Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.258,65 EUR (darin enthalten 543,11 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist eine 1973 gegründete GmbH. Ihre Gesellschafter sind zu je einem Drittel die Wirtschaftskammer Salzburg, das Land Salzburg und die Stadtgemeinde Salzburg. In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ließ die Klägerin in mehreren Bauabschnitten Hallen errichten, in denen sie ein Ausstellungszentrum betreibt. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war Mitglied der Ausführungsgemeinschaft/Generalunternehmerin, die von 1976 bis 1977 die Ausstellungshallen errichtete. Im Jänner 2006 stürzte eine Halle des ersten Bauabschnitts infolge Schneelast ein. Für die von August 2007 bis September 2008 durchgeführten Sanierungsarbeiten zahlte die Klägerin insgesamt 670.070,11 EUR.
Die Klägerin begehrte in ihrer am 10. 9. 2008 eingebrachten Klage zunächst die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden als Folge einer mangelhaften Bauausführung. Am 21. 4. 2009 stellte sie das Klagebegehren aufgrund der mittlerweile bereits abgeschlossenen Sanierung der Baumängel auf Zahlung um. Nach dem Einsturz der Halle hätten sich massive, bei der damaligen Errichtung unterlaufene Bauausführungsfehler herausgestellt.
Die Beklagte berief sich - soweit für das Revisionsverfahren relevant - auf den Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 erster Fall ABGB.
Die Klägerin entgegnete, sie gehöre zu den durch die §§ 1472, 1485 ABGB begünstigten Personen, weshalb die Verjährungsfrist 40 Jahre betrage. Außerdem beginne auch die lange Verjährungsfrist des § 1489 ABGB erst mit Kenntnis von Schaden oder Schädiger zu laufen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Sie setzten den Fristbeginn mit den mangelhaften Bauarbeiten in den Jahren 1976 bzw 1977 an und verneinten übereinstimmend die Zugehörigkeit der Klägerin zum begünstigten Personenkreis des § 1472 ABGB. Diese, seit der Einführung des ABGB unveränderte Bestimmung nenne zwar als Begünstigte neben öffentlichen und kirchlichen Körperschaften auch „andere erlaubte Körper“. Der damalige Beweggrund für die Begünstigung des § 1472 ABGB, wonach juristische Personen nur durch ihre Organe handeln könnten und ihre Rechte somit gefährdeter sein als jene von physischen Personen, die sich leichter gegen einen Verlust ihrer Rechte schützen könnten, sei nicht mehr zeitgemäß. Dieses Motiv möge für jene „Körper“ berechtigt gewesen sein, die bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts existiert und einen öffentlich-rechtlichen und/oder gemeinnützigen, das Allgemeinwohl bzw öffentliche Interesse fördernden Charakter gehabt hätten. Mit dieser Begründung auch moderne, rein private Erwerbszwecke verfolgende Kapitalgesellschaften zu privilegieren, führe zu Wertungswidersprüchen, zumal das geltende Recht Kapitalgesellschaften und Unternehmer kraft Rechtsform (§ 2 UGB) regelmäßig strenger behandle als physische Personen, die keine Unternehmer seien. Das Berufungsgericht verwies zusätzlich auf den Extremfall einer „Einpersonen-GmbH“. Es bestehe kein vernünftiger Grund, einer GmbH eine längere Verjährungsfrist zuzubilligen als etwa einem Einzelunternehmer oder einer (keine juristische Person darstellenden) Personengesellschaft wie insbesondere einer GmbH & Co KG. Als zusätzliches Argument führte das Berufungsgericht noch an, die zu RIS-Justiz RS0034145 dokumentierte höchstgerichtliche Judikatur, auf die sich die Gleichsetzung von juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts stütze, betreffe ausschließlich politische Gemeinden, also dem öffentlich-staatlichen Bereich zuzuordnende Gebietskörperschaften. Dass § 1472 ABGB auf eine Kapitalgesellschaft anwendbar sei, sei bisher nur einmal in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung dezidiert bejaht worden, und zwar im Jahr 1908 für eine mit staatlicher Genehmigung als Aktiengesellschaft errichtete Eisenbahnunternehmung.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu.
