OGH 1Ob1505/86

OGH1Ob1505/8628.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef SPINDLER, Maschinist, und 2. Iremine SPINDLER, Hilfsarbeiterin, beide Frankenmarkt, Hauptstraße 32, vertreten durch Dr. Erich Gugenberger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wider die beklagte Partei Anna SPINDLER, Hausfrau, Frankenmarkt, Hauptstraße 22, vertreten durch Dr. Alois Nußbaumer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Beseitigung und Wiederherstellung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 16. September 1985, GZ. R 542/85-17, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger begehrten die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung 1. eines Garagentores und einer Massivdecke eines zu ebener Erde betretbaren Raumes im Haus Frankenmarkt, Hauptstraße 22,

2. von Mauerwerk, mit welchem eine Tür zu einem Kellerraum in diesem Haus zugemauert worden sei, und 3. des Farbanstrichs an zwei Seiten dieses Hauses und jeweils die Wiederherstellung des früheren Zustandes. Die beiden ersten Begehren bewerteten sie jeweils mit

S 12.000,--, das letzte mit S 6.000,--. Sie seien je zu einem Viertel, die Beklagte sei zur Hälfte Miteigentümer des Hauses Frankenmarkt, Hauptstraße 22 (EZ 87 KG Frankenmarkt). Die Beklagte habe die genannten Arbeiten an dem Haus verrichten lassen, ohne die Zustimmung der Kläger, die diese Eingriffe in ihr Eigentumsrecht nicht duldeten, einzuholen.

Das Erstgericht gab dem ersten Begehren statt und wies die beiden übrigen Begehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, (für den dem Klagebegehren stattgebenden und es abweisenden Teil) jeweils S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige, und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes im klagsstattgebenden Teil ist nicht zulässig.

Der erkennende Senat hat bereits mehrfach (RZ 1984/69; 1 Ob 639/85; 1 Ob 668/84) ausgesprochen, daß das durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 eingeführte Bagatellverfahren neuer Prägung bei Streitwerten bis S 15.000,-- die Überprüfbarkeit der erstinstanzlichen Entscheidung erweitern sollte. Ein solches Urteil kann nun nicht bloß wegen aller Nichtigkeitsgründe, sondern auch wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft werden. Hingegen sollte am Grundsatz, daß der Oberste Gerichtshof in Bagatellsachen nicht angerufen werden kann, nichts geändert werden. Allerdings hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob der Streitgegenstand unterbewertet war und dabei nicht nur auf die Angaben in der Klage, sondern auf den gesamten Verfahrensinhalt Bedacht zu nehmen. Die Bewertung des Streitgegenstandes in der Klage ist für das Gericht nicht bindend und gegebenenfalls von Amts wegen richtigzustellen (RZ 1998/69).

Im vorliegenden Fall kann der Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht entnommen werden, daß es bei seiner Entscheidung den Wert des Streitgegenstandes jedes einzelnen der drei Begehren über S 15.000,-- bewertete, weil es der Ansicht war, es läge eine Unterbewertung vor, wendete es doch auf sein Verfahren die Bestimmung des § 501 ZPO nur deshalb nicht an, weil es die Auffassung vertrat, die Ansprüche seien zusammenzurechnen, weil sie wegen des gemeinsamen Rechtsgrundes des Miteigentums in einem rechtlichen Zusammenhang stünden (AS 112); nur aus diesem Grunde erledigte es auch die Beweisrügen beider Parteien. Auch die amtswegige Überprüfung des Streitwerts läßt keinen Schluß auf eine offensichtliche Unterbewertung zu, weil es nicht von vornherein feststeht, daß die begehrten Arbeiten einen Aufwand von jeweils mehr als S 12.000,-- (bzw. S 6.000,--) erfordern werden. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht die drei auf voneinander unabhängige Eingriffe der Beklagten beruhenden Ansprüche zusammengerechnet, weil sie miteinander weder in einem tatsächlichen noch einem rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs. 1 Z 1 JN). Ein solcher Zusammenhang ist zu verneinen, wenn jeder dieser Ansprüche ein gesondertes rechtliches Schicksal haben kann bzw. kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen diesen Ansprüchen besteht (SZ 56/186 ua.). Die behaupteten Eingriffe betreffen verschiedene Teile des gemeinsamen Hauses, sind voneinander gesondert vorgenommen worden und sind auch getrennt zu beurteilen, weil die Voraussetzungen und Folgen der von den Klägern darauf gestützten Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren jeweils für sich allein zu prüfen sind und diese Ansprüche auch ein Sonderschicksal haben können. So wäre auch die Schikaneeinwendung bei allen drei Begehren gesondert zu beurteilen.

Übersteigt der Streitwert jedes einzelnen der in der Klage gemeinsam geltend gemachten, weder in tatsächlichem noch in rechtlichem Zusammenhang stehenden Begehren die Bagatellgrenze von S 15.000,--, so ist das Rechtsmittelverfahren für jedes dieser Begehren - und damit auch für das (erste) Begehren, das allein Gegenstand der außerordentlichen Revision der Beklagten ist - durch § 501 ZPO abschließend geregelt (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1836, 1869). Das Berufungsgericht war nicht berechtigt, für die Zulässigkeit der Revision diese Regelung unbeachtet zu lassen. An den dennoch unzulässigerweise verfügten Ausspruch des Berufungsgerichtes, der Wert des Streitgegenstandes übersteige jeweils S 60.000,--, ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (RZ 1984/69).

Die unzulässige Revision ist zurückzuweisen.

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