Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Gegner der gefährdeten Partei haben die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Von den ca 4400 Taxis in Wien haben zwei Drittel Funkverträge mit den Funktaxizentralen der Erst- bis Drittantragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden Antragsgegner), darunter seit 1992 auch die Antragstellerin und gefährdete Partei (im Folgenden Antragstellerin). Die Funktaxizentrale der Erstantragsgegnerin bietet dabei bereits seit 1985 die Beförderung von Sachen (Botenfahrten) zu Zonentarifen an, wobei das Pauschalentgelt für die erste Zone S 120,-
für die zweite Zone S 180,- und darüber S 240,- jeweils zuzüglich 20 % Umsatzsteuer beträgt. Nur jenen Taxiunternehmen, die sich diesen ihnen bekanntgegebenen Zonentarifen angeschlossen haben, werden entsprechende Botenfahrten vermittelt. Ca 1995 hat auch die Zweitantragsgegnerin dieses Zonentarifsystem übernommen. Dem lag weder eine Vereinbarung noch eine Absprache zu Grunde, vielmehr fürchtete die Zweitantragsgegnerin ohne die Übernahme dieses Zonentarifsystems auf dem Markt Kunden und angeschlossene Taxiunternehmer zu verlieren. Sowohl die Kunden als auch die Taxiunternehmer wünschten einen gesicherten Preis. Schließlich übernahm auch die Drittantragsgegnerin ohne Vereinbarung oder Absprache dieses Zonentarifsystem. Die Sechstantragsgegnerin ahmt das Zonentarifsystem der drei Erstantragsgegnerinnen nach, hat jedoch einen 20 % unter deren Preis liegenden Tarif.
Die Antragstellerin beantragte mit ihrem neuerlichen Antrag vom 4. 11. 1999 (ON 28), der Erst-, Zweit-, Dritt- und Sechstantragsgegnerin die Vereinbarung bzw Verhaltensweisen bezüglich Zonentarifen für die Zone 1 von S 120,-, für die Zone 2 von S 180,- und für die Zone 3 von S 240,- auch in Form einer einstweiligen Verfügung zu untersagen. Sie stützte sich darauf, dass die Zonentarife einerseits kartellrechtswidrige Vereinbarungen im Sinne des § 10 KartG, andererseits auch kartellwidrige Verhaltensweisen im Sinne des § 11 KartG, und zwar Verhaltenskartelle seien. Sie bezog sich dabei auch auf ihr bisheriges Vorbringen dazu (vgl Punkt B des Antrages vom 14. 5. 1999). Danach sei es zu Beginn des Jahres 1997 zwischen den Erst-, Zweit-, Dritt- und Sechstantragsgegnerinnen zu einer rechtswidrigen Kartellvereinbarung hinsichtlich der Zonentarife für Kurierfahrten gekommen, die auch den gültigen Tarifen des Landeshauptmannes von Wien widerspreche und wegen überhöhter Spannen volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigt und nichtig sei. Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Mitglieder der betroffenen Antragsgegnerinnen sei unverhältnismäßig eingeschränkt. Diese würden zur Gesetzwidrigkeit verleitet. Den neuerlichen Antrag stützte die Antragstellerin auf § 25 KartG in Verbindung mit Art 86 EGV.
Die Antragsgegnerinnen wandten sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung und brachten vor, dass kein Zwang zur Anwendung der Zonentarife bestehe und diese von der Erst- und der Zweitantragsgegnerin auch nicht mehr herangezogen würden. Auch würden die Grenzen der Bagatellkartelle nicht überschritten. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung, soweit er sich neuerlich auf eine Vereinbarung hinsichtlich der Zonentarife stützte, zurück und hinsichtlich eines dahingehenden Verhaltenskartells ab. Die Zurückweisung stützte das Erstgericht auf die Anhängigkeit des vorangegangenen Sicherheitsantrages. Die Abweisung begründete es damit, dass bei der Beurteilung des hier maßgeblichen Parallelverhaltens zwischen der Erst- bis Drittantragsgegnerin davon auszugehen sei, dass sich dieses nicht aus einer Abstimmung, sondern aus dem Markt ergebe. Nicht vom Antrag erfasst sei die Frage der Abstimmung des Verhaltens zwischen den Antragsgegnerinnen und den ihr jeweils angeschlossenen Taxiunternehmern.
