Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Zweitantragsgegnerin hat ihre Kosten selbst zu tragen.
Begründung
Die Antragsgegnerinnen betreiben in Wien Taxifunkzentralen. Von den in Wien fahrenden Taxis sind 2.537 bei einer der beiden Taxifunkzentralen der Antragsgegnerinnen unter Vertrag. Zirka 2.000 Taxis haben keine Funkgeräte und sind nicht an Funkzentralen der Antragsgegner gebunden. Diese Taxis finden ihre gesamte Auslastung über einen Taxistandplatz, einen Stammkundenstock, das gezielte Nutzen von Zeitfenstern (Großveranstaltungen), durch Verträge mit Hotels und Lokalen, durch Verträge mit App‑Betreibern (wie die Beschwerdeführer bei der Antragstellerin mit ca 540 Verträgen), oder auch durch das Betreiben einer eigenen Rufnummer.
In Wien gibt es jedenfalls mehr als 4.500 Taxis und für rund 9.000 Fahrzeuge Taxikonzessionen. Der Anteil der Taxiunternehmer, die mehr als zehn Fahrzeuge haben, liegt bei ca 3 %.
Die Antragsgegnerinnen haben mit Taxiunternehmen für vertragsgegenständliche Taxifahrzeuge Funkverträge auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Verträge sind unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat jederzeit zum Monatsletzten von beiden Vertragsparteien frei kündbar. In den Verträgen beider Antragsgegnerinnen bestehen Konkurrenzverbote bzw Ausschließlichkeitsbindungen, wonach sich ihre Vertragspartner verpflichten, bezüglich der vertragsgegenständlichen Fahrzeuge jede Zusammenarbeit mit anderen Vermittlungsunternehmen und jedes Verhalten zu unterlassen, das eine Förderung der Geschäftstätigkeit anderer Vermittlungsunternehmen zur Folge haben könnte. Nach den Funkverträgen mit den Antragsgegnerinnen berechtigt ein Verstoß gegen die Konkurrenzklausel (Ausschließlichkeits-klausel) zur sofortigen Vertragsauflösung.
Im September und Oktober 2011 wandten sich zwei App‑Betreiber‑Unternehmen an die Antragstellerin und beschwerten sich über einen angeblichen Marktmissbrauch der Antragsgegner.
Die Antragstellerin beantragte am 30. 1. 2012, „den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 4 Abs 2 Z 1 KartG, in eventu gemäß § 4 Abs 2 Z 3 KartG, jeweils iVm § 5 KartG durch die Antragsgegner festzustellen und gemäß § 26 KartG diesen wirksam abzustellen“. Größere Taxiunternehmer („ab zehn Taxis“) könnten es sich wegen der nötigen Grundauslastung und der Umsatzbeteiligung der Fahrer nicht leisten, sich von einer der beiden Funkzentralen zu trennen. Damit sei es für diese Unternehmer unmöglich, zu App‑Betreibern zu wechseln oder die Apps als erweiterndes, zusätzliches Produkt im Sinne eines „Add‑on“ zu verwenden. Taxiunternehmen in Wien seien aufgrund ihrer Verträge mit den Antragsgegnerinnen nicht in der Lage, mit anderen Unternehmen Verträge bezüglich der Vermittlung von Taxifahrten zu schließen. Über die Funkzentralen würden lediglich ca sieben Fahrten pro Taxi und Schicht (es gäbe zwei Schichten pro Tag) vermittelt, damit könne keine Auslastung erzielt werden. Mit der neuen Applikation wären Stehzeiten und leere Rückfahrten sicherlich minimierbar. Die Vermittlung über Apps wäre eine perfekte Ergänzung zum bestehenden Funksystem. Technisch gesehen handle es sich nicht um ein Funkzentralensystem, sondern ein technologiebasiertes Taxivermittlungssystem, bei dem ein potentieller Fahrgast über Handy nach GPS‑Ortung eine Anfrage an den nächstgelegenen Taxilenker sende. Der künftige Kunde lokalisiere sich mittels App und könne optional seine Fahrgastdaten eingeben; sobald er eine Bestellung abgebe, vermittle der Rechner die Anfrage an den