Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Erblasserin war die Tante der Antragsteller und besaß bei ihrem Tod sowohl die österreichische als auch die US‑amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie hatte in ihrem (nach österreichischem Recht offenbar gültigen) eigenhändigen Testament die beiden Antragsteller zu Nach‑ bzw Ersatzerben ihres gesamten Vermögens eingesetzt. Dieses soll nach den Angaben der Revisionsrekurswerber in Fahrnissen von verhältnismäßig geringem Wert, die sich in Österreich befinden, und einem Bankguthaben von (umgerechnet) rund 710.000 EUR bei einer US‑amerikanischen Bank bestehen. Die beiden Antragsteller beantragten die gleichteilige Einantwortung des Vermögens der Erblasserin einschließlich ihres beweglichen Vermögens in den USA.
Das Erstgericht wies den Antrag im Hinblick auf das ausländische Vermögen zurück. Die inländische Gerichtsbarkeit für die Abhandlung einer Verlassenschaft über Auslandsvermögen sei nur in den in § 106 Abs 1 Z 3 JN erwähnten Fällen gegeben. Ein letzter gewöhnlicher Aufenthalt der Erblasserin im Inland sei nicht behauptet worden. Es bestehe auch keine Unmöglichkeit der Rechtsdurchsetzung in den USA. Dass die letztwillige Anordnung in Florida (nach den Behauptungen der Antragsteller) nicht als rechtsgültig anerkannt werde, begründe keine Unmöglichkeit der Rechtsdurchsetzung iSd § 106 Abs 1 Z 3 lit b JN.
In ihrem Rekurs brachten die Antragsteller als ihrer Ansicht nach zulässige Neuerungen unter anderem vor, die Erblasserin habe in den USA keinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Sie habe sich zwar häufig in den USA und in Österreich aufgehalten, zeit ihres Lebens ihren Aufenthaltsort aber immer wieder gewechselt, für längere Zeiträume bei Freunden oder Angehörigen gewohnt und sich gerne in Einrichtungen der katholischen Kirche aufgehalten. Die in der Sterbeurkunde angegebene Adresse sei die einer Einrichtung der katholischen Kirche. Gestorben sei sie schließlich in einer Einrichtung für betreutes Wohnen. In früheren Zeiten sei sie in den USA als Sekretärin einer Universität und Mitarbeiterin der Deutschen Bank beschäftigt gewesen, habe aber nie einen festen Wohnsitz gehabt. Vielmehr habe sie die Absicht gehabt, in W***** sesshaft zu werden, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollte, zu reisen. Sie habe in regelmäßigen Abständen längere Zeit im Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers in W***** verbracht und sei bevorzugt zur Zeit der Salzburger Festspiele dort hingekommen. Sie habe auch einen Schlüssel für das Haus besessen und sei dort nach Belieben ein‑ und ausgegangen. Dieses Haus sei ihr gewöhnlicher Aufenthalt gewesen, habe sie sich dort doch im Gegensatz zu ständig wechselnden Aufenthaltsorten in den USA immer wieder und stets für längere Zeit aufgehalten und nur dort ein eigenes Zimmer gehabt. Es sei der einzige Ort gewesen, zu dem sie eine persönliche und dauerhafte Beziehung gehabt habe, zumal sie auch dort ihre nächsten Familienangehörigen und Bezugspersonen getroffen habe. Die während ihrer verschiedenen Aufenthalte erworbenen Sachen habe sie stets in Kisten und Koffer gepackt und in das Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers nach W***** geschickt. Über die Jahre hätten sich dort Kisten mit den Besitztümern der Verstorbenen angesammelt, die im Keller und am Dachboden verwahrt worden seien.
Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschluss, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit sei gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Eine Unmöglichkeit der Durchsetzung von den Antragstellern aus dem Erbrecht bzw der letztwilligen Erklärung abgeleiteten Rechte in den USA iSd § 106 Abs 1 Z 3 lit b JN liege nicht vor. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers solle es durch diese Bestimmung nur ausnahmsweise zu einer Abhandlung über ausländisches Vermögen in Österreich kommen, was dafür spreche, einen strengen Maßstab anzulegen. Insbesondere solle die inländische Gerichtsbarkeit nicht bejaht werden, um die Anwendung einer bestimmten materiellen Rechtslage zu verhindern, die ein Erbansprecher subjektiv als Härte oder als ungerecht empfindet. Voraussetzung sei vielmehr ein unabweisbares Bedürfnis für die Gewährung inländischen Rechtsschutzes, das dann zu bejahen sei, wenn das zuständige Gericht im Ausland aller Voraussicht nach das Begehren aus Gründen zurück‑ oder abweisen werde, die gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts, also den österreichischen ordre public, verstoßen, weshalb eine ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkennungsfähig wäre. Unerheblich ist es dagegen, dass der Antragsteller vor dem ausländischen Gericht eine ungünstigere materielle Rechtslage vorfindet als im Inland. Davon, dass es die amerikanischen Gerichte ablehnen würden, den in den USA gelegenen beweglichen Nachlass einer (auch) amerikanischen Staatsangehörigen abzuhandeln, könne nicht ausgegangen werden. Dass allenfalls das Testament dort der Abhandlung nicht zugrundegelegt werden könne, begründe keine Unmöglichkeit der Rechtsdurchsetzung. Auch unter Zugrundelegung des Rekursvorbringens und des Inhalts der mit ihm vorgelegten eidesstättigen Erklärungen müsse aber auch das Bestehen eines letzten gewöhnlichen Aufenthalts der Erblasserin im Inland verneint werden. Bei Prüfung des Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit gemäß § 106 Abs 1 Z 3 lit a JN komme es nicht darauf an, ob der Verstorbene einen von mehreren gewöhnlichen Aufenthalten im Inland gehabt habe, sondern ob er dort seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hatte. Die Erblasserin sei in Florida gestorben, nach den Angaben im Rekurs in einer Einrichtung für betreutes Wohnen, und nach den Angaben in der Sterbeurkunde habe sich auch ihr Wohnsitz in Florida befunden. Dass die Verstorbene dort zumindest auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hatte, ergebe sich auch daraus, dass sich der wesentliche Teil ihres Vermögens in den USA befindet, während sie in W***** bloß einige Sachen geringen Werts aufbewahrt hatte. Außerdem habe sie sich nach den dem Rekurs angeschlossenen Erklärungen in den Wintermonaten gerne in wärmeren Gegenden aufgehalten, etwa auch in Florida. Unter Berücksichtigung ihres von den Rekurswerbern geschilderten Lebensstils habe die Betroffene daher auch zur Zeit ihres Todes einen gewöhnlichen Aufenthalt in Florida gehabt, zumal Einrichtungen für betreutes Wohnen gewöhnlich in der Absicht bezogen werden, dort länger zu bleiben. Da somit der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Erblasserin, an dem sie auch gestorben ist, jedenfalls in den USA und nicht in Österreich gelegen sei, seien auch Erhebungen darüber entbehrlich, ob zusätzlich ein gewöhnlicher Aufenthalt in W***** gegeben gewesen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage, ob es für die Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit für die Abhandlung über das im Ausland gelegene bewegliche Vermögen eines Verstorbenen darauf ankomme, an welchem von mehreren gewöhnlichen Aufenthalten sein Tod eingetreten ist, oder ob es genügt, dass einer von mehreren gewöhnlichen Aufenthalten im Inland gelegen ist, obwohl der Erblasser an einem anderen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland gestorben ist, nicht existiere.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist nicht berechtigt.
Soweit das Rekursgericht das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 106 Abs 1 Z 3 lit b JN verneint hat, kann auf dessen zutreffende Ausführungen verwiesen werden. Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber hat diese Bestimmung keinesfalls den Zweck, in die Jurisdiktion eines anderen Staats im Hinblick auf die Abhandlung von in diesem Staat gelegenen Vermögens eines verstorbenen Angehörigen dieses Staats einzugreifen. Dass in den USA eine Verlassenschaftsabhandlung nach dortigem materiellen und formellen Recht nicht stattfinden würde, haben die Revisionsrekurswerber nie behauptet. Sollte dieser ‑ aus Gründen des nationalen materiellen Rechts ‑ das nach österreichischen Normen gültige Testament nicht zugrundegelegt werden, werden die zuständigen US‑amerikanischen Behörden von der gesetzlichen Erbfolge nach den einschlägigen nationalen Vorschriften auszugehen haben. Dies begründet aber ‑ worauf schon das Erstgericht hingewiesen hat ‑ keine Unmöglichkeit der Rechtsdurchsetzung im Ausland (vgl auch RIS‑Justiz RS0117751), bestehen doch auch aus österreichischer innerstaatlicher Sicht keine Bedenken dagegen, dass in den USA vorhandenes bewegliches Vermögen einer verstorbenen Person, die (auch) die US‑amerikanische Staatsangehörigkeit besessen hat, von Todes wegen nach den dort geltenden Rechtsvorschriften weitergegeben wird. Ob die Rechtslage anders wäre, wenn die Erblasserin ausschließlich österreichische Staatsbürgerin gewesen wäre, ist hier nicht zu prüfen. Einen Eingriff in die Jurisdiktion eines anderen Staats über das im Staatsgebiet befindliche Vermögen eines verstorbenen eigenen Staatsangehörigen hat der österreichische Gesetzgeber zweifellos nicht bezweckt, zumal er die internationale Zuständigkeit Österreichs über im Ausland befindliches bewegliches Vermögen mit der Novellierung des § 106 JN gerade möglichst einschränken wollte (s dazu nur Mayr in Rechberger³ §§ 106 ‑ 107 JN Rz 3 mit Hinweis auf ErlRV 225 BlgNR 22. GP 1; RIS‑Justiz RS0120641).