Mit dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs begehrt die Antragstellerin die Erlassung der einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Durchführung des Kartells über fixe Zonentarife für Kurierfahrten; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Antragsgegnerinnen beantragen die Abweisung des Rekurses.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Soweit die Antragstellerin als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt, dass das Erstgericht nicht zwei weitere Zeugen vernommen habe, deren Aussagen die "Rechtsansicht bescheinigt" hätten, dass es sich um ein Verhaltenskartell und nicht um ein marktbedingtes Parallelverhalten handle, ist ihr entgegenzuhalten, dass die relevanten Rechtsvorschriften von Amts wegen anzuwenden sind und regelmäßig keiner Ermittlung in einem Beweisverfahren bedürfen. Als weitere Mangelhaftigkeit macht die Antragstellerin geltend, dass das Erstgericht nicht berücksichtigt habe, dass sie ihren Antrag vom 4. 11. 1999 auch auf Art 86 EGV (gemeint offenbar in der Fassung vor dem Vertrag von Amsterdam) gestützt habe, vermag aber nicht darzutun, welche weiteren konkreten Bescheinigungsmittel aufzunehmen gewesen wären. Im Übrigen hat diese Bestimmung erkennbar keinen Bezug auf das hier konkret erstattete Sachverhaltsvorbringen zu der Verhaltensabstimmung bei den Zonentarifen, bezieht sich doch der Antrag ausschließlich auf die Untersagung eines Kartells und nicht auf den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Der von der Antragstellerin erhobenen Beweisrüge steht entgegen, dass das Erstgericht die von ihm getroffenen Feststellungen zum Parallelverhalten der Antragsgegnerinnen auch auf Grund der Einvernahme von Zeugen und Parteien getroffen hat und nach ständiger Judikatur die im Provisorialverfahren als bescheinigt angenommenen Tatsachen, die nicht nur auf Grund der Aktenlage angenommen wurden, auch im kartellgerichtlichen Rekursverfahren nicht bekämpfbar sind (vgl zuletzt ebenfalls den Antragsteller betreffend OGH 16. 5. 2000, 16 Ok 2/00 mwN, insbesondere SZ 70/272 und EvBl 1994/53, 142 [verstärkter Senat]).
Die Antragstellerin nimmt in ihrem Rekurs erstmals auf die Verordnung 1017/68 des Rates vom 19. 7. 1968 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffverkehrs (ABl L 175 vom 23. 7. 1968, 1; vgl auch Groeben/Thiesing/Ehlermann, Handbuch des Europäischen Rechts I A 50, Vorbem zu Art 81 bis 85 EG, 41) Bezug.
Dass ein Verfahren dazu bei der Kommission anhängig wäre, hat sich nicht ergeben. Damit wäre aber die Zuständigkeit zum Vollzug der Verordnung durch das Kartellgericht grundsätzlich zu bejahen (Art 15 der Verordnung 1017/68 ; Groeben/Thiesing/Ehlermann aaO, 95; vgl allgemein zur VO 17/62 OGH 16 Ok 7/98 = AnwBl 1999/111 = WBl 1999, 181 = ÖBl 1999, 138 mwN; im gleichen Sinn Langen/Bunte Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht7, 1435). Für eine Untersagung nach diesen Bestimmungen fehlt es hier aber schon vom Ansatz her an einem Vorbringen zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten und einer Verhinderung und Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Markts (so ausdrücklich Art 2 der Verordnung 1017/68 und der ihr noch zu Grunde liegende Art 85 EGV - in der Fassung vor dem Vertrag von Amsterdam). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass auch im Sinne der breiten Auslegung der Zwischenstaatlichsklausel eine Eignung gegeben wäre, den zwischenstaatlichen Handel mittelbar oder unmittelbar zu beeinflussen, etwa im Sinne einer Abschottung des Marktes (dazu 16 Ok 7/98 = AnwBl 1999, 111 = WBl 1999, 181 = ÖBl 1999, 138;
Koppensteiner, österr und europäisches Wettbewerbsrecht3, 308;
Stockmann in Wiedemann [Herausgeber], Handbuch des Kartellrechts, 121; Roth/Ackermann im Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Grundfragen zum Art 81 Abs 1 EG - Vertrag Rz 300 ff insbes 320, 321). Soweit sich die Antragstellerin auch in ihrer Rechtsrüge auf die Bestimmungen der Art 85 und86 EGV beruft, ist sie auf diese Ausführungen zu verweisen.
