OGH 16Os7/92-11

OGH16Os7/92-1117.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juli 1992 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter und Hon.Prof. Dr. Steininger sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Windisch als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter O***** wegen des Verbrechens nach § 3 g Abs. 1 VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 9.Dezember 1991, GZ 16 Vr 79/89-89, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Fabrizy, und des Verteidigers Dr. Schaller jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die Dauer der über ihn verhängten Freiheitsstrafe auf 2 Jahre herabgesetzt wird; im übrigen wird seiner Berufung nicht Folge gegeben.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 25.September 1941 geborene Journalist Walter O***** des Verbrechens nach dem § 3 g Abs. 1 VerbotsG in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Verbotsgesetz-Novelle 1992 schuldig erkannt.

Darnach hat er sich in den Monaten Februar 1989, April 1989 bis März 1990 und Juni 1990 in Sibratsgfäll und an anderen Orten Vorarlbergs durch die Redigierung, Herausgabe, Verlegung und Versendung der Zeitschrift "SIEG-AJ-Presse-Dienst" auf eine andere als die in den §§ 3 a bis f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, nämlich hinsichtlich der Hefte 2, 4/5, 6, 7, 8/9, 10, 11/12 aus 1989, 1, 2/3 und 6 aus 1990, in denen nach ihrer Anlage, Aufmachung, den darin enthaltenen Bildern und nach dem Inhalt der Artikel und Beiträge insgesamt gegen das jüdische Volk und seine Angehörigen gehetzt, Ausländerfeindlichkeit geschürt, einseitig das Deutschtum verherrlicht, die Eigenstaatlichkeit Österreichs geleugnet wird, Maßnahmen einschließlich der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges und Zielsetzungen des von Adolf Hitler beherrschten "Dritten Reiches", insbesondere menschenrechtswidrige Gewaltmaßnahmen des damaligen Regimes, objektiv einseitig und propagandistisch vorteilhaft dargestellt werden, vor allem durch Rechtfertigung der im "Dritten Reich" und den von ihm im zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten betriebenen Konzentrationslagern, Verharmlosung der dort vorgekommenen Todesfälle, wobei den damaligen Kriegsgegnern des deutschen Reiches die Schuld daran (Bombardierung der Zufahrtswege) zugeschoben wird, insbesondere durch die im Urteilsspruch im einzelnen aufgelisteten Darstellungen bzw Artikel, die - so der Urteilsspruch ausdrücklich - "als angeschlossene Beilage hinsichtlich der rot eingefaßten Textstellen einen integrierenden Bestandteil des Urteils bilden."

Neben dem Ausspruch auf Einziehung der zur Verbreitung bestimmten (beschlagnahmten) Exemplare der vom Schuldspruch erfaßten Druckwerke enthält das Urteil auch einen (rechtskräftigen) Teilfreispruch.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 5, 6, 7, 8, 10 a und 11 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch (: 3 Jahre Freiheitsstrafe) mit Berufung; auch die Staatsanwaltschaft hat, zum Nachteil des Angeklagten, Strafberufung erhoben.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Als nicht stichhältig erweist sich zunächst die (das Beschwerdevorbringen einleitende) Behauptung einer den Anklagevorwurf überschreitenden Fassung der Hauptfrage (Z 7); die in 31 Fakten gegliederte Hauptfrage beziehe sich im Hinblick auf die "vom Anklagevertreter in der Hauptverhandlung vom 29. November 1991 als unter Anklage stehend bezeichneten Textstellen", die durch Einrahmen mit rotem Filzstift gekennzeichnet wurden (ON 90), auf eine andere als die unter Anklage gestellte Tat. Während sich nämlich aus der Anklageschrift eine vollständige Inkriminierung der dort bezeichneten Darstellungen und Artikel ergäbe, sei - nach Rücktritt des öffentlichen Anklägers von der den Artikel "Der Stand des Revisionismus (März 1989)" (Heft 4/5-1989, S 22-25 - 474/III) betreffenden Anklage - durch die dargelegte, als Teilrücktritt von der Anklage zu wertende Vorgangsweise des Staatsanwaltes der unter Anklage gestellte Sachverhalt exakt definiert und demzufolge auf jene mit Filzstift umrandeten Belegstellen beschränkt worden. Die diesen (vermeintlichen) partiellen Verfolgungsverzicht vernachlässigende, weiterhin an der schriftlichen Anklage orientierte Anführung der inkriminierten Artikel in der Hauptfrage mit Titel, Ordnungsnummer und ihrer jeweiligen Gesamtseitenzahl verletze daher die Vorschrift des § 267 StPO.

Der Beschwerdeauffassung zuwider liegt kein (Teil)Rücktritt von der Anklage vor. Ein solcher setzt nämlich eine entsprechende ausdrückliche oder wenigstens sinngemäße, eindeutige Erklärung voraus (Mayerhofer-Rieder3, E 33 zu § 259 StPO). Wie bereits ausgeführt sind die dem § 3 g Abs. 1 VerbotsG unterstellten Darstellungen und Beiträge der Zeitschrift "SIEG-AJ-Pressedienst" in der Anklageschrift mit Beziehung auf bestimmte Nummern, Jahrgang und Seitenzahlen bezeichnet. Daß der solcherart hinreichend individualisierte Anklagevorwurf in der Folge keine substantielle Änderung erfuhr, ergibt sich nicht nur aus den vom Sitzungsvertreter der Anklagebehörde in der Hauptverhandlung am 29. November 1991 (Protokoll über die Hauptverhandlung, 506/III) vorgenommenen Ergänzungen des Anklagetenors ("Nach jedem unter Anklage gestellten Artikel sind folgende Passagen hinzuzufügen:"), sondern auch aus der weiteren Protokollierung (516/III) "Den Geschwornen, Staatsanwalt und Verteidiger werden Kopien mit der fortlaufenden Zahl Seite 1 bis 191 von allen inkriminierten Zeitschriftenartikeln übergeben. Über Antrag des Anklagevertreters werden im Einvernehmen mit dem Verteidiger alle jene Textstellen aus den inkriminierten Artikeln verlesen, die vom Anklagevertreter als unter Anklage stehend bezeichnet werden. Diese Textstellen werden durch Einrahmen mit rotem Filzstift bezeichnet". Der Protokollswortlaut stellt solcherart klar, daß durch diese Vorgangsweise lediglich die den inkriminierten Sinngehalt besonders prägenden Textstellen der Beiträge hervorgehoben und dokumentiert werden sollten, ohne daß sich aus der Antragstellung des Anklagevertreters eine auf teilweisen Rücktritt von der ursprünglich Anklage gerichtete prozessuale Willenserklärung ableiten ließe.

Da somit weiterhin die inkriminierten Darstellungen und Artikel in ihrer Gesamtheit Gegenstand des der anklagekonformen Hauptfrage entsprechenden Wahrspruchs und Schuldspruchs waren, stellt die Hervorhebung einzelner deliktsspezifisch besonders signifikanter Passagen kein inhaltliches Abweichen vom Anklagegegenstand (§ 267 StPO) dar.

Angesichts der demnach der Bestimmung des § 312 Abs. 1 StPO ausreichend Rechnung tragenden Fassung der Hauptfrage erweist sich auch das subsidiär Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z 6 StPO - wegen fehlerhafter Hauptfragestellung - geltend machende Beschwerdevorbringen als unbegründet.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider trifft es auch nicht zu, daß das ablehnende Zwischenerkenntnis über die in der Hauptverhandlung am 29. November 1991 gestellten Beweisanträge eine entscheidungswesentliche Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten zu den "Themen Masseneinwanderung von Ausländern und Rassismus" bewirkt hätte. Das vom Angeklagten zu der beantragten Einvernahme des Wissenschaftlers Irenäus Eibl-Eibesfeld als sachverständigen Zeugen sowie der Einholung des Gutachtens von Sachverständigen aus dem Fach der Ethnologie, Anthropologie, Ökologie, der Zeitgeschichte und der Zeitungswissenschaft bezeichnete Beweisthema, "daß sämtliche Gefahren, die der Angeklagte im Zuge einer ungehemmten Ein- und Zuwanderungspolitik sieht, für die österreichische, ansässige, gewachsene Bevölkerung größten Schaden bedeutet" (526/III) erwies sich nämlich vorweg für die Beantwortung der Hauptfrage als ebensowenig zielführend wie die beantragte Vernehmung des Autors der "Amerika-Briefe" N.Schmidt, und die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fach USA Zeit- und Wirtschaftsgeschichte, jeweils zum Beweis dafür, "daß die in den Amerikabriefen enthaltenen Schilderungen über das Wirken einzelner Juden in den USA jeweils an Hand konkreter Akten verfaßt und vom Angeklagten nur zum Zwecke der Information der europäischen Bevölkerung abgedruckt wurden" (527, 528/III), wie auch die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen für Zeitgeschichte zum Beweis der Richtigkeit des Inhaltes des Artikels "KZ-Propaganda-Phasen" (528/III). Lassen doch die für die angestrebte Beweisaufnahme angeführten Gründe die Vorwürfe des Aufrufes zur Ausländerfeindlichkeit, der Hetze gegen das jüdische Volk und seine Angehörigen und der (objektiv) einseitigen und propagandistisch vorteilhaften Darstellung der menschenrechtswidrigen Gewaltmaßnahmen des NS-Regimes, insbesondere durch Rechtfertigung von Konzentrationslagern und Verharmlosung der dort vorgekommenen Todesfälle durchwegs unberührt, ohne daß sich eine Bedeutung des (vom Angeklagten) erwarteten Beweisergebnisses für den Wahrspruch der Geschwornen in diesen Punkten etwa von selbst ergäbe. Dies gilt auch für die in der Hauptverhandlung am 9. Dezember 1991 gestellten weiteren Beweisanträge, wonach die Forderung des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich, das Phänomen des Antisemitismus und publizistische "Bemühungen zur Abwehr einer Einwanderung größerer Bevölkerungsteile" bzw zur Erhaltung der eigenen ethnischen Art nicht als typisch nationalsozialistisches Gedankengut anzusehen seien bzw die "Abwehr von Einwanderern in größerer Zahl" nicht nur nach Art 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, BGBl Nr 591/1978 gerechtfertigt sei, sondern im Falle Südtirols auch heute noch von der österreichischen Regierung gefordert werde (13-17/IV). Dazu kommt, daß die in Österreich nach Ende des Ersten Weltkrieges von mehreren Seiten erhobene Forderung eines Anschlusses an Deutschland, die auch darauf aufbauende Betonung des deutschen Charakters Österreichs und der Umstand, daß Antisemitismus nicht als ausschließlich nationalsozialistisch geprägt angesehen werden kann, als historisch gesicherte, notorische Tatsachen keines Beweises bedürfen.

Der Beschwerde ist zwar einzuräumen, daß der Schwurgerichtshof die in der Hauptverhandlung am 9.Dezember 1991 gestellten Beweisanträge nicht mit der Begründung hätte abweisen dürfen, daß sie (erst) nach Schließung des Beweisverfahrens vorgetragen wurden, weil durch diesen (bloß) prozeßleitenden Akt (vgl dazu §§ 319 und 328 StPO) das Recht der Prozeßparteien, auch im geschwornengerichtlichen Verfahren bis zur Urteilsverkündung die Wiedereröffnung des Beweisverfahrens zu begehren und Beweisanträge zu stellen, nicht berührt wird (Mayerhofer-Rieder3 EGr 3 zu § 281 Abs. 1 Z 4, Foregger-Serini4, Erläuterungen zu § 257 StPO). Da aus den vorhin dargelegten Gründen jedoch unzweifelhaft erkennbar ist, daß die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Formverletzung auf die Entscheidung - mangels Relevanz der Beweisanbote für die Sachentscheidung - keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte, erweist sich die gegen das gerügte Zwischenerkenntnis insoweit erhobene Verfahrensrüge im Ergebnis als unberechtigt (§ 345 Abs. 3 StPO).

Soweit der Angeklagte die Ablehnung eines zeitgeschichtlichen Sachverständigengutachtens (auch) zur inhaltlichen Bestätigung des Artikels "Deutsche Historiker-Lügner und Feiglinge" releviert, ist dem Protokoll über die Hauptverhandlung ein darauf

gerichteter - für die wirksame Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO

unerläßlicher - Antrag ebensowenig zu entnehmen, wie ein Beweisanbot zum Vorwurf "Betonung des Deutschtums".

Durch die Abweisung des zunächst schriftlich gestellten (ON 77), in der Hauptverhandlung am 29.November 1991 (521/III) teilweise, nämlich in den Punkten II A und B und Seite 24 (ohne Punkt III) mündlich wiederholten Beweisantrages wurde der Angeklagte nicht in seinen Verteidigungsrechten beschwert, weil die von ihm angeführten Beweisthemen, wonach der Polenfeldzug nicht durch das Deutsche Reich verschuldet worden sei bzw die USA und die UdSSR den Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland systematisch vorbereitet hätten, keine inkriminierten Darstellungen und Artikel betreffen, die vom Schuldspruch umfaßt sind.

Soferne die Verfahrensrüge abschließend moniert, daß durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 6.Dezember 1991, AZ 7 Ns 905/91 (ON 87), mit dem die Ablehnung des Vorsitzenden des Geschwornengerichtes und Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch als nicht gerechtfertigt erkannt wurde, "tragende Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt" worden seien, ist ihr zu entgegnen, daß derartige Entscheidungen gemäß § 74 Abs. 3 StPO ausdrücklich jedem weiteren Rechtsmittel entzogen sind (SSt 52/29, Mayerhofer-Rieder3, EGr 14 zu § 74 StPO, Roeder, Lehrbuch 63 Anm 3 aE.). Die in der Beschwerde zitierte Entscheidung SSt 26/61, die ausspricht daß einer auf die Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rüge Erfolg beschieden sein könnte, wenn über einen in der Hauptverhandlung gestellten (einen Vertagungsantrag beinhaltenden) Ablehnungsantrag (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO) vom Prozeßgericht nicht entschieden wird, hat fallbezogen keinen gegenteiligen Aussagewert.

Die Tatsachenrüge (Z 10 a) vermag keine (geschweige denn) erheblichen, sich aus den Akten ergebenden Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Sie erschöpft sich nach Inhalt und Zielsetzung im wesentlichen bloß in einer zusammenfassenden Wiederholung der gegen die Abweisung der erörterten Beweisanträge gerichteten Verfahrensrüge, nach Art einer im schöffen- und geschwornengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Auch die Rechtsrüge (Z 11 a), die inkriminierten Veröffentlichungen seien mangels typisch nationalsozialistischen Inhaltes zur Tatbestandsverwirklichung nach § 3 g Abs. 1 VerbotsG nicht geeignet, ist nicht berechtigt.

Der aus dem Vergleich mit anderen Deliktstypen abgeleitete Vorwurf einer Unbestimmtheit des Tatbestandes, der sich auf das Fehlen einer nach Beschwerdeauffassung "unerläßlichen Abgrenzung zwischen nationalsozialistisch verbrecherischem Gedankengut einerseits und nicht verbrecherischem Gedankengut andererseits" stützt und daraus auf die "Unanwendbarkeit dieser unbestimmten Strafbestimmung" schließt, erweist sich als unbegründet. Die in Rede stehende Norm pönalisiert nämlich jede Betätigung im nationalsozialistischen Sinn, soweit sie nicht unter die Bestimmungen der §§ 3 a bis 3 f VerbotsG fällt. Gefestigter Rechtsprechung zufolge reicht hiefür (unter anderem) jede unsachliche, einseitige und propagandistisch vorteilhafte Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen an sich zur Deliktsverwirklichung aus, insbesondere bedarf es keines die Ideologie des Nationalsozialismus in ihrer Gesamtheit bejahenden Täterverhaltens (SSt 57/40 = EvBl 1987/40).

Wenn beispielsweise in dem Beitrag "KZ-Propaganda-Phasen" (Ausgabe Nr 6/1989, ON 25) nicht etwa nur Zweifel an bestimmten Detailaussagen über die nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen gegen Juden zum Ausdruck kommen, vielmehr durch Hinweis auf die "alliierte Propaganda" in Verbindung mit der "Behauptung der Existenz von Gaskammern" und der "damit später verbundenen Behauptung der Ausrottung der Juden durch den NS-Staat", die als eine "geplante und vorher geheimgehaltene Überraschungsaktion in die Welt gesetzt" worden seien, eindeutig die historische Tatsache der massenweisen Ermordung von Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe als möglicherweise nur auf einer Propagandalüge beruhend in Frage gestellt wird (vgl insbesondere die Zusammenfassung des mehrseitigen Beitrages: "Der Zündel-Prozeß gilt sicher zu Recht als der große Durchbruch, dem über kurz oder lang auch der öffentliche Durchbruch des Revisionismus folgen muß und der Gaskammern und Judenausrottung als Greuellügen gigantischen Ausmaßes bloßstellt"), so handelt es sich dabei - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - sehr wohl um eine nach § 3 g VerbotsG deliktstypische, über eine Rechtfertigung, Entschuldigung, Verharmlosung oder Beschönigung dieser Gewaltakte noch weit hinausgehende, einseitige, propagandistisch vorteilhafte Stellungnahme im Sinne des ("historischen") Nationalsozialismus (vgl EvBl 1980/149; EvBl 1979/154). Angesichts dieser spezifisch nationalsozialistischen Ausrichtung hätte die für den Nationalsozialismus vorteilhafte Darstellung seiner Gewaltmaßnahmen den Tatbestand des § 3 g Abs. 1 VerbotsG selbst dann erfüllt, wenn sie isoliert geblieben wäre. Denn ein über diesen Rahmen hinausgehendes "komplexes Handeln" ist zur Verwirklichung des in Rede stehenden Tatbestands gar nicht erforderlich (vgl JBl 1991, 464; EvBl 1979, 154; EvBl 1972/238; 9 Os 179/69, 9 Os 132/85).

Im übrigen hat sich aber die Prüfung der Rechtsrichtigkeit des Wahrspruchs durch Vergleich der in Fragestellung und Wahrspruch aufgenommenen Darstellungen und Artikel mit dem angewendeten Gesetz (Mayerhofer-Rieder3, E 5 zu § 345 Abs. 1 Z 11 lit a StPO) nicht, wie der Beschwerdeführer meint, auf die Beurteilung zu beschränken, ob sich einzelne Formulierungen schon bei isolierter Betrachtung als typischer Ausdruck nationalsozialistischer Ideologie darstellen oder ob sie auch Vertretern anderer politischer Richtungen und Bewegungen zugeschrieben werden könnten. Denn neben Einzelhandlungen, die schon für sich als typische Betätigung im Sinn des Nationalsozialismus zu erkennen sind, können auch Handlungskomplexe den Tatbestand des § 3 g Abs. 1 VerbotsG selbst dann verwirklichen, wenn die einzelnen Teilakte des betreffenden Gesamtverhaltens isoliert betrachtet noch nicht als typisch nationalsozialistisch zu beurteilen sind (OGH 9 Os 12/62, auszugsweise veröffentlicht in RZ 1962/251; VfGH B 999/87, publiz. in ÖJZ 1989, 249 Nr. 14/1989).

Gerade ein solches Gesamtverhalten ist aber aus dem Sinngehalt der im Wahrspruch festgestellten Darstellungen und Artikel abzuleiten. Dies gilt für das demonstrative Eintreten gegen die staatliche Eigenständigkeit Österreichs mit eindeutiger Bezugnahme auf den "völkischen" Gedanken und die darin zum Ausdruck kommende Anschlußpropaganda gleichermaßen wie für die einseitig propagandistische Verwendung politischer Begriffe im Sinne der verpönten Zielsetzungen und Wertvorstellungen des Nationalsozialismus, nämlich der Durchsetzung jeder seiner Thesen in einem System der Gewalttätigkeit, mögen mitunter auch einzelne der dahinterstehenden Ideen bereits früher von anderen Parteien - von diesen jedoch unter Beachtung unabdingbarer Grundsätze eines demokratisch-freiheitlichen Staates - vertreten und vom Nationalsozialismus aus deren Programm entlehnt worden sein (7 Os 132/59, 9 Os 132/85; erneut SSt 57/40).

Ausländerfeindlichkeit, Hetze gegen Ausländer und Ablehnung der Einwanderung von Ausländern wird hier primär unter dem Gesichtspunkt einer rassischen Wertung (vgl auch die Ausführungen im Heft 19/1989, ON 43) propagiert, somit eine Argumentation verwendet, die der Nationalsozialismus zur Rechtfertigung seiner Gewaltmaßnahmen gegen Juden und andere "rassisch minderwertige" (im nationalsozialistischen Jargon deswegen als "Untermenschen" bezeichnete) Völker herangezogen hat (vgl insbesondere Heft 6/1990, ON 53; rechtlich sh E VfGH v 28.2.1991, W I-11/90; publiziert in JBl 1991, 577).

Der Beschwerde zuwider sind insbesondere auch die inkriminierten Ausführungen, wonach Konzentrationslager nur dem ungestörten Aufbau des nationalsozialistischen Staates dienten, nach dessen Festigung Entlassungen in großem Umfang vorgenommen und sie in der weiteren Folge wie normale Haftanstalten mit niedrigem Belag betrieben wurden, ebenso als Rechtfertigung bzw Verharmlosung von Konzentrationslagern und einseitige, propagandistisch vorteilhafte Darstellung menschenrechtswidriger, planmäßiger Gewaltmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes zu beurteilen, wie die Behauptungen, das Lager (Ghetto!) Theresienstadt sei bevorzugten, vor allem prominenten Juden vorbehalten gewesen, der weit größere Teil der Juden, sowie Mischlinge und die mit Deutschen verheirateten Juden seien nicht deportiert worden; im Rahmen des Krieges hätten Internierungen in Konzentrationslagern als völlig normal gegolten und seien zunächst von keiner Seite besonders beachtet worden, später hätten die Inhaftierungen unter dem Gesichtspunkt der Internierung von Gegnern stark zugenommen und sich nun hauptsächlich auf Ausländer bezogen (Ausgabe Nr 6/1989 Seiten 11 bis 14; ON 25). Dies gilt auch für den Versuch, unter anderem unter Berufung auf angebliche "laborwissenschaftliche (forensische) Untersuchungen der Konzentrationslager Auschwitz, Birkenau und Majdanek" dort stattgefundene Massentötungen in Abrede zu stellen (Ausgabe 10/1989, Seiten 7 bis 9, ON 43) und die historische (notorische) Tatsache (vgl hiezu JBl 1991, 464) zu widerlegen, daß im Rahmen des nationalsozialistischen Regimes die planmäßige Massenvernichtung von Juden (auch in Konzentrationslagern) im Sinne eines organisierten Völkermordes vollzogen wurde.

Soweit aber der Angeklagte die Richtigkeit des Wahrspruchs in tatsächlicher Hinsicht, nämlich die Verherrlichung von nationalsozialistischen Institutionen durch die (der Beschwerdebehauptung nach regimefremde) Abbildung mit der Bezeichnung "Jugend damals" in Heft 8/9 aus 1989 auf Seite 19, bestreitet, weicht er von dieser Tatsachengrundlage ab und führt solcherart die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus.

Der Instruktionsrüge (Z 8) zuwider erweist sich auch die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung als richtig. Sie trägt der (gezielt großen) Reichweite des § 3 g VerbotsG, der nach Art einer Generalklausel jede nicht unter die §§ 3 a bis 3 f dieses Gesetzes fallende nationalsozialistische Betätigung erfaßt, und der dazu gefestigten Rechtsprechung in allen wesentlichen Punkten in einer jedwede Beirrung der Laienrichter ausschließenden Weise Rechnung.

Ein Hinweis, daß es der hier angewendeten Strafbestimmung an jeglichem Tatbild fehle, war als dem Gesetz (§ 3 g nimmt Bezug auf die §§ 3 a-3 f VerbotsG) widersprechend in die Rechtsbelehrung nicht aufzunehmen.

Soweit die Beschwerde ferner eine Belehrung der Geschwornen über das Vergehen der Verhetzung nach § 283 StGB vermißt, übersieht sie, daß eine darauf gerichtete Schuldfrage nicht gestellt wurde, die Rechtsbelehrung sich aber nur an den tatsächlich an die Geschwornen gerichteten Fragen zu orientieren hat und auch nur in diesem Umfang angefochten werden kann (Mayerhofer-Rieder3, E 20, 23 und 23 a zu § 345 Z 8 StPO). Da auch keine Zusatzfrage nach Rechtfertigung des Tatverhaltens aus der Sicht des Artikels 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, BGBl 591/1978, gestellt worden war, hatte sich die (schriftliche) Rechtsbelehrung mit der Bedeutung und Reichweite dieser (kein Individualrecht normierenden und nicht im Verfassungsrang stehenden) Bestimmung nicht zu befassen. Die Vereinbarkeit des § 3 g VerbotsG mit Art 13 StGG wurde im übrigen in der Rechtsbelehrung (zutreffend, vgl EvBl 1980/191) erörtert.

Der Einwand schließlich, die Rechtsbelehrung hätte im Zusammenhang mit der inkriminierten Verherrlichung des deutschen Volkstums und des Leugnens der Eigenstaatlichkeit Österreichs auf die "rechtserheblichen Ereignisse" hinweisen müssen, "die sich aus den Staatsgesetz- und Bundesgesetzblättern und aus den Protokollen der Sitzungen der Konstituierenden Nationalversammlung in dieser Hinsicht ergeben", setzt sich darüber hinweg, daß Gegenstand der Rechtsbelehrung nur Rechtsumstände, nicht aber Tatfragen sein können, die sich aus dem Beweisverfahren - hier: aus der Verantwortung des Beschwerdeführers - ergeben und die der gemäß § 323 Abs. 2 StPO vom Vorsitzenden mit den Geschwornen abzuhaltenden (mündlichen) Besprechung vorbehalten sind (Mayerhofer-Rieder E 14, 15 zu § 345 Abs. 1 Z 8 StPO).

Die aus den dargelegten Erwägungen zur Gänze nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 3 g Abs. 1, erster Strafsatz, VerbotsG aF unter Anwendung des § 41 (Abs. 1 Z 3) StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dabei wertete es zwei Vorverurteilungen des Angeklagten wegen Vergehens der Verhetzung nach dem § 283 Abs. 2 StGB, weitere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen nach dem Presse- bzw Mediengesetz sowie den Umstand, daß der Angeklagte die strafbaren Handlungen durch längere Zeit fortsetzte, als erschwerend, als mildernd hingegen, daß er durch seine Verantwortung nicht unwesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug.

Diesen Strafausspruch bekämpfen beide Prozeßparteien mit Berufung. Während die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Erhöhung des Strafausmaßes im wesentlichen damit begründet, daß die Voraussetzungen der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB nicht gegeben seien, strebt der Angeklagte unter Hinweis auf die seiner Meinung nach nicht auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorverurteilungen und den vermeintlich geringen Unrechtsgehalt der Tat eine Reduktion der Strafe sowie gemäß § 43 Abs. 1 StGB deren bedingte Nachsicht an.

Bei der hier aktuellen Sachkonstellation, insbesondere der von einschlägiger Beharrlichkeit gekennzeichneten Täterpersönlichkeit und der keineswegs auf den Grenzbereich der Strafbarkeit beschränkten Tatbestandsverwirklichung erweist es sich zwar - im Sinn der Argumentation der Staatsanwaltschaft - als problematisch, ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe und die begründete Aussicht anzunehmen, der Täter werde keine weiteren strafbaren Handlungen begehen. Ungeachtet dessen bedarf der bekämpfte Strafausspruch im Lichte der Herabsetzung der Untergrenze des Strafsatzes des § 3 g Abs. 1 VerbotsG durch die mit 20. März 1992 wirksam gewordene Verbotsgesetz-Novelle 1992, BGBl 148/1992, auf nunmehr ein Jahr und die dadurch für den Strafbereich zum Ausdruck gebrachte generell mildere Gesamtbewertung des tatbildlichen Unrechts durch den Gesetzgeber einer Korrektur nach unten. Der Oberste Gerichtshof erachtet eine in Anbetracht des (auch einschlägig) getrübten Vorlebens des Angeklagten (Strafregisterauskunft vom 10.6.92, ON 7 der OGH-Akten), allerdings unbedingt auszusprechende Freiheitsstrafe von 2 Jahren als der hier aktuellen Täterschuld und dem verwirklichten Tatunrecht entsprechend für angemessen. Fehlende Übergangsbestimmungen (vgl demgegenüber § 323 StGB und Art XX StRÄG 1987) in der Verbotsgesetz-Nov. 1992 und die inhaltlich völlig gleichlautende Tatbestandsumschreibung im § 3 g Abs. 1 VerbotsG a.F. und nunmehr im § 3 g VerbotsG n.F. ließen (arg § 61/2.Satz StGB) den Obersten Gerichtshof die reduzierten Strafvorstellungen des Novellen-Gesetzgebers bei der vorzunehmenden Strafneubemessung berücksichtigen.

Diese (zweijährige Freiheits-)Strafe war in teilweiser Stattgebung der Berufung des Angeklagten über diesen zu verhängen; die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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