nächstgelegenen Taxifahrer. Wenn dieser die Anfrage annehme, werde sie zum Auftrag. Die Anfahrt des gewählten Taxis könne man in Echtzeit mitverfolgen. Sachlich relevanter Markt sei die Vermittlung von Taxifahrten durch Funkzentralen. Gerade für Mehrtaxiunternehmen sei die Vermittlung von Taxifahrten via Funk eine nicht austauschbare Leistung. Die Dienstleistung einer Taxifunkzentrale sei ab einer gewissen Geschäftsgröße des Taxiunternehmers nicht mehr durch Eigeninitiative zu ersetzen. Die auf anderem Weg erzielbaren Fahrten (Stammkundenfahrten, das Aufnehmen eines Fahrgasts durch Handheben, das Nutzen von Zeitfenstern vor oder/und nach Großveranstaltungen, das Betreiben einer eigenen Nummer etc) kämen völlig unabhängig von einem Vertragsverhältnis mit einer Funkzentrale oder einem App‑Anbieter zustande und könnten nie zur nötigen Auslastung aller Fahrzeuge des Unternehmers führen. Für das wirtschaftliche Überleben eines Mehrtaxiunternehmens sei es wesentlich, wenigstens einige der Fahrzeuge bei einer Funkzentrale unter Vertrag zu haben. Ein Wechsel zwischen den Antragsgegnerinnen brächte ökonomisch keinen Mehrwert, weil beide dieselbe Geschäftspolitik verfolgten. Die Konkurrenzklausel werde ganz bewusst eingesetzt um zu verhindern, dass ein Fahrzeug nicht mehrfach belegt werden könne, egal ob es sich „um ein App“ oder eine der Antragsgegnerinnen handle. Wolle sich ein Taxiunternehmen vertragskonform verhalten, dürfe es mit einem Fahrzeug, das an eine Funkzentrale gebunden sei, keine andere Vermittlungsverbindung eingehen, weil sonst für dieses Fahrzeug eine Kündigung ausgesprochen werde. Die Abschottung dieser Fahrzeuge vom restlichen (Funk‑)Markt sei daher lückenlos, weil es dafür nur eine der beiden Antragsgegnerinnen gäbe. Die Mehrtaxiunternehmer müssten diese Geschäftspolitik zur Kenntnis nehmen, obwohl der Anschluss an mehrere Taxizentralen generell dazu geeignet wäre, das Fahrgastaufkommen des einzelnen Fahrzeugs zu steigern. Die Antragsgegnerinnen könnten damit sicherstellen, dass den App‑Betreibern in diesem Marktsegment keine Akquirierung gelinge und sie nie die nötige Fuhrparkgröße erreichten, um eine ernsthafte Konkurrenz zu werden. Es liege Behinderungsmissbrauch vor; die einmonatige Kündigungsfrist entschärfe dies nicht.
Sowohl bei einer weiten als auch bei einer engen Marktabgrenzung (gesamter Wiener Taximarkt oder Vermittlung von Taxifahrten durch Funktaxizentralen, ergänzt um eine Vermittlung durch ein technologiebasiertes Taxivermittlungssystem via GPS‑Ortung oder nur Vermittlung von Taxifahrten via Funk) seien beide Antragsgegnerinnen marktbeherrschend. Selbst bei Zugrundelegung des gesamten Wiener Taximarkts als sachlich relevantem Markt sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Z 1 KartG für die Erstantragsgegnerin erfüllt seien. Jedenfalls diese hätte die Konkurrenzklausel zu streichen, um den Missbrauch wirksam abzustellen. Dies hätte eine Marktöffnung für die App‑Anbieter zur Folge. Damit gerate auch die Zweitantragsgegnerin unter Zugzwang und müsse die Konkurrenzklausel ebenfalls streichen.
Die Antragsgegnerinnen beantragten die Abweisung des Antrags. Sie seien nicht marktbeherrschend; selbst wenn sie es wären, missbrauchten sie die marktbeherrschende Stellung nicht. Entscheidend sei, dass die vertragliche Bindung einzelner Taxi‑Fahrzeuge an die Antragsgegnerinnen extrem kurz sei und die Verträge jederzeit unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist aufgelöst werden könnten. Eine wie immer geartete Marktverschließung liege nicht vor.
Das Kartellgericht wies den Antrag ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen ging es in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass den Antragsgegnerinnen kein Missbrauch vorzuwerfen sei. Obwohl sie Konkurrenz‑ bzw Exklusivitätsklauseln in ihren Verträgen für die unter Vertrag stehenden Fahrzeuge vereinbart hätten, käme diesen Klauseln wegen der kurzen Bindungsfristen keine Marktzutrittsbehinderungsfunktion zu. Es stehe jedem Unternehmer frei, seine Fahrzeuge bei den Antragsgegnerinnen, bei denen sie jeweils unter Vertrag stehen, zu kündigen und bei einem anderen Mitbewerber, sei es nun eine Funkzentrale oder ein App‑Vermittler, unter Vertrag zu geben, oder aber die Fahrzeuge auch ohne Vertrag mit einem Vermittler zu betreiben. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin könne auch Taxiunternehmen mit wenigen oder nur einem Fahrzeug nicht unterstellt werden, dass sie unwirtschaftlich agierten, auch wenn sie keinen Vermittlungsvertrag mit einem Vermittlungsunternehmen hätten. Es könne daher auch für in den Markt strebende App‑Vermittler bei einem wirtschaftlich vernünftigen und attraktiven Angebot keine Markteintrittsschwelle sein, wenn die Antragsgegnerinnen ihre auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Funkverträge mit Exklusivitäts‑ oder Ausschließlichkeitsbindungen mit einer Kündigungsfrist von nur einem Monat zu sichern suchten. In den Verträgen der Antragsgegnerinnen fänden sich darüber hinaus keine nachvertraglichen Konkurrenzklauseln, die allenfalls zu einer Marktverschließung führen könnten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich der von den Antragsgegnern beantwortete Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
1. Die Rechtsmittelwerberin führt aus, das Vorbringen der Erstantragsgegnerin zum Markteintritt eines neuen Betreibers einer Taxifunkzentrale in Wien im Februar 2012 sei dahin zu ergänzen, dass sich dieser Betreiber während des Sommers 2012 vom Markt wieder zurückgezogen habe, weil „es (unter anderem) auch wegen der von den Funkzentralen in ihren Verträgen verwendeten Exklusivitätsklauseln unmöglich gewesen war, am Markt Fuß zu fassen“.
Nach ständiger Rechtsprechung wird der Oberste Gerichtshof auch als Kartellobergericht in kartellgerichtlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsinstanz tätig; er fungiert nicht als Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0123662). Die Frage, ob die Neuerungserlaubnis nach § 49 AußStrG für das kartellrechtliche Rekursverfahren überhaupt anzuwenden ist, kann aber hier unbeantwortet bleiben. Selbst wenn das ergänzende Vorbringen beachtlich wäre, ist durch den zu seinem Beweis vorgelegten Zeitungsartikel vom 19. 9. 2012 nicht bewiesen, dass der Markteintritt wegen der von den Antragsgegnerinnen verwendeten Exklusivitätsklauseln unmöglich gewesen war. Berichtet wird nämlich vielmehr, dass Expertenschätzungen zufolge 500 Taxis notwendig seien, um Wien flächendeckend zu bespielen, und zu wenig Autos zur neuen Funkzentrale gewechselt hätten.
2. In der Rechtsrüge macht die Rekurswerberin geltend, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erschwerten Ausschließlichkeitsklauseln den Zugang zum relevanten Markt erheblich. Vor diesem Hintergrund spiele die Dauer der Bindungsfrist keine Rolle. Dies umso mehr, als die Antragsgegnerinnen unzweifelhaft bezweckten, durch die Exklusivitätsklauseln den Zugang zum Markt und die Wachstumspotenziale bestehender oder potenzieller Wettbewerber zu behindern, um diese letztlich aus dem Markt zu verdrängen. Ausschließlichkeitsklauseln seien immer zu beanstanden, wenn es keine objektive kommerzielle Rechtfertigung für sie gebe. Die Antragsgegnerinnen hätten keine Umstände behauptet, die diese Exklusivvereinbarungen ausnahmsweise rechtfertigen könnten. Die Ansicht des Kartellgerichts, der Ausschließlichkeitsvereinbarung käme im Hinblick auf die einmonatige Kündigungsfrist keine Marktzutritts-behinderungsfunktion zu, wäre nur dann überzeugend, wenn „diese Möglichkeit in der Praxis belegt wäre“ und andere Anbieter damit auch tatsächlich einen besseren Marktzugang hätten. Die Stärkung großer Unternehmen ‑ wie die der Antragsgegnerinnen ‑ durch Ausschließlichkeitsvereinbarungen förderten den Wettbewerb auf dem relevanten Markt nicht, sondern bremsten ihn. Das Kartellgericht lasse die Kriterien, die in ständiger Rechtsprechung der europäischen Gerichte für das Vorliegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zugrunde gelegt würden, gänzlich außer Acht. Danach genüge es zur Feststellung eines Missbrauchs, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung darauf gerichtet sei, den Wettbewerb zu beschränken oder dass es eine solche Wirkung haben könne. Eine Praxis, die sich aus der Art der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen durch ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung ergebe, sei verboten, wenn sie darauf abziele, dem Abnehmer die Wahlmöglichkeit hinsichtlich seiner Bezugsquellen zu nehmen oder zu beschränken und die Aufrechterhaltung des auf dem Markt bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung zu behindern oder wenn es ein Risiko der Ausschaltung von Konkurrenten gebe.