Nach dem somit im Ergebnis maßgeblichem § 11 Abs 1 des österreichischen Kartellgesetzes in der Fassung vor der Kartellgesetz-Novelle 1999 (vgl auch Art II und III BGBl I 126/1999), mit der erstmals das Verbotsprinzip auch auf Verhaltenskartelle ausgeweitet wurde (vgl RV 1775 der BlgNR 20. GP, 6, 9 f), sind Verhaltenskartelle aufeinander abgestimmte, also weder zufällige noch nur marktbedingte Verhaltensweisen von wirtschaftlich selbständig bleibenden Unternehmen oder von Verbänden oder Unternehmen, wenn durch sie der Wettbewerb tatsächlich beschränkt wird. Abs 2 erfasst dann verschiedene, hier nicht maßgebliche Ausnahmen. Unter Abstimmung im Sinne des § 11 Abs 1 KartG wird eine "Fühlungnahme" zwischen den Unternehmen verstanden, die geeignet und bestimmt ist, deren Wettbewerbsrisiko abzuschwächen, nicht jedoch eine einseitige Mitteilung oder ein Parallelverhalten, ohne dass die Unternehmer die Marktverhältnisse im Zusammenwirken beeinflussen wollen (vgl Barfuß/Wollmann/Tahedl, Das österreichische Kartellrecht, S 51 ff; Koppensteiner aaO 191 f, Gugerbauer, Kommentar zum Kartellgesetz § 11 Rz 3 ff; allgemein zur Abstimmung über einen Dritten auch OGH 16 Ok 21/97 = ÖBl 1998, 208 = WBl 1997, 353 = ecolex 1997, 859; ÖBl 1999, 45 = ecolex 1998, 335).
Ob bei einem übereinstimmenden Verhalten von Unternehmern ein Verhaltenskartell vorliegt, ist häufig nur aus Indizien abzuleiten (vgl OGH ÖBl 1998, 208 = WBl 1997, 353 = ecolex 1997, 859; ÖBl 1999, 45 = ecolex 1998, 335 mwN). Dies ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn die konkrete Ursache des Verhaltens - wie hier - positiv festgestellt wurde: Das Verhalten der Unternehmer ist nicht auf eine Koordination zwischen ihnen zur Vermeidung der Risken des Wettbewerbes zurückzuführen, sondern die Zweit- und Drittantragsgegnerinnen wurden erst einige Jahre nach Einführung des Zonensystems durch die Erstantragsgegnerin durch die Marktverhältnisse zum "Mitziehen" gezwungen (vgl dazu Koppensteiner, aaO, 191; Gugerbauer, aaO, Rz 8; Roth/Ackermann aaO Rz 120 ff). Soweit sich die Antragstellerin in ihrem Rekurs immer wieder auf die Koordination der jeweiligen Antragsgegnerinnen mit den ihnen angeschlossenen Taxiunternehmern beruft, verkennt sie, dass von ihrem Antrag nur das angebliche Verhaltenskartell zwischen den Antragsgegnerinnen, nicht aber die Bindung zwischen den einzelnen Antragsgegnerinnen und den ihnen jeweils angeschlossenen Taxifahrern erfasst ist.
Insgesamt war daher dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 45 Abs 2 KartG (vgl OGH 15. 5. 2000, 16 Ok 2/00; ÖBl 1999, 297 ua). Eine mutwillige Rechtsverfolgung ist nicht anzunehmen.
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