OGH 1Ob109/09z

OGH1Ob109/09z6.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S*****, vertreten durch Mag. Andreas Fritz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Norbert K*****, vertreten durch Dr. Ronald Rödler, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wegen 6.041,39 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 2.334,02 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 3.707,37 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 5. Februar 2009, GZ 21 R 472/08x-37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 22. September 2008, GZ 2 C 755/07b-29, teilweise abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht, jener der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin bestätigt, dass es als Teilurteil lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 200 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 4. 2007 zu zahlen.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 2.334,02 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 4. 2007 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten."

Hinsichtlich des Klagebegehrens von 3.507,37 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 4. 2007 werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleiben insoweit der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines erstmals am 27. Juni 1986 zum Verkehr zugelassenen Campingbusses. Im Juni 2006 beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Reparatur des Motors dieses Fahrzeugs, das bei einem Kilometerstand von 40.592 einen Wiederbeschaffungswert von ca 800 bis 1.200 EUR hatte und umfangreiche Rostschäden (unter anderem an tragenden Teilen) aufwies. Der Beklagte führte diese Reparatur nicht fachgerecht durch, weil er für die Befestigung des Zahnriemenrads eine Schraube mit zu geringer Festigkeit verwendete. Das war Ursache für die komplette Beschädigung des Motors am 14. 4. 2007. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand von 67.804 und aufgrund der weiter fortgeschrittenen Rostschäden einen Zeitwert von nur mehr 200 EUR. Die Kosten für die Instandsetzung der Karosserie hätten den Zeitwert des Fahrzeugs erheblich überstiegen. Bereits aufgrund der Durchrostung war zum Zeitpunkt des Motorschadens von einem Totalschaden auszugehen. Die nächste Überprüfung gemäß § 57a Abs 4 KFG wäre im Juni 2007 fällig gewesen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger beabsichtigt, den Motorschaden beheben zu lassen.

Der Kläger begehrte für die erforderliche Reparatur des Motors fiktive Kosten von 6.041,39 EUR. Ergänzend stützte er seinen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten, den bezahlten Werklohn für die unsachgemäße Reparatur in der Höhe von 3.507,37 EUR zurückzuzahlen.

Der Beklagte wendete - soweit noch relevant - ein, dass der Klagsbetrag den Zeitwert des Fahrzeugs bei Weitem übersteige und der bezahlte Werklohn aufgrund der zurückgelegten 27.000 km nicht zur Gänze frustriert sei.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 200 EUR (Zeitwert des Fahrzeugs) und wies das Mehrbegehren von 5.841,39 EUR ab.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte - wie sich aus den Entscheidungsgründen eindeutig ergibt - den Zuspruch von 200 EUR, sprach dem Kläger (zusätzlich) die frustrierten Reparaturkosten von 3.507,37 EUR zu und wies das Mehrbegehren von (unter Berücksichtigung des bestätigten Zuspruchs richtig) 2.334,02 EUR ab. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne der Kläger durch den Zuspruch des Zeitwerts von 200 EUR nicht bereichert sein, weil dieser Wert noch nicht den eingetretenen Motorschaden berücksichtigt habe. Hingegen würde der Zuspruch der fiktiven Mängelbehebungskosten den Kläger ungerechtfertigt bereichern. Rückzuerstatten sei der frustrierte Werklohn. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof in gewissen Fällen - von der Lehre heftig kritisiert - abstrakte Mängelbehebungskosten zugesprochen habe.

