OGH 18ONc1/15i

OGH18ONc1/15i17.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätin Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Jürgen Mayerhofer, Rechtsanwalt in Linz, wider die Antragsgegnerin E***** GmbH, *****, wegen Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 587 Abs 2 Z 4 ZPO, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Antragstellerin beantragte am 20. 1. 2015 die Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 587 Abs 2 Z 4 ZPO. Die Antragsgegnerin schulde ihr für Werkleistungen 6.327,37 EUR. Eine auf Zahlung gerichtete Klage sei wegen Vorliegens einer Schiedsvereinbarung zurückgewiesen worden. Nach dieser Vereinbarung entscheide über alle Rechtsstreitigkeiten aus dem zugrundeliegenden Vertrag ein aus drei Mitgliedern bestehendes Schiedsgericht; jede Partei bestimme ein Mitglied, diese wählten einvernehmlich einen Vorsitzenden. Die Antragstellerin habe daher die Antragsgegnerin mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 12. 11. 2014, aufgefordert, einen Schiedsrichter namhaft zu machen. Da dies nicht erfolgt sei, obliege die Bestellung dem Gericht.

Bereits vor Einlangen des Antrags war mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16. 1. 2015, AZ 4 S 5/15k, über das Vermögen der Antragsgegnerin der Konkurs eröffnet worden. Die Veröffentlichung in der Ediktsdatei erfolgte am 19. 1. 2015, die Wirkungen der Konkurseröffnung traten daher gemäß § 2 Abs 1 IO mit Beginn des 20. 1. 2015 ‑ also vor der Antragstellung im vorliegenden Verfahren ‑ ein.

Auf dieser Grundlage erweist sich der Antrag als unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Das bereits anhängig gewordene Schiedsverfahren ist nach § 7 IO unterbrochen.

1.1. Nach § 6 Abs 1 IO können Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Diese Bestimmung steht auch der Einleitung eines Schiedsverfahrens entgegen; ein bereits eingeleitetes Schiedsverfahren wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 7 Abs 1 IO unterbrochen (Buchegger in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 I [2000] § 7 Rz 10; Koller, Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf ein anhängiges Schiedsverfahren in einem anderen EU‑Mitgliedstaat, ZIK 2009, 52 [54]; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 10; Schumacher/Köchl, Insolvenzeröffnung unterbricht Schiedsverfahren: Fortsetzung als Prüfungsprozess? RdW 2012, 388 [389]; Zeiler, Schiedsverfahren2 [2014] § 581 Rz 120).

1.2. Anhängig ‑ und bei Insolvenzeröffnung unterbrochen ‑ ist ein bei staatlichen Gerichten geführtes Verfahren schon mit Gerichtshängigkeit; auf Streitanhängigkeit iSv § 232 ZPO kommt es nicht an ( Buchegger in Buchegger , Insolvenzrecht 4 § 7 Rz 3; Schubert in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 3). Maßgebend ist daher der erste prozessuale Schritt, den der Kläger zur Verfolgung seines Anspruchs setzen muss (idS für Art 15 EuInsVO auch Koller , ZIK 2009, 53).

1.3. In Schiedsverfahren ergibt sich dieser erste Schritt aus dem Inhalt der Schiedsklausel, allenfalls ergänzt durch Regelungen in anwendbaren Schiedsordnungen oder im (insofern dispositiven) Zivilverfahrensrecht; er könnte etwa im Einbringen der Schiedsklage bei einer Schiedsinstitution oder einem bereits in der Schiedsklausel bestimmten Schiedsrichter liegen. Im vorliegenden Fall ist demgegenüber zunächst die Bildung des Schiedsgerichts erforderlich. Zu diesem Zweck hat jede Partei einen Schiedsrichter nach der Schiedsklausel zu benennen, weitere Regelungen fehlen. Das führt zur Anwendung von § 587 Abs 2 Z 4 ZPO, wonach der Schiedskläger den Schiedsbeklagten zur Benennung eines Schiedsrichters aufzufordern hat. Diese Aufforderung ist im konkreten Fall der erste (schieds‑)verfahrensrechtliche Schritt zur Anspruchsverfolgung, sie ist daher der „Anhängigkeit“ iSv § 7 IO gleichzuhalten.

