OGH 16Os1/89

OGH16Os1/8921.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.April 1989 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang Heinz J*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11.Oktober 1988, GZ 10 Vr 1374/88-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Merlicek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die (angemeldete) Schuldberufung wird zurückgewiesen. Der Strafberufung sowie der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis wird Folge gegeben und es wird

1. die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt,

2. der Zuspruch von 36.000 S an den Privatbeteiligten Dieter F*** aufgehoben und der genannte Privatbeteiligte mit seinen privatrechtlichen Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 26-jährige Wolfgang Heinz J*** (zu I/) des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB, (zu II/) des Vergehens der ("Bestimmung zur") falschen Beweisaussage (zu ergänzen: vor Gericht) nach §§ 12 (zweiter Fall), 288 Abs 1 StGB und (zu III/) des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 ("zweiter Deliktsfall"; richtig: erster Deliktsfall höherer Strafsatz; vgl. EvBl 1982/198; SSt. 55/16 ua) StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Graz

I/ fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Personen teils durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

  1. 1. am 28.April 1988 der Angela A*** ca. 2.000 S Bargeld;
  2. 2. nachts zum 21.Mai 1988 einem Berechtigten der Fa. F*** ca. 36.000 S Bargeld durch Einschlagen einer Fensterscheibe und Einsteigen in ein Bürogebäude sowie Aufbrechen einer Schreibtischlade;

    II/ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem 22.Mai und dem 30.August 1988 den Markus E*** vorsätzlich bestimmt, vor Gericht als Zeuge im gegenständlichen Strafverfahren bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache dahin falsch auszusagen, daß er (E***) den unter I/2 bezeichneten Diebstahl begangen habe; III/ Markus E*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn in der Hauptverhandlung vom 30. August 1988 im gegenständlichen Strafverfahren einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch ist, indem er tatsachenwidrig angab, nicht er, sondern Markus E*** habe den (unter I/2 bezeichneten) Einbruchsdiebstahl begangen.

Rechtliche Beurteilung

Nur den Punkt III/ des Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 9 lit b StPO gestützten, irrig als "Berufung wegen Nichtigkeit" bezeichneten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Den angefochtenen Schuldspruch hält der Beschwerdeführer zunächst deshalb für rechtlich verfehlt (Z 9 lit a), weil im Hinblick auf seine Verurteilung wegen Bestimmung des Markus E*** zur falschen Beweisaussage vor Gericht (Punkt II/ des Schuldspruchs) die an dem Genannten (überdies) begangene Verleumdung nicht gesondert strafbar sei, zumal beide Delikte gegen die Rechtspflege gerichtet seien und "durch die Aburteilung der einen Tat die Strafwürdigkeit der zweiten Tat konsumiert" werde; im übrigen sei sein Vorsatz nur auf die Bestimmung zur falschen Beweisaussage, nicht aber (auch) auf die Verleumdung des E*** gerichtet gewesen. In letzterer Hinsicht entbehrt die Rüge der prozeßordnungsgemäßen Ausführung, negiert sie doch die Feststellungen des Gerichtes um das Wissen des Angeklagten von der Falschheit seiner Verdächtigung und um seinen Gefährdungsvorsatz (S 235). Davon abgesehen ist sie aber auch meritorisch nicht im Recht. Konsumtion setzt voraus, daß bei wertabwägender Auslegung durch die Unterstellung der Tat unter einen der mehreren (formal erfüllten) Tatbestände der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfaßt und abgegolten wird (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 28 RN 45 mwN). Das trifft im Verhältnis zwischen § 288 und § 297 StGB (schon) im Fall tateinheitlichen Zusammentreffens nicht zu (Pallin WrK § 297 Rz 26 aE; Foregger-Serini4 Anm. VII zu § 288; Leukauf-Steininger aaO § 297 RN 24; NRsp 1989/21), zumal § 297 StGB zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich die Rechtspflege schützt und somit dessen Schutzzweck über den des Delikts nach § 288 StGB hinausgeht. Umso weniger trifft dies zu, wenn - wie vorliegend nach dem Urteilssachverhalt - zunächst ein Zeuge zur falschen Beweisaussage bestimmt und er sodann (überdies) verleumdet wird, sodaß die Bestimmung zur falschen Beweisaussage realkonkurrierend mit Verleumdung zusammentrifft.