Rechtliche Beurteilung

I. Die gegen die Klagsabweisung von (richtig) 2.334,02 EUR gerichtete Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung wird bei deliktischen Schadenersatzansprüchen der Anspruch auf fiktive Reparaturkosten abgelehnt, wenn sie die objektive Wertminderung übersteigen und das Unterbleiben der Reparatur feststeht (1 Ob 620/94 = SZ 68/101; RIS-Justiz RS0022844). Mittlerweile wurde auch im Gewährleistungsrecht zu § 933a ABGB ausgesprochen, dass der Schaden des Gewährleistungsberechtigten nur in der objektiven Wertminderung besteht, wenn er den Mangel nicht beheben lassen will. Er hat Anspruch auf Ersatz der Wertminderung und des daraus resultierenden sonstigen Nichterfüllungsschadens (6 Ob 134/08m; 1 Ob 16/09y mwN). Im konkreten Fall ist die Begrenzung des Schadenersatzes mit der objektiven Wertminderung vor allem unter dem Aspekt zu sehen, dass sich die Reparatur eines Fahrzeugs, das einen Zeitwert von 200 EUR hat, mit einem Aufwand von mehr als 6.000 EUR bei der vorhandenen Durchrostung, die ein positives Ergebnis bei der knapp nach Schadenseintritt anstehenden Überprüfung nach § 57a KFG zweifelhaft erscheinen lässt, als ausgesprochen unwirtschaftlich darstellt. Die in der Revision des Klägers zitierten Autoren Welser/B. Jud (Die neue Gewährleistung [2001] § 933a ABGB Rz 15) vertreten keine von der höchstgerichtlichen Judikatur abweichende Lehrmeinung. Im Gegenteil: Auch sie werten den Zuspruch abstrakter Mängelbehebungskosten bei unterbleibender Verbesserung als ungerechtfertigte Bereicherung des Gewährleistungsberechtigten. Bei der offenkundigen Unwirtschaftlichkeit der Reparatur ist entgegen der Auffassung des Klägers, den grundsätzlich die Beweislast für die Durchführung der Reparatur trifft (RIS-Justiz RS0030106), eine positive Feststellung über die Absicht des Gewährleistungsberechtigten, den Schaden nicht beheben zu lassen, nicht zu fordern.

II. Die gegen die Klagsstattgebung mit (richtig) 3.707,37 EUR sA gerichtete Revision des Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

Gegen den Zuspruch des Zeitwerts von 200 EUR argumentiert der Beklagte mit dem bereits aufgrund der Durchrostung eingetretenen wirtschaftlichen Totalschaden, weshalb der Kläger, dem das Fahrzeug nach wie vor gehöre, bereichert sei. Damit übersieht er, dass ein zwar durchgerostetes, aber noch über einen Motor verfügendes und fahrtüchtiges Fahrzeug für den Eigentümer einen anderen Wert hat als dasselbe Fahrzeug ohne funktionstüchtigen Motor. Der mit 200 EUR festgesetzte Zeitwert des Fahrzeugs bestimmte sich nach dem Sachverhalt inklusive Motor und nicht ohne diesen. Der Zuspruch des Zeitwerts durch die Vorinstanzen ist gerechtfertigt.

Nach Judikatur und Lehre steht dem Besteller bei einem unbrauchbaren Werk aus dem Titel des Schadenersatzes der Anspruch auf Rückerstattung des gesamten Werklohns zu (7 Ob 254/00d; 6 Ob 7/06g; 1 Ob 243/07b; RIS-Justiz RS0018607; Welser/B. Jud aaO Rz 20). Wie die Revision des Beklagten in diesem Punkt zutreffend aufzeigt, ist zu bezweifeln, ob die Kosten für die Motorreparatur zur Gänze frustriert sind, wenn mit dem Fahrzeug nach der Reparatur in etwa zehn Monaten noch 27.212 km zurückgelegt werden konnten. Ohne Reparatur hätte der Kläger mit dem Fahrzeug überhaupt nicht fahren können. Der Ersatz der gesamten Reparaturkosten ist damit keinesfalls sachgerecht. Um das angemessene Ausmaß des Anspruchs zu bestimmen, sind Feststellungen zur „Lebensdauer" des Motors notwendig, die bei fachgerechter Reparatur und der voraussichtlichen Nutzung des Fahrzeugs zu erwarten gewesen wäre. Der geschädigte Kläger soll ja so gestellt werden, wie er bei ordnungsgemäßer Reparatur stünde. Es kommt darauf an, welchen Nutzen bzw wirtschaftlichen Wert ein mängelfrei reparierte Motor für den Kläger gehabt hätte. Zu berücksichtigen ist dabei auch das voraussichtliche Ergebnis der im Juni 2007 anstehenden Überprüfung nach § 57a KFG. Bei einem (voraussichtlich) negativen Ergebnis wäre die weitere Verwendung des Motors in diesem Fahrzeug ausgeschlossen gewesen. In diesem Fall wäre als wirtschaftlicher Nutzen/Vermögenswert zugunsten des Klägers der Verkaufswert des Motors anzusetzen. Das Erstgericht wird daher nach Erörterung mit den Parteien Feststellungen in diesem Sinn zu treffen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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