European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00138.19D.1023.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger, der wusste, dass der Zeitraum der Gewährung von Wohnbeihilfe befristet und etwa ein Mal pro Jahr eine neue Antragstellung notwendig ist, unterließ es aufgrund eines Rechtsirrtums, für die Zeit nach 1. 12. 2012 bis 30. 6. 2015 einen Antrag auf Gewährung von Wohnbeihilfe zu stellen. Diese kann nach dem Wiener Wohnbauförderungs‑ und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (WWFSG 1989) nicht für einen vor Antragstellung liegenden Zeitraum und (jeweils) höchstens für die Dauer von zwei Jahren gewährt werden.
Er begehrt Schadenersatz nach dem Amtshaftungsgesetz (für die „entgangene“ Wohnbeihilfe und einen „Zinsenschaden“) mit der Begründung, dass ihm – wenn die Berufungsbehörde in der gesetzlich vorgesehenen Frist von sechs Monaten entschieden hätte – (durch den Berufungsbescheid) zur Kenntnis gelangt wäre, dass im Berufungsverfahren lediglich über die Ansprüche für den im Berufungserkenntnis schließlich genannten Zeitraum entschieden wird, und er dann fristgerecht einen neuen Antrag stellen hätte können.
Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts und verneinte einen Rechtswidrigkeitszusammenhang des durch „entgangene Wohnbehilfe“ eingetretenen Schadens mit der Bestimmung des § 73 Abs 1 AVG.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor. Dies ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Der Kläger beruft sich auf den zu RIS‑Justiz RS0023095 gebildeten Rechtssatz, wonach die Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden Parteien vor „allen denkbaren Nachteilen“ bewahren soll, „die an Verzögerungen bei der Verfahrenserledigung geknüpft sind“. Ohne jeden Zweifel ist dieser nicht im Sinne der vom Kläger unterstellten uferlosen Haftung zu verstehen, für die es genügte, dass die Verfahrensverzögerung (im Tatsächlichen) conditio sine qua non für den behaupteten Schaden ist. Ein solches Verständnis stünde im Widerspruch mit dem im Schadenersatzrecht (und damit auch im Bereich des Amtshaftungsrechts) geltenden Grundsatz, dass nur jene Schäden zu ersetzen sind, deren Eintritt die übertretene Vorschrift gerade verhindern wollte oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt (RIS‑Justiz RS0050038 [T21]). Es ist daher nach ständiger Rechtsprechung aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens nur für jene verursachten Schäden zu haften, die vom Schutzzweck der (Gebots‑ oder Verbots-)Norm erfasst werden, weil sie (auch) diese Schäden verhindern wollte (1 Ob 73/16s; vgl zum personalen, sachlichen und modalen Schutzbereich: Karner in KBB 5 § 1311 ABGB Rz 5 mwN). Ohne die eingrenzende Wirkung des Schutzzwecks drohte die Uferlosigkeit der Haftpflicht (RS0050038 [T29]), was selbstverständlich auch für Verfahrensverzögerungen gilt. Die Normen, die von Gerichtsorganen eine rasch oder innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmende Erledigung fordern, müssen also den Zweck verfolgen, gerade auch den konkret eingetretenen Schaden zu verhindern (RS0031143 [T5]; zuletzt 1 Ob 222/13y; 1 Ob 81/19x). Da der Zweck des § 73 Abs 1 AVG in der Beschleunigung eines konkreten Verfahrens liegt, muss auch der geltend gemachte Schaden an dieses Verfahren nicht bloß „faktisch“ anknüpfen, sondern auch rechtlich damit verbunden sein, dh der Schaden muss eine vom Normzweck zu vermeiden gesuchte Folge dieses konkreten Verfahrens sein.
2. Im vorliegenden Fall stand die übermäßige Verfahrensdauer mit der Entscheidung über den gestellten Antrag auf Wohnbeihilfe nicht in einem solchen rechtlichen Anküpfungsverhältnis zu dem später eingetretenen Schaden. Eine Antragstellung für die Gewährung von Wohnbeihilfe ab 1. 12. 2012 war (rechtlich) vielmehr völlig unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf Gewährung von Wohnbeihilfe ab 1. 12. 2010 und damit auch vom Zeitpunkt der Entscheidung über diesen. Wohnbeihilfe für den Zeitraum nach 30. 11. 2012 hätte (zwingend) ein anderes Verfahren betroffen, das der Kläger, der wusste, dass der Zeitraum der Gewährung von Wohnbeihilfe immer befristet war, aber durch einen Antrag (wie er ihn zuvor auch schon mehrmals gestellt hatte) in Gang setzen hätte müssen. Der (durch einen für die Behörde nicht vorhersehbaren Rechtsirrtum verursachte) Entgang an Wohnbeihilfe ist folglich kein Schaden, der an Verzögerungen bei der konkreten Verfahrenserledigung (über den zuvor gestellten Antrag) „geknüpft war“ oder bei der Erledigung dieses konkreten Verfahrens entstand und durch die Norm des § 73 AVG hintangehalten werden sollte.
3. Für die vom Kläger vermisste Unterlassung der Übersendung einer „Erinnerung“ der zuständigen Magistratsabteilung im Jahr 2012 (hätte er eine solche erhalten, hätte er behauptetermaßen rechtzeitig einen weiteren Antrag auf Gewährung der Wohnbeihilfe gestellt) kann er eine – außerhalb eines Fürsorgeverfahrens auch nicht ersichtliche – Rechtspflicht der Behörde nicht nennen (dazu, dass es die Belehrungspflicht des § 13a AVG nicht beinhaltet, eine Partei darüber zu belehren, welche Anträge sie zu stellen hat, um etwa weitere erforderliche Bewilligungen zu erreichen s RS0111135 [bes T4]). Zu den von ihm auf Grundlage des § 13a AVG eingeforderten Belehrungen bezog er sich selbst – richtigerweise – nur auf das bereits in Gang gesetzte Verfahren und darauf, dass ihm mangels Belehrung darüber, wie er sich gegen die Säumnis zur Wehr hätte setzen können, kein Verstoß gegen die Rettungspflicht vorzuwerfen sei. Da der Ersatzanspruch wegen entgangener Wohnbeihilfe schon am fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Verstoß gegen die Pflicht zur raschen Entscheidung scheitert, ist darauf nicht mehr einzugehen.
4. Die Abweisung des „Zinsenschadens“ (aus der letztlich gewährten Wohnbeihilfe) als verjährt blieb schon in der Berufung (wie nun auch in der Revision) inhaltlich unbekämpft.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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