3. Mit diesen Ausführungen zeigt die Rekurswerberin eine rechtsfehlerhafte Beurteilung des Kartellgerichts nicht auf.
3.1. Die Rekurswerberin hat sich dafür entschieden, gegen die von den Antragsgegnerinnen vereinbarten Ausschließlichkeitsklauseln nicht wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot (§ 1 KartG; vgl Art 101 AEUV [früher Art 81 EG, Art 86 EWG]), sondern wegen Verstoßes gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 5 KartG (vgl Art 102 AEUV [früher Art 82 EG, Art 86 EWG]) vorzugehen.
3.2. Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist verboten (§ 5 Abs 1 Satz 1 KartG). Nach der Rechtsprechung des Senats sind für die Beurteilung dieser Generalklausel und der beispielhaft angeführten Missbrauchstatbestände nach dem KartG auch Art 102 AUEV und die dazu ergangenen Entscheidungen heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0110382).
3.3. Als missbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung bezeichnet, die die Struktur eines Markts beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist und die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produktwettbewerbs oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktteilnehmer abweichen (RIS‑Justiz RS0063530).
3.4. Nach der Rechtsprechung der Europäischen Gerichte (EuGH und EuG) ist die von einem marktbeherrschenden Lieferanten seinen Abnehmern auferlegte Verpflichtung, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon ausschließlich von ihm zu beziehen generell nach Art 102 AEUV untersagt (zB EuGH, C‑85/76, Hofmann‑La Roche , Slg 1979, 461 Rz 89; EuG, T‑65/89, BPB Industries und British Gypsum , Slg 1993, II‑389 Rz 68; vgl 16 Ok 46/05; Eilmansberger in Münchener Kommentar zum Europäischen und deutschen Kartellrecht, Art 82 EG Rz 453 mwN; Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 5 Art 102 AEUV Rz 217 mwN). Der Europäische Gerichtshof geht nämlich davon aus, dass Alleinbezugsvereinbarungen darauf abzielen, dem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren ( Hofmann‑La Roche Slg 1979, 461 Rz 90; krit Eilmansberger in Münchener Kommentar zum Europäischen und deutschen Kartellrecht, Art 82 EG Rz 454 mwN).
3.5. Die Ausschlusswirkung von Exklusiv-bindungen hängt neben der Größe des gebundenen Anteils an der Gesamtnachfrage ( Bulst in Langen/Bunte , Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd 2, Art 82 Rz 335; Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 5 Art 102 AEUV Rz 216 und FN 871 mwN; Eilmansberger in Münchener Kommentar zum Europäischen und deutschen Kartellrecht, Art 82 EG Rz 454 ff; vgl EuG, T‑5/98, Van den Bergh Foods , Slg 2003, II‑4653 Rz 160; Prioritätenmitteilung der Kommission bei der Anwendung von Art 82 EG, ABl 2009 C 45/7 Rz 34) auch von deren Laufzeit ab ( Bulst in Langen/Bunte , Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd 2, Art 82 Rz 336 und 339; Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 5 Art 102 AEUV Rz 222 und FN 871 mwN; vgl Eilmansberger in Münchener Kommentar zum Europäischen und deutschen Kartellrecht, Art 82 EG Rz 459 ff; Prioritätenmitteilung der Kommission bei der Anwendung von Art 82 EG, ABl 2009 C 45/7 Rz 36).
3.6. Im Rahmen der Prüfung der Anwendung von Art 101 AEUV war das Gericht der Europäischen Union im Urteil Van den Bergh Foods der Ansicht, das Argument, die gebundenen Abnehmer hätten die Möglichkeit, die Ausschließlichkeitsvereinbarung sehr kurzfristig (zwei Monate Kündigungsfrist) zu kündigen, wäre nur dann überzeugend, wenn diese Möglichkeit in der Praxis belegt wäre und die gebundenen Abnehmer sich somit immer wieder Neulingen auf dem relevanten Markt öffneten. Die Kommission habe aber nachgewiesen, dass dies nicht der Fall sei. Die Kündigungsmöglichkeit habe den Abschottungsgrad des relevanten Markts tatsächlich nicht verringert (EuG, Van den Bergh Foods aaO Rz 105). Das Gericht der Europäischen Union sprach im Urteil BPB Industries und British Gypsum (aaO Rz 73) ferner aus, das Recht zur Kündigung eines Vertrags stehe seiner effektiven Durchführung nicht entgegen, solange von der Kündigungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht worden sei. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung in der Lage sei, seinen Kunden nicht nur den Abschluss solcher Verträge, sondern auch deren Weiterführung aufzuzwingen, sodass die rechtliche Möglichkeit der Kündigung in Wirklichkeit illusorisch sei.
3.7. Im Schrifttum wird aus diesen beiden Entscheidungen abgeleitet, dass das Recht zur Kündigung eines ausschließlichen Bezugsvertrags bei der Beurteilung aufgrund von Art 102 AEUV im Allgemeinen außer Betracht bleibe und auch eine kurze Bindungsfrist nicht ausschließe, eine Exklusivitätsvereinbarung als Missbrauch nach Art 102 AEUV zu werten ( de Bronett in Wiedemann , Handbuch des Kartellrechts 2 § 22 Rz 91; vgl Reidlinger/Hartung , Das österreichische Kartellrecht 2 140 f).
3.8. Einer die Bedeutung von Laufzeit und Kündigungsfrist für die Abschottungswirkung von Bezugsbindungen zu sehr einschränkenden Ansicht vermag sich der Senat für die Anwendung von § 5 KartG nicht anzuschließen. Schließlich bezog der Europäische Gerichtshof im Urteil Hofmann‑La Roche die Dauer einer Bezugsverpflichtung in die Prüfung ihrer Wettbewerbswidrigkeit ein und sah eine Bindungsdauer von zwei Jahren als in der Regel gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verstoßend an (EuGH, Hofmann‑La Roche Rz 115 und 121; vgl Prioritätenmitteilung der Kommission bei der Anwendung von Art 82 EG, ABl 2009 C 45/7 Rz 36).
Auch marktbeherrschenden Unternehmen ist wie normalen Unternehmen einzuräumen, dass selbst unbefristete Verträge nur eine geringe Bindungs‑ und damit Abschottungswirkung entfalten, wenn sie ohne Einschränkung unter Einhaltung kurzer Kündigungsfristen aufgelöst werden können ( Eilmansberger in Münchener Kommentar zum Europäischen und deutschen Kartellrecht, Art 82 EG Rz 459; vgl Prioritätenmitteilung der Kommission bei der Anwendung von Art 82 EG, ABl 2009 C 45/7 Rz 36; Markert in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht 4 § 32 GWB Rz 199). Es hängt von den konkreten Umständen des Falls ab, ob auch kürzere Kündigungsfristen als Kündigungssperren fungieren können, oder ob die rechtliche Möglichkeit der Kündigung in Wirklichkeit illusorisch ist ( Eilmansberger in Münchener Kommentar zum Europäischen und deutschen Kartellrecht, Art 82 EG Rz 459).
3.9. Die konkreten Umstände des zu beurteilenden Falls sind dadurch gekennzeichnet, dass die Exklusivitätsvereinbarung nur jenes Fahrzeug erfasst, für das der Funkvertrag abgeschlossen wurde, sodass Mehrfahrzeugunternehmer nicht notwendigerweise mit ihrem gesamten Fuhrpark gebunden sind. Es ist auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht ersichtlich, dass die kurzfristigen und ohne Einschränkung lösbaren Bindungen geeignet sind, einen Wechsel eines Taxis zu einem Wettbewerber unmöglich zu machen oder zu erschweren, sodass der Markt abgeschottet wird, zumal eine beträchtliche Anzahl von Taxis nicht gebunden ist und nicht dargetan wurde, dass die Antragsgegnerinnen in der Lage wären, Vertragspartner von der Kündigung abzuhalten.
4. Damit liegen die von der Antragstellerin geltend gemachten Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache nicht vor. Im Übrigen haben die Antragsgegnerinnen ‑ entgegen der Behauptung der Rekurswerberin ‑ Rechtfertigungsgründe für die Bindungsvereinbarung vorgebracht. Darauf muss aber mangels Vorliegens missbräuchlichen Verhaltens nicht weiter eingegangen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 KartG. Eine mutwillige Rechtsverfolgung liegt nicht vor.
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