Von einem Verstoß gegen den österreichischen ordre public durch die von den Revisionsrekurswerbern befürchtete (teilweise?) Abweisung ihrer Erbansprüche in den USA kann schon deshalb keine Rede sein, weil bei der Festlegung, welche Testamentsformen im innerstaatlichen Bereich als gültig angesehen werden, Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht berührt werden. Verfügt ein Erblasser über bewegliches Vermögen in verschiedenen Staaten, obliegt es ihm, sich darüber Gedanken zu machen, welche Testamentsform im betreffenden Staat jeweils anerkannt wird. Hätte die Erblasserin etwa eine zwar für die USA, nicht aber in Österreich anerkannte Testamentsform gewählt, müssten die in der letztwilligen Verfügung Bedachten ebenfalls hinnehmen, dass sie für eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich über keinen gültigen (letztwilligen) Erbrechtstitel verfügen. Nichts anderes gilt im umgekehrten Fall, ohne dass sich die Frage eines Verstoßes gegen den österreichischen ordre public stellt. Zudem verweisen die Revisionsrekurswerber selbst darauf, dass die Ungültigkeit eines Testaments regelmäßig zur Berufung der gesetzlichen Erben führt, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragsteller nach den maßgeblichen US‑amerikanischen Vorschriften dem Kreis der gesetzlichen Erben nicht angehören würden.
Auch die Auffassung des Rekursgerichts, die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 Z 3 lit a JN seien nicht erfüllt, weil die Erblasserin zuletzt keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich mehr gehabt habe, ist selbst unter Zugrundelegung der im Rekurs vorgebrachten Umstände unbedenklich. Abgesehen davon, dass die Antragsteller in ihren Eingaben wiederholt selbst vorgebracht haben, die Erblasserin habe ihren letzten „Wohnsitz“ in Florida gehabt und davor einen „Wohnsitz“ in W***** (ON 2 und 5), hat schon das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erblasserin zuletzt in einer Einrichtung für betreutes Wohnen lebte, und eine solche Einrichtung gewöhnlich in der Absicht bezogen wird, dort „länger zu bleiben“. Selbst wenn sie ursprünglich die Absicht gehabt haben sollte, ihren Lebensabend in Österreich zu verbringen, spricht einiges dafür, dass sie von dieser Absicht letztlich Abstand genommen hat, worauf nicht zuletzt der Umstand hindeutet, dass sie bereits im Jahr 2008 ihr bis dahin bestehendes österreichisches Bankkonto aufgegeben und schließlich bei ihrem Tod nur noch ‑ allerdings erhebliche ‑ Bankguthaben bei einer US‑amerikanischen Bank gehabt hat. Weiters wurde zwar im Rekurs bzw den angeschlossenen eidesstättigen Erklärungen insbesondere der Antragsteller behauptet, die Erblasserin sei „regelmäßig“ in das für sie bereit gehaltene Zimmer im Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers zurückgekehrt, jedoch offengelassen, wann sie sich zuletzt dort aufhielt. Damit gibt es aber keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Erblasserin habe sich auch noch in der letzten Zeit vor ihrem Tod (immer wieder) in W***** aufgehalten. Gegen einen (bis zuletzt aufrecht erhaltenen) gewöhnlichen Aufenthalt in W***** spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass die Erblasserin in ihrem Testament eine Wohnadresse in den USA angegeben hat, obwohl sie ihre letztwillige Verfügung nach den Behauptungen der Antragsteller in W***** verfasst habe. Warum sie dies getan haben sollte, wenn sie tatsächlich das Haus in W***** als ihren einzigen regelmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt angesehen hat, wäre nicht erklärlich. Ob die Erblasserin früher einmal einen gewöhnlichen Aufenthalt (auch) in W***** hatte, ist für den Anwendungsbereich des § 106 Abs 1 Z 3 lit a JN nicht von Bedeutung, weshalb der Revisionsrekurs insgesamt erfolglos bleiben muss.
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