1.4. Dass für den Eintritt der Schiedshängigkeit, die der Streitanhängigkeit im Verfahren vor staatlichen Gerichten entspricht, in unterschiedlichen Konstellationen weitere Verfahrenshandlungen erforderlich sein können ( Hausmaninger in Fasching/Konecny 2 § 584 ZPO Rz 35; Koller, Eintritt und Sperrwirkung der Schiedshängigkeit, ecolex 2014, 1056 [1057 ff]; Rechberger in Liebscher/Oberhammer/Rechberger , Schiedsverfahrensrecht I [2012] Rz 6/7; alle mwN), ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil es auch in § 7 IO nicht auf die Streitanhängigkeit ankommt (ebenso für Art 15 EuInsVO Koller , ZIK 2009, 53).

1.5. Durch die Insolvenzeröffnung wurde das Schiedsverfahren nach § 7 Abs 1 IO unterbrochen. Der Schiedskläger wird seine Forderung anzumelden haben; ob er bei einer Bestreitung die Prüfungsklage beim Insolvenzgericht einzubringen oder das Schiedsverfahren nach § 113 IO fortzusetzen hätte, ist hier nicht zu entscheiden (gegen die Fortsetzung die ältere Lehre, Fremuth, Schiedsverfahren und Konkurs, ÖJZ 1998, 848 [849]; Konecny in Konecny/Schubert § 110 Rz 6, § 113 Rz 7; Schubert in Konecny/Schubert § 7 Rz 10; weitere Nachweise bei Zeiler, Schiedsverfahren2 § 581 Rz 120; für die Fortsetzung hingegen Koller in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 3/308; Schumacher/Köchl, RdW 2012, 388 [389 ff]; tendenziell auch Kodek in Buchegger, Insolvenzrecht4 § 110 Rz 7; ebenso die Rechtslage in Deutschland, BGH III ZB 88/07, NJW 2009, 1747; Longrée/Gantenbrink, Insolvenz des Beklagten im Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2014, 21 mwN).

2. Während der Dauer der Unterbrechung ist ein Antrag auf Schiedsrichterbestellung unzulässig.

2.1. Parteihandlungen, die während aufrechter Unterbrechung vorgenommen werden, sind dem Gegner gegenüber ohne rechtliche Wirkung (§ 163 Abs 2 ZPO, § 26 Abs 2 AußStrG) und daher zurückzuweisen ( Fink in Fasching/Konecny 2 § 163 ZPO Rz 29; Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 § 163 Rz 2; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 26 Rz 20; RIS‑Justiz RS0036967, RS0037093). Das gilt insbesondere für einen nach der Unterbrechung gestellten Delegierungsantrag (2 Nd 501/90; vgl demgegenüber 2 Nc 15/14z für einen vor der Unterbrechung gestellten Antrag). Ein Delegierungsantrag führt zu einem Zwischenverfahren vor einem anderen Gericht; dennoch wird er von den Wirkungen der Unterbrechung des Ausgangsverfahrens erfasst.

2.2. Gleiches muss für den hier zu beurteilenden Antrag auf Schiedsrichterbestellung gelten: Auch dieser Antrag führt zu einem Zwischenverfahren bei einem anderen als dem für die Hauptsache zuständigen Gericht; dieses Zwischenverfahren ist zwecklos, wenn das Hauptverfahren unterbrochen ist. Damit gibt es keinen Grund, den hier zu beurteilenden Bestellungsantrag anders zu behandeln als einen Delegierungsantrag in einem unterbrochenen Verfahren vor staatlichen Gerichten. Dies steht ‑ wie auch sonst ‑ einer neuerlichen Antragstellung nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes nicht entgegen. Denkbar wäre insofern etwa die Aufhebung des Konkurses mangels Masse; allenfalls aber auch ‑ sollte sie zulässig sein (oben 1.5.) ‑ die Fortsetzung des Schiedsverfahrens nach § 113 IO.

3. Aus diesen Gründen ist der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte