OGH 16Os34/89

OGH16Os34/8913.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1989 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Norbert K*** und Wolfgang K*** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG und § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Norbert K*** sowie die Berufung des Angeklagten Wolfgang K*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.Mai 1989, GZ 6 b Vr 10634/88-96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Norbert K*** wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung dieses Angeklagten sowie über die Berufung des Angeklagten Wolfgang K*** werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Norbert K*** die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 9.Juni 1952 geborene Norbert K*** und der am 18.Juli 1952 geborene Wolfgang K*** (zu A/I) des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG und § 15 StGB sowie (zu A/II bzw A/III) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG, Wolfgang K*** überdies (zu B/) des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt. Dem Angeklagten Norbert K*** liegt zur Last, er habe im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Wolfgang K*** als Mittäter den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, und zwar Haschisch, in einer Menge, welche die im § 12 Abs 1 SGG genannte große Menge um das Fünfundzwanzigfache bei weitem überstieg, in Verkehr gesetzt bzw zu setzen versucht, indem er in Wien

1. in der Zeit zwischen Juli 1988 und 10.November 1988 an Erich K*** ca 500 Gramm Haschisch, an Sonja K*** ca 400 Gramm Haschisch, an Leopold J*** 3 bis 4 kg Haschisch, an Heinrich P*** 3 kg Haschisch sowie an einen unbekannt gebliebenen "Harry", einen "Taxler Helmut", einen "Hannes", einen "Andi", einen "Michl" und an Laszlo S*** insgesamt 13 kg Haschisch verkaufte und

2. am 10.November 1988, 9,75 kg Haschisch an einen "Linzer Michl" zu verkaufen versuchte (A/I).

Weiters wird ihm angelastet, in der Zeit zwischen Sommer 1985 und 10.November 1988 wiederholt Haschisch und Kokain erworben und besessen zu haben (A/II).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte K*** mit einer auf die Z 3, 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer, daß er vor seiner sicherheitsbehördlichen Einvernahme, die das Erstgericht entscheidungswesentlich verwertet habe, entgegen den Bestimmungen der MRK und des § 3 StPO nicht über sein Schweigerecht belehrt worden sei, wodurch wesentliche Rechte des Angeklagten gemäß Art 6 Abs 1 und insbesondere Abs 3 lit b MRK sowie auch gemäß Art 3 MRK verletzt worden seien, was umso schwerer wiege, als er im Zeitpunkt dieser Vernehmung dem Mißbrauch eines Suchtgifts ergeben gewesen und auf ihn, folge man seiner Verantwortung, massiv psychisch und körperlich Druck ausgeübt worden sei.

Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, ist die in § 281 Abs 1 Z 3 StPO enthaltene Anführung der Vorschriften, deren Verletzung diesen Nichtigkeitsgrund herstellt, nach ständiger Rechtsprechung eine streng taxative (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 2 ff zu § 281 Z 3); eine analoge Anwendung auf andere Bestimmungen der StPO ist ausgeschlossen und es läßt sich dieser Nichtigkeitsgrund, soweit es sich um ein anderes strafprozessuales (Neben-)Gesetz handelt, nur anwenden, soweit eben in diesem die Verletzung bestimmter Vorschriften ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht ist (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 3 zu § 281 Z 3). Demnach wird der relevierte Nichtigkeitsgrund weder durch einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 3 StPO (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 4 zu § 281 Z 3) noch durch eine Nichtbeachtung von Bestimmungen der MRK (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 3 aE zu § 281 Z 3) verwirklicht. Das gilt gleichermaßen für die Abweisung des vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages, die von der Beschwerde "aus Vorsichtsgründen zur Wahrung der Konventionsrechte" (nicht nur aus der Z 4, sondern) auch aus der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO gerügt wird.

Einen Verfahrensmangel gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das Erstgericht seinen (mit Beziehung auf das Urteilsfaktum A//I/2 gestellten) Beweisantrag auf Ausforschung des "Linzer Michl" durch Vernehmung der Zeugen MR Dr. F*** und MR Mag.K*** sowie auf Einvernahme des "Linzer Michl" als Zeugen zum Beweis dafür, "daß der Angeklagte K*** in einem durch § 25 StPO nicht gedeckten Ausmaß von einem Suchtgiftfahnder verleitet wurde" (S 85/Bd II), abgewiesen hat (S 86/Bd II), weil ihm dadurch die Möglichkeit genommen worden sei, nachzuweisen, daß er nur zufolge der Verleitung durch einen verdeckten Fahnder straffällig wurde. Auch dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu. Den selbst für den Fall, daß der Beschwerdeführer, wie er behauptet, tatsächlich durch einen Suchtgiftfahnder unter Verstoß gegen die Verfahrensbestimmung des § 25 StPO zu dem inkriminierten versuchten Verkauf von 9,75 kg Haschisch verleitet worden sein sollte, könnten daraus keine - hier (Z 4) allein aktuellen - materiellrechtlichen Folgerungen in Richtung einer Straflosigkeit seines tatbestandsmäßigen Verhaltens abgeleitet werden; zieht doch ein solcher Verstoß weder mangelnde Versuchstauglichkeit nach sich noch wird dadurch sonst die Strafbarkeit des Verleiteten ausgeschlossen (vgl SSt 27/20;

SSt 50/30; SSt 54/67; SSt 55/65; EvBl 1979/73; EvBl 1988/139;

RZ 1989/6 sowie zuletzt 15 Os 159/88 und 11 Os 9/89). So gesehen betrifft aber die angestrebte Beweisaufnahme keine für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevanten Tatsachen.

In der Mängelrüge (Z 5) reklamiert der Beschwerdeführer zunächst eine unvollständige und offenbar unzureichende Begründung des Ausspruchs, wonach er (im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten K***) etwa 3 bis 4 kg Haschisch an Leopold J*** und zumindest 13 kg Haschisch an mehrere überwiegend nur mit dem Vornamen bekannte Personen verkaufte. Formale Begründungsmängel der bezeichneten Art haften jedoch diesem Ausspruch nicht an. Zum einen hat Leopold J*** vor dem Untersuchungsrichter von ca 3 bis 4 kg Haschisch gesprochen (S 259 a/Bd I) und auch in der Hauptverhandlung die Menge des ihm verkauften Haschisch mit 3 kg angegeben (S 85/Bd II); zum anderen konnten die Tatrichter die bekämpften Feststellungen auf die Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei (S 73 ff/Bd I), aber auch vor dem Untersuchungsrichter (S 118/Bd I) stützen (S 104 ff/Bd II), wobei das Urteil in diesem Zusammenhang keine entscheidungswesentlichen Verfahrensergebnisse, aus welchem andere Schlüsse hätten gezogen werden können, mit Stillschweigen übergeht. Daß das Gericht den Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter größere Beweiskraft zugemessen hat als den hinsichtlich der Suchtgiftmenge abschwächenden Depositionen in der Hauptverhandlung, stellt einen im Nichtigkeitsverfahren (nach wie vor) unbekämpfbaren Akt tatrichterlicher Beweiswürdigung dar. Soweit der Beschwerdeführer meint, das Gericht hätte von Amts wegen die im sicherheitsbehördlichen Vorverfahren tätig gewesenen Polizeibeamten vernehmen müssen, so wird damit nicht eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe, sondern eine Unvollständigkeit des Verfahrens reklamiert, die nur aus der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gerügt werden kann, wofür es vorliegend aber an einer entsprechenden Antragstellung in erster Instanz fehlt. Im übrigen setzt sich das Urteil ohnedies mit jenen Angaben des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung, denenzufolge er nur infolge unzulässigen Drucks seitens der vernehmenden Polizeibeamten zu einem Geständnis veranlaßt worden sei, auseinander, wobei es darlegt, aus welchen Erwägungen es dieser Einlassung des Beschwerdeführers den Glauben versagt (S 105 f/Bd II).

Daß der Beschwerdeführer selbst Haschisch konsumierte und auch Kokain besaß (Punkt A/II des Schuldspruchs) konnte das Gericht aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei (S 78/Bd I) und in der Hauptverhandlung (S 76/Bd II) sowie der Bekundungen des Ernst W*** vor der Polizei (S 179/Bd I; als Inhalt der Polizeierhebungen verlesen in der Hauptverhandlung S 86/Bd II) als erwiesen annehmen, sodaß auch diesbezüglich von einem Begründungsmangel nicht gesprochen werden kann. Was schließlich den als unzureichend begründet gerügten Ausspruch über die Qualität des in Verkehr gesetzten Haschisch betrifft, so ist der von den Tatrichtern aus der Aussage der Sonja K*** (S 84/Bd II) gezogene Schluß, wonach es sich bei dem vom Beschwerdeführer über Markus L*** bzw vor allem über Markus R*** bezogenen (und sodann in Verkehr gesetzten) Haschisch um solches durchschnittlicher Qualität (9 % THC-Gehalt) gehandelt hat (S 101, 106/Bd II), nicht denkgesetzwidrig. Aus dem von der Beschwerde ins Treffen geführten Suchtgifttest (S 37/Bd I) geht Gegenteiliges nicht hervor, sodaß es einer gesonderten Erörterung dieses Tests nicht bedurfte.

Auch die Mängelrüge ist daher unbegründet.

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) hinwieder werden keine aktenkundigen Umstände aufgezeigt, die geeignet sein könnten, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch des Beschwerdeführers zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Weder die Behauptung, daß die Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei nicht entsprechend beweiskräftig seien, noch der Hinweis auf die beim Mitangeklagten K*** anläßlich seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter festgestellten Verletzungen sowie der Umstand, daß ein Teil der Abnehmer des Haschisch nicht ausgeforscht werden konnte, läßt jene schwerwiegenden Zweifel an der Richtigkeit der tatrichterlichen Feststellungen aufkommen, auf die § 281 Abs 1 Z 5 a StPO abstellt. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach zur Gänze offenbar unbegründet, sodaß sie gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen der beiden Angeklagten der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz berufen ist (§ 285 i StPO). Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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