Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 20. 1. 2002 nahmen die Prozessparteien sowie drei weitere Personen an einer nächtlichen Rodelpartie auf einer ca 3 m breiten, gut präparierten Rodelbahn teil. Bei der letzten von mehreren Abfahrten mit gemieteten Rodeln, bei der alle Beteiligten schnell unterwegs waren und kurz nacheinander starteten, kam es zu einem Unfall, bei dem der Kläger schwer verletzt wurde. Nachdem der Rodler vor ihm seine Rodel auf der Rodelbahn quergestellt hatte, konnte der knapp hinter ihm nachfahrende Kläger weder ausweichen noch zum Stillstand kommen, stellte seine Rodel ebenfalls quer und prallte gegen den Vordermann, wobei beide parallel zueinander einige Meter nach unten rutschten. Der nachkommende Erstbeklagte versuchte vergeblich, auszuweichen, kam zu Sturz und kollidierte mit den Vorangefahrenen. Ebenso prallte der Zweitbeklagte in einer nicht im Detail feststellbaren Art und Weise gegen den Kläger. Als Folge der Kollision mit den beiden Nachkommenden erlitt der Kläger eine schwere Augenverletzung, wobei weder der exakte Ablauf noch die unmittelbare Verursachung durch eine bestimmte Person oder eine bestimmte Rodel festgestellt werden konnten.
Das Erstgericht sprach - ausgehend von einem 50 %-igen Mitverschulden des Klägers - aus, dass das Zahlungsbegehren im Sinne einer Solidarhaftung von Erst- und Zweitbeklagtem dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe. Diese beiden Beklagten hätten dem Grundsatz des Fahrens auf Sicht nicht Rechnung getragen. Wegen der Unaufklärbarkeit des konkreten Kausalverlaufs hätten sie gemäß § 1302 ABGB solidarisch zu haften.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe auch beim Rodeln die Verpflichtung zum Fahren auf Sicht. Eine nach anderen Kriterien zu beurteilende wettkampfmäßige sportliche Betätigung, die nach sportlichen Regeln ausgeübt werde und bei der sämtlichen Teilnehmern die Absicht der Abführung eines sportlichen Wettkampfs klar erkennbar sei, liege nicht vor. Bei gemeinsamer („paralleler") Sportausübung seien die Teilnehmer zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet; sie hätten die gebotene Sorgfalt anzuwenden und müssten insbesondere die spezifische Sportgefahr unter Kontrolle halten, sodass kein Teilnehmer gefährdet oder geschädigt oder mehr als vermeidbar behindert werden dürfe. Die Behauptung des Zweitbeklagten, der Kläger habe durch die Teilnahme an einem Wettrodeln konkludent in das damit verbundene Risiko eingewilligt, habe das Erstgericht nicht als erwiesen angenommen. Vielmehr habe es in Übereinstimmung mit den Beweisergebnissen das Bild einer geselligen Rodelpartie mit damit einhergehender Sorglosigkeit gezeichnet, keinesfalls aber das eines Wettrodeln oder eines Wettkampfs, bei dem es allen Teilnehmern darum gegangen wäre, einander an Geschicklichkeit, Geschwindigkeit oder Gewitztheit zu übertreffen, um als Erster ins Ziel zu kommen; ebensowenig bestünden Anhaltspunkte dafür, dass sich sämtliche Teilnehmer über die Abhaltung eines Wettkampfs einig und bewusst gewesen wären. Aus den Feststellungen, wonach alle Beteiligten schnell unterwegs waren und kurz nacheinander starteten, und wonach einzelne Teilnehmer versuchten, einander zu überholen, sei weder ein wettkampfähnliches Kräftemessen noch eine parallele Sportausübung mit einvernehmlicher Aufhebung bestimmter allgemeiner Verhaltensregeln abzuleiten. Das Erstgericht sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Teilnehmer der Rodelpartie den Grundsätzen des Fahrens auf Sicht zu entsprechen gehabt hätten. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Auffassung des Revisionswerbers, auch bei einer bloßen Vergnügungsfahrt könne ein stillschweigender Grundkonsens über die Aufhebung des erforderlichen Sicherheitsabstands gegeben sein, nicht von der Hand zu weisen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Zweitbeklagten erweist sich als unzulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen ist.
