Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Wolfgang F***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 18. Mai 2011 in H***** als für die Bezirkshauptmannschaft L***** tätiger Amtstierarzt, mithin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Gewährleistung und Kontrolle eines den geltenden Vorschriften entsprechenden Tierschutzes zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des (richtig:) Landes (vgl Art 11 Abs 1 Z 8 B-VG) als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er keine ordnungsgemäße, den Bestimmungen des Tierschutzes (§§ 35, 37 iVm § 5 Abs 2 Z 10 und 13 TierschutzG [TSchG], § 7 und Anhang 2 der Tierschutz-Kontrollverordnung [TSchKV]) entsprechende Kontrolle auf dem Hof des Tierhalters Anton G***** in H***** durchführte, insbesondere mangels Feststellung von Art und Anzahl der (allenfalls bereits verendeten) Tiere sowie deren Fütterung und Tränkung, obwohl er über seine Verpflichtung zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Kontrolle Bescheid wusste.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Dem im Rahmen der Mängelrüge erhobenen Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe die Vorschriften der TSchKV, insbesondere deren Anhang 2 nicht gekannt und den darauf bezogenen Teil einer Schulung nicht absolviert (vgl ON 33 S 5), erörtert, jedoch als unglaubwürdig verworfen (US 7 f). Dass Dr. Franz K***** als Zeuge vernommen angegeben hätte, der Beschwerdeführer sei „betreffend die TSchKV geschult worden“, wird im Urteil nicht behauptet, weshalb der dahingehend (offenbar im Sinn einer Aktenwidrigkeit [Z 5 fünfter Fall]) erhobene Beschwerdevorwurf ins Leere geht (RIS-Justiz RS0099431; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 468). Die Kritik an den aus dieser Zeugenaussage und aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Monate vor dem gegenständlichen Vorfall auf demselben Hof eine den Vorschriften entsprechende Kontrolle durchgeführt hatte, im Hinblick auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite gezogenen Schlussfolgerungen der Tatrichter erschöpft sich in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Der Hinweis auf eine erst nach dem angefochtenen Urteil angekündigte und durchgeführte Schulung des Landes Steiermark, die sich „mit den Rechtsgrundlagen der Tierschutzkontrollen befasst“, verstößt gegen das in Bezug auf die Tatsachengrundlage des bekämpften Schuldspruchs geltende Neuerungsverbot (Ratz, WK-StPO Vor § 280 Rz 14).
Gegenstand einer prozessordnungsgemäßen Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist der Vergleich des angewendeten materiellen Rechts (einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen) mit dem im gesamten Urteil festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Diese Vorgaben missachtet der Beschwerdeführer, wenn er das Fehlen von Feststellungen zur Wissentlichkeit des ihm angelasteten Befugnismissbrauchs einwendet, dabei aber die - wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 10; vgl auch US 7 f) - unter Bezugnahme auf den unmittelbar davor in objektiver Hinsicht detailliert dargestellten Befugnismissbrauch und seinen Kenntnisstand hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsvorschriften genau in diesem Sinn unmissverständlich getroffenen Konstatierungen übergeht. Ob es sich bei einer Urteilspassage um Sachverhaltsfeststellungen oder (ausschließlich) deren rechtliche Wertung handelt, bestimmt sich nach ihrem Inhalt, nicht nach ihrer Stellung innerhalb der Entscheidungsgründe.
Weshalb darüber hinaus „zur Bejahung der Tatbestandsmäßigkeit“ weitere Konstatierungen zum Kenntnisstand des Beschwerdeführers von den von ihm einzuhaltenden Vorschriften (insbesondere der TSchKV) erforderlich gewesen wären, legt die weitere Rechtsrüge nicht dar.
Die weitere Argumentation, der Beschwerdeführer habe bei der inkriminierten Kontrolle seiner Pflicht, (bloß) den ihm mitgeteilten Verdacht, nicht aber weitere (nämlich die im Anhang 2 der TSchKV genannten) Umstände, zu überprüfen, ohnehin entsprochen, übergeht die Konstatierung, nach welcher ihm die Feststellung des hygienischen Zustands im Stall und ob den Rindern tatsächlich „verdorbenes Heu“ (wie der Behörde zuvor mitgeteilt) verfüttert worden sei, auf die von ihm gewählte Weise gar nicht möglich war (US 4). Damit betrifft die Frage, ob bei einer (hier vorliegenden) Kontrolle aufgrund eines konkreten Verdachts (vgl US 3 f) des Verstoßes gegen Tierschutzvorschriften (vgl § 3 Abs 2 TSchKV) - im Gegensatz zu stichprobenartigen Routinekontrollen (§ 3 Abs 1 TSchKV) - sämtliche der im Anhang 2 zur TSchKV angeführten Daten zu erheben sind, keine entscheidende Tatsache.
Methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz verfehlt die Behauptung, der Beschwerdeführer hätte gar nicht die Befugnis gehabt, sich in Abwesenheit des Tierhalters (zwangsweise) Zutritt zum versperrten Stall - „selbst oder durch Beiziehung der Exekutive“ - zum Zweck einer ausführlicheren Kontrolle zu verschaffen (vgl § 36 Abs 1 iVm § 34 Abs 1 Z 4 TSchG; näher zur Ausübung einer solchen Befugnis VwGH 2007/05/0254). Dem Beschwerdeführer liegt überdies - von der Beschwerde in diesem Zusammenhang ignoriert - zur Last, auch nach dem gegenständlichen Vorfall „rigorose weitere Kontrollen“ (etwa im Beisein des Tierhalters) unterlassen zu haben (US 5 und 9).
Weshalb die Zurechnung des Todes von acht Rindern (vgl US 5 und 9) im Hinblick auf die Struktur des Tatbestands, der Erfolgseintritt nicht voraussetzt, für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein soll, erklärt der Beschwerdeführer nicht.
Schließlich hat sich das Erstgericht - der weiteren Rechtsrüge zuwider - mit den rechtlichen Voraussetzungen einer Begehung durch Unterlassung (§ 2 StGB) sehr wohl auseinandergesetzt (US 8 f) und dabei Garantenstellung des Beschwerdeführers aufgrund seines Aufgabenbereichs (US 2 f) und Gleichwertigkeit des vorgeworfenen Verhaltens mit aktivem Tun (US 9 f) auf Basis des Urteilssachverhalts bei vernetzter Betrachtung der gesamten Entscheidungsgründe unmissverständlich bejaht. Ob § 2 StGB im Zusammenhang mit § 302 StGB überhaupt Bedeutung hat (vgl Hilf in WK2 StGB § 2 Rz 16), kann also dahin stehen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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