European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00006.15H.0608.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef Z***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 16. Oktober 2013 in K***** als zur Vornahme wiederkehrender Begutachtungen gemäß § 57a KFG Ermächtigter, mithin als (im strafrechtlichen Sinn) Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat „in seinem auf Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen gemäß § 57a KFG gerichteten Recht“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er ‑ „in unvertretbarer Weise Verfahrensvorschriften missachtend“ ‑ für ein (im Urteil näher bezeichnetes) Kraftfahrzeug ein den tatsächlichen Verhältnissen widersprechendes (positives) Gutachten gemäß § 57a KFG ausstellte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt im Ergebnis zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal des wissentlichen Befugnismissbrauchs auf. Die dazu getroffene Konstatierung (US 5) blieb nämlich ohne Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090).
Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs könnte sich im gegebenen Zusammenhang aus der Ausstellung eines positiven Prüfgutachtens trotz tatsächlichen Erkennens von (diesem entgegenstehenden) schweren Mängeln oder aus bewusster Unterlassung einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Prüfung (also wegen unvertretbarer Missachtung von Verfahrensvorschriften) ergeben (17 Os 12/13p). Derartiges hat das Erstgericht jedoch nicht festgestellt. Es konstatierte bloß, der Beschwerdeführer habe das gegenständliche Fahrzeug am 16. Oktober 2013 begutachtet und im Prüfgutachten zehn leichte Mängel angeführt, obwohl ‑ wie sich bei einer nachträglichen Überprüfung herausgestellt habe ‑ mehrere (im Urteil näher bezeichnete) schwere Mängel vorgelegen seien. Dabei habe er gewusst, „dass er die ihm eingeräumte Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften als Beamter missbrauchte“ (US 4 f). Die bloße Wiedergabe einer Passage des Anklagetenors („in unvertretbarer Weise Verfahrensvorschriften missachtend“) im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag dieses Konstatierungsdefizit nicht zu kompensieren (RIS‑Justiz RS0114639).
Die Aufhebung des Urteils bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ unumgänglich. Demzufolge erübrigt sich eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens.
Auf diese Entscheidung war der Beschwerdeführer mit seiner Berufung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu beachten haben, dass es nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung für die Erfüllung des Tatbestands des § 302 Abs 1 StGB nicht ausreicht, wenn sich der Schädigungsvorsatz bloß auf den Anspruch auf Einhaltung jener Vorschrift bezieht, deren Verletzung den Befugnismissbrauch begründet (RIS‑Justiz RS0096270 [insbesondere T10, T12, T14, T20 und T23]). Als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes kommen hier ‑ wie bereits mehrfach (statt aller 17 Os 3/14s) in ähnlichen Konstellationen ausgeführt ‑ das Recht des Staates auf Ausschluss nicht verkehrs-, betriebssicherer und umweltverträglicher Fahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr sowie das Recht auf Sicherheit des Fahrzeuglenkers und anderer Verkehrsteilnehmer in Betracht.
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