seien, lässt sich nicht erkennen. Das Berufungsgericht wird daher dieses Berufungsvorbringen im Einklang mit der Aktenlage zu behandeln haben.
Der Revision ist Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 393 Abs 4, 52 Abs 2 ZPO.
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