European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00148.75.0827.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurse, dessen Kosten der Rechtsmittelwerber selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der Gekündigte hatte von der kündigenden Partei das Bauernhaus *, gemietet. Mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 29. Jänner 1974 wurde über das Vermögen des Gekündigten das Konkursverfahren eröffnet; Dr. G* wurde zum Masseverwalter bestellt. Mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 15. November 1974 wurde der Konkurs gemäß § 139 KO rechtskräftig aufgehoben.
Am 30. Juli 1974 brachte die kündigende Partei zum 30. September 1974 die Aufkündigung des Bestandverhältnisses unter Geltendmachung der Kündigungsgründe des unleidlichen Verhaltens und des nachteiligen Gebrauches des Bestandgegenstandes ein. Daß über das Vermögen des Gekündigten das Konkursverfahren eröffnet worden war, war aus der Aufkündigung nicht zu ersehen. Das Erstgericht bewilligte die Aufkündigung mit seinem Beschluß vom 1. August 1974 und ordnete dessen Zustellung an den Gekündigten an; offenbar durch die Post wurde jedoch an die Stelle des Namens des Gekündigten der des Masseverwalters Dr. G* gesetzt, dem die Aufkündigung auch am 20. August 1974 zugestellt wurde. Am 21. August 1974 überreichte der Masseverwalter beim Erstgericht einen mit 20. August 1974 datierten Schriftsatz, der als „Antrag auf Aufhebung des Beschlusses und Nichtigerklärung des Verfahrens“ bezeichnet wurde. Unter Hinweis auf die Konkurseröffnung und seine Bestellung zum Masseverwalter brachte Dr. G* vor, daß gemäß § 6 KO der Rechtsstreit nach Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner nicht eingeleitet werden könne; das Verfahren sei daher seit 30. Juli 1974 nichtig. Er beantragte, „das Verfahren am 30. 7. 1974 demgemäß für nichtig zu erklären und den am 1. 8. 1974 ergangenen Beschluß aufzuheben“.
Das Erstgericht hob das gesamte Verfahren samt dem Beschluß vom 1. August 1974 als nichtig auf. Bestandrechte fielen grundsätzlich in die Konkursmasse; damit fehle dem Mieter hinsichtlich der aufgekündigten Mietrechte die Prozeßfähigkeit. Wenn ihm trotzdem die Aufkündigung zugestellt und das Verfahren durchgeführt werde, liege Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs. 1 Z. 5 ZPO vor.
Gegen den Beschluß des Erstgerichtes erhob die kündigende Partei Rekurs mit dem Antrag, den Beschluß unter Zurück- bzw. Abweisung des Antrages des Masseverwalters auf Nichtigerklärung aufzuheben. Das Rekursgericht behob den angefochtenen Beschluß und trug dem Erstgericht auf, über die als Antrag auf Aufhebung des Beschlusses und Nichtigerklärung des Verfahrens bezeichneten Einwendungen des seinerzeitigen Masseverwalters Dr. A* das gesetzmäßige Verfahren einzuleiten. Eine Beteiligung des Gegners bei Erlassung einer Aufkündigung sei im Bestandverfahren nicht vorgesehen, so daß davon, daß der Gegner nicht vertreten gewesen sei, überhaupt nicht gesprochen werden könne. Die Erlassung einer Aufkündigung könne somit nie als nichtig bezeichnet werden, selbst wenn die Zustellung dieser Entscheidung an den Gegner nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde; eine mangelhafte Zustellung sei vielmehr vom Gericht einfach zu wiederholen. Im konkreten Fall sei ohnehin die Zustellung an den Masseverwalter als den gesetzlichen Vertreter der Konkursmasse unter Einhaltung der einmonatigen Aufkündigungsfrist erfolgt; dem Umstand, daß über das Vermögen des Gekündigten der Konkurs eröffnet worden und jener somit auch hinsichtlich der Bestandrechte am aufgekündigten Objekt dispositionsunfähig gewesen sei, sei somit Rechnung getragen worden. Darin, daß nicht die Konkursmasse, sondern der Gemeinschuldner selbst in der Aufkündigung als gekündigte Partei angeführt worden sei, sei lediglich eine unrichtige Parteibezeichnung zu erblicken, die jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen berichtigt werden könne. Sie sei nun gegenstandslos, da inzwischen der Konkurs rechtskräftig aufgehoben worden sei. Der Schriftsatz des damals dispositionsberechtigten Masseverwalters lasse unmißverständlich den Willen, Einwendungen gegen die Aufkündigung zu erheben, erkennen, weshalb er ungeachtet seiner unrichtigen Bezeichnung wie Einwendungen zu behandeln sei.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der kündigenden Partei insoweit, als die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Einwendungen des Gekündigten und nicht die Zurück- bzw. Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Beschlusses und Nichtigerklärung des Verfahrens verfügt wurde. Es wird beantragt, den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß der des Erstgerichtes vom 16. Oktober 1974 aufgehoben und der Antrag des Masseverwalters vom 20. August 1974 zurück- bzw. abgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß § 1 KO wird durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Das gilt auch für Bestandrechte, die dem Gemeinschuldner zustehen; sie fallen, auch wenn sie dem Mietengesetz unterliegen, in die Konkursmasse (EvBl 1966/246; JBl 1965, 590; EvBl 1961/343 ua). Bestandverträge werden durch die Konkurseröffnung grundsätzlich nicht berührt (Bartsch-Pollak, Konkursordnung3 I 134); das Bestandverhältnis setzt sich unverändert mit der Konkursmasse fort (Petschek-Reimer-Schiemer, Das österr Insolvenzrecht 275; Wegan, Österr Insolvenzrecht 33); der Masseverwalter tritt mit der Konkurseröffnung ipso iure in den Bestandvertrag ein (Lehmann, Komm zur österr Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung 163). Hat der Gemeinschuldner eine Sache in Bestand genommen, kann allerdings sowohl der Masseverwalter als auch der Bestandgeber den Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen oder der vereinbarten kürzeren Frist kündigen (§ 23 Abs. 1 KO; vgl Ruttar in ImmZ 1962, 99). Auch wenn das Bestandverhältnis vom Bestandgeber gekündigt wird, ist dabei der Masseverwalter Vertreter des Gemeinschuldners in bezug auf die Konkursmasse (vgl. insbes Wegan aaO 14), so daß die Zustellung einer Aufkündigung an ihn und nicht an den Gemeinschuldner zu erfolgen hat (vgl. Bartsch-Pollak, aaO 135); der mit der Konkurseröffnung eingetretene Verlust der Verfügungsfähigkeit des Gemeinschuldners über die zur Konkursmasse gehörigen Gegenstände hat nämlich zur Folge, daß er für Ansprüche, die die Masse betreffen, prozeßunfähig ist (EvBl 1961/343; vgl. Wegan aaO 24; Petschek‑Reimer‑Schiemer, aaO 71). Es war daher verfehlt, wenn die kündigende Partei auf das anhängige Konkursverfahren nicht Bezug nahm und den Gemeinschuldner allein als Kündigungsgegner bezeichnete. Das konnte jedoch keine Folgen haben, da das Konkursgericht mit der Konkurseröffnung das zuständige Postamt verständigt hatte und dieses seiner gesetzlichen (§ 77 Abs. 2 KO) Verpflichtung, die sonst dem Gemeinschuldner auszufolgenden Sendungen dem Masseverwalter auszufolgen, nachgekommen war. Sache des Masseverwalters war es nun, die erforderlichen Entscheidungen über das Weiterbestehen des Bestandverhältnisses zu treffen und die eventuell erforderlichen gerichtlichen Schritte zu unternehmen. Der Masseverwalter war offensichtlich nicht gewillt, das Bestandverhältnis enden zu lassen, weshalb er bei Gericht seinen Schriftsatz vom 20. August 1974 überreichte, in dem er die Auffassung vertrat, die Aufkündigung wäre sogar nichtig. Letztere Auffassung wurde allerdings vom Rekursgericht unbekämpft und damit rechtskräftig abgelehnt und unterliegt nicht mehr der weiteren Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof.
Der Revisionsrekurs der kündigenden Partei wendet sich gegen die weitere Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, der Schriftsatz des Masseverwalters vom 20. August 1974 habe unmißverständlich auch den Willen, Einwendungen gegen die Aufkündigung zu erheben, erkennen lassen. Dem Revisionsrekurs ist beizupflichten, daß der Schriftsatz vom 20. August 1974 ausdrücklich nur den Standpunkt vertrat, daß während des Konkursverfahrens die Aufkündigung eines Bestandverhältnisses gegen den Gemeinschuldner nicht eingebracht werden könne und daher das Verfahren nichtig sei, wogegen inhaltlich auf die Kündigung („den Rechtsstreit“) nicht Bezug genommen wurde. Dem Rekursgericht ist aber doch darin zu folgen, daß der Masseverwalter erkennbar erreichen wollte, daß die Kündigung nicht rechtskräftig und vollstreckbar werde, beantragte er doch ausdrücklich, den am 1. August 1974 über die Aufkündigung ergangenen Beschluß des Erstgerichtes und damit den von der kündigenden Partei angestrebten Exekutionstitel aufzuheben. Das ist genau das Ziel, das auch mit Einwendungen gegen eine Aufkündigung erreicht werden soll. Nach ständiger Rechtsprechung genügt nun für Einwendungen, soweit es sich um Stellungnahmen zu nach dem Mietengesetz geltend gemachten Kündigungsgründen handelt, jede Erklärung, aus welcher sich mit genügender Deutlichkeit ergibt, daß sich der Gekündigte mit der Aufkündigung nicht abfinden, diese sohin nicht als gesetzmäßig anerkennen will; hiebei kommt es nicht darauf an, ob gerade das Wort „Einwendungen“ gebraucht wird (MietSlg 17.578, 8279/3, 5295; EvBl 1962/377 ua). Gewiß stellt der Schriftsatz des Masseverwalters vom 20. August 1974 auf einen ganz bestimmten, vom Rekursgericht rechtskräftig verneinten, Aufhebungsgrund ab. Sachliche Einwendungen gegen die Aufkündigung können aber doch gegenüber dem Antrag, den Beschluß über die Aufkündigung für nichtig zu erklären, als minus und damit im Antrag mit enthalten angesehen werden. Die Auffassung des Rekursgerichtes, der Schriftsatz des Masseverwalters enthalte auch – nicht ausgeführte – Einwendungen gegen die Aufkündigung, ist damit zu billigen. Die kündigende Partei wird daher in einem Rechtsstreit, dessen Durchführung das Rekursgericht anordnete, das Vorliegen der von ihr behaupteten Kündigungsgründe zu beweisen haben.
Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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