Nicht berechtigt ist aber auch die weitere Rüge (Z 9 lit b), die Verleumdung sei vorliegend infolge wirksamer Einwilligung des Verleumdeten Markus E*** gerechtfertigt und demnach straflos. Denn wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung SSt. 53/29 = EvBl 1982/192 = JBl 1982, 607 mit ausführlicher Begründung (unter ausdrücklicher Ablehnung der vereinzelt

gebliebenen gegenteiligen Entscheidung SSt. 47/19 = EvBl 1976/253 =

JBl 1976, 549 = RZ 1976/105, auf welche sich die Beschwerde beruft)

ausgesprochen hat, vermag die Einwilligung des falsch Verdächtigten in seine Verleumdung den Verleumder weder zu rechtfertigen noch sonst dessen Strafbarkeit auszuschließen (vgl. idS auch Burgstaller RZ 1977, 1 ff; Liebscher JBl 1976, 569 f; Leukauf-Steininger Komm.2 § 3 RN 38, 39; aM Pallin WK § 297 Rz 2; Zipf RZ 1976, 192 ff); auch wer mit Zustimmung des Betroffenen diesen (wissentlich) falsch verdächtigt und ihn solcherart der Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzt, haftet somit nach § 297 Abs 1 StGB (so inzw. auch 11 Os 22/86 nv). Der bekämpfte Schuldspruch entspricht demnach auch insoweit dem Gesetz.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Die angemeldete Schuldberufung (S 240) war zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen Urteile der Schöffengerichte in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren; weiters verurteilte es den Angeklagten gemäß § 369 StPO (ua) zur Leistung einer Schadloshaltung von 36.000 S an den Privatbeteiligten Dieter F***.

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen, weiters 6 einschlägige Vorstrafen, die "verstärkte Tatbildmäßigkeit" des Diebstahls, dessen Wiederholung, den raschen Rückfall und die Verleitung des Markus E*** zur falschen Beweisaussage, als mildernd hingegen keinen Umstand (S 236).

Mit seiner Strafberufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an; überdies hat er gegen das Adhäsionserkenntnis, soweit dieses den Zuspruch von 36.000 S an den Privatbeteiligten F*** zum Gegenstand hat, Berufung ergriffen.

Diesen Rechtsmitteln kommt Berechtigung zu.

Was zunächst den Strafausspruch betrifft, so hat das Gericht zwar in den Gründen des bekämpften Urteils wiederholt darauf verwiesen, daß der Angeklagte letztlich ein umfassendes Geständnis abgelegt hat (S 229, 232, 233), dieses Geständnis jedoch - worauf der Berufungswerber zutreffend hinweist - bei der Strafbemessung nicht als mildernd gewertet und solcherart einen wesentlichen Milderungsgrund übersehen. Wird dieses umfassende (und ersichtlich reumütige) Geständnis bei der Gewichtung der Strafzumessungsschuld entsprechend berücksichtigt und weiters erwogen, daß die Verführung (Verleitung) des Markus E*** zur falschen Beweisaussage nicht gesondert als erschwerend zu werten ist, weil gerade darin der ausschließliche Schuldvorwurf liegt (Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 27 a zu § 33), so rechtfertigt dies - trotz der im übrigen zutreffend festgestellten gravierenden Erschwerungsgründe - eine Reduzierung des in erster Instanz (auf unvollständiger Grundlage) gefundenen Strafmaßes. In Stattgebung der Strafberufung war daher die Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche schuldangemessene Maß herabzusetzen.

Der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis hinwieder kommt deshalb schon aus prozessualen Gründen Berechtigung zu, weil dem Hauptverhandlungsprotokoll ON 39 nicht zu entnehmen ist, daß der Angeklagte oder sein Verteidiger zu dem vom Privatbeteiligten Dieter F*** geltend gemachten privatrechtlichen Anspruch (vgl. Anschlußerklärung in ON 16/S 92, verlesen in der Hauptverhandlung S 224) Stellung genommen hätten, womit es aber an den im § 365 Abs 2 StPO normierten formellen Voraussetzungen für den Zuspruch fehlte (SSt. 43/24; SSt. 53/19 uam). Der bekämpfte Ausspruch war daher zu kassieren und hierüber spruchgemäß zu erkennen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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