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die lange Frist des § 1489 Satz 2 erster Fall ABGB begann mit der Übergabe der Hallen in den Jahren 1976 bis 1977, wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben. Der Schaden, der nach dem weiten Schadensbegriff des § 1293 ABGB jede nachteilige Auswirkung auf rechtlich geschützte Güter erfasst (Reischauer in Rummel 3 § 1293 ABGB Rz 1, 1b) ist für die Bestellerin bereits mit der Erbringung einer mangelhaften und damit vertragswidrigen Leistung eingetreten (5 Ob 64/09m; Welser/Jud, Die neue Gewährleistung § 933a Rz 38). Die kontroversiell beantwortete Frage, ob der Beginn der 30-jährigen Verjährungsfrist vom Eintritt des Schadens abhängig ist (Koziol, Grundfragen des Schadenersatzrechts Rz 9/21f; M. Bydlinski in Rummel³ § 1489 ABGB Rz 6 mwN ua) oder nicht (RIS-Justiz RS0034504), stellt sich damit nicht. Die Kenntnis des Geschädigten vom Schadenseintritt ist nach der in diesem Punkt nicht umstrittenen Regelung des § 1489 Satz 2 ABGB nicht nötig, um die 30-jährige Verjährungsfrist auszulösen. Das unter Hinweis auf die Entscheidung 2 Ob 58/91 gebrachte Argument der Klägerin, eine Verjährung könne nicht beginnen, bevor der Geschädigte eine Chance zur Realisierung seiner Forderung habe, kann auch deshalb nicht überzeugen, weil es sich um einen völlig anderen Fall handelt. Der Oberste Gerichtshof schloss in der zitierten Entscheidung die 30-jährige Verjährungsfrist aus, weil ein rechtskräftiges Feststellungsurteil (Haftung für die Folgen eines Verkehrsunfalls) vorlag (RIS-Justiz RS0034215). Bei einem Beginn der Frist spätestens 1977 war zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage im Jahr 2008 die 30-jährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen. Zu prüfen bleibt, ob sich diese Frist zu Gunsten der Klägerin durch §§ 1472, 1485 Abs 1 ABGB um weitere 10 Jahre verlängert hat.
§ 1478 ABGB setzt als allgemeine Verjährungsfrist grundsätzlich einen Zeitraum von 30 Jahren fest. § 1485 Abs 1 ABGB verlängert diese Frist zu Gunsten der in § 1472 ABGB privilegierten Personen auf 40 Jahre. Nach seinem Abs 2 gilt die allgemeine Regel, dass ein Recht wegen des Nichtgebrauchs erst nach 30 oder 40 Jahren verloren geht, nicht in den Fällen, für die das Gesetz einen kürzeren Zeitraum festgelegt hat. Das 4. Hauptstück des ABGB (Verjährung und Ersitzung) enthält mehrere Sonderbestimmungen zu Verjährungsfristen und zwar - mit Ausnahme von § 1480 ABGB - unter dem Titel: „Besondere Verjährungszeit“ in den §§ 1486 ff.
Zu diesen Sonderregeln zählen somit auch die in § 1489 ABGB enthaltenen Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche. Die in Satz 2 leg cit festgesetzte 30-jährige Verjährungsfrist bezieht sich auf zwei Sondertatbestände (mangelnde Kenntnis von Schaden und/oder Schädiger oder eine qualifiziert strafbare Handlung als Schadensursache). Diese zu Gunsten des Geschädigten für bestimmte Konstellationen geschaffene Sonderregelung ist der allgemeinen, ordentlichen Verjährungsfrist des § 1478 ABGB nicht schon deshalb gleichzusetzen, weil die Frist gleich lang ist. Gegenteiliges sagt auch § 1485 Abs 2 ABGB nicht aus, der nur Selbstverständliches festhält: Verjährungsfristen werden durch das Gesetz bestimmt (§ 1465 ABGB, auf den § 1485 Abs 2 ABGB auch verweist). Normiert das Gesetz eine kürzere als die allgemeine 30-jährige Frist für die Verjährung, dann gelten weder die 30-jährige noch zu Gunsten der in § 1472 ABGB privilegierten Personen die 40-jährige Frist, wie der Oberste Gericthshof in der bei M. Bydlinski (aaO Rz 1) zitierten Entscheidung JBl 1961, 471 (5 Ob 75/61) ausdrücklich klargestellt hat, ohne dabei die Verlängerung einer besonderen Verjährungszeit von 30 Jahren im Fall des § 1472 ABGB zu bejahen. Die bei Mader/Janisch (in Schwimann ABGB3 § 1489 ABGB Rz 23) getroffene Aussage, § 1485 ABGB (Eintritt der 40-jährigen Frist bei begünstigten Personen) sei auf die lange Frist des § 1489 ABGB anzuwenden, enthält keine weitere Begründung. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, die 30-jährige Frist des § 1489 Satz 2 ABGB der allgemeinen Verjährungsfrist gleichzusetzen und sie in den Fällen des § 1472 ABGB auf 40 Jahre zu erhöhen, wäre ein entsprechender Verweis (vgl etwa § 1493 ABGB) in der Sonderbestimmung für Schadenersatzklagen zu erwarten. Die lange 30-jährige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche hat somit auch für die in § 1472 ABGB genannten Personen zu gelten. Bei diesem Ergebnis ist es nicht erforderlich, die Frage zu behandeln, ob die Klägerin als juristische Person des privaten Rechts zu den in § 1472 ABGB privilegierten Personen gehört.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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