Zutreffend tritt der Revisionswerber der Auffassung des Berufungsgerichts, dass grundsätzlich auch beim Rodeln das Gebot des Fahrens auf Sicht gilt (vgl nur RIS-Justiz RS0023686), nicht entgegen. Die Frage, unter welchen Umständen und in welchem Umfang bei gemeinsamer Sportausübung sonst bestehende Gebote bzw Verbote stillschweigend einvernehmlich außer Kraft gesetzt werden und damit von den Beteiligten eine das übliche Ausmaß übersteigende Gefährdung in Kauf genommen wird, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich insoweit eine erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nicht stellt. Dem Berufungsgericht ist auch keine erhebliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen, wenn es die Auffassung vertreten hat, nach den festgestellten Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Teilnehmer der Rodelpartie die Verpflichtung zum Fahren auf Sicht im Verhältnis zueinander abbedungen hätten.
Soweit der Revisionswerber darauf hinweist, das Erstgericht habe festgestellt, dass der Kläger bei den vorangegangenen Abfahrten strikt danach getrachtet hatte, der Erste zu sein, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, er habe sich dadurch von den seiner Meinung nach unerfahrenen anderen Teilnehmern in Sicherheit bringen wollen. Daraus kann daher gerade nicht abgeleitet werden, der Kläger habe zu erkennen gegeben, mit einer Gefährdung durch andere beim gemeinsamen Rodeln einverstanden zu sein. Auch die Feststellung, dass bei der Rodelpartie schnell gefahren wurde und dass einzelne Teilnehmer versucht haben, einander zu überholen, bildet keine ausreichende Grundlage für einen allgemeinen Konsens der Teilnehmer über ein einverständliches Abgehen von der generellen Verpflichtung des Fahrens auf Sicht. Im Übrigen steht auch das Bestreben, andere Teilnehmer zu überholen, mit diesem Grundsatz nicht im Widerspruch, weil sich Überholmanöver durchaus auch auf gut einsehbare Streckenteile beschränken können.
Soweit der Revisionswerber schließlich weiterhin die zusätzliche Feststellung begehrt, es habe zwischen den Rodlern dahin Konsens geherrscht, dass ein Überholen und knappes Hintereinanderfahren erlaubt sein sollte, ist er auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, das in diesem Zusammenhang ausgesprochen hat, das im Prozessvorbringen des (Erst- und des) Zweitbeklagten enthaltene Tatsachensubstrat sei vom Erstgericht gerade nicht als erwiesen angenommen worden. Es bestätigte ausdrücklich die Feststellungen des Erstgerichts und hielt fest, dass es sich um eine gesellige Rodelpartie mit damit einhergehender Sorglosigkeit handelte, keinesfalls aber um ein Wettrodeln oder einen Wettkampf, bei dem es allen Teilnehmern darum gegangen wäre, einander an Geschicklichkeit, Geschwindigkeit oder Gewitztheit zu übertreffen, um als Erster ins Ziel zu kommen. Da dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen verwehrt ist, kann in der Revision nicht (neuerlich) eine „ergänzende" Tatsachenfeststellung begehrt werden, die vom Berufungsgericht unter Hinweis auf seines Erachtens zutreffende gegenteilige Feststellungen des Erstgerichts abgelehnt wurde.
Insgesamt erweist sich somit die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger hätte die Beklagten im Rahmen der gemeinsamen Rodelpartie nicht von ihrer Verpflichtung zum Fahren auf Sicht „entbunden" und eine Verletzung durch unvorsichtige Fahrweise nicht in Kauf genommen, als unbedenklich. Die Revision ist somit wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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