Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragte am 17. 6. 2011 die Anordnung von Hausdurchsuchungen in den Geschäftsräumlichkeiten und Fahrzeugen der Antragsgegnerinnen. Im Zuge der Untersuchung des Biermarkts hätten sich Hinweise auf wettbewerbswidrige Absprachen zwischen Brauereien ergeben. So sei im Fachverband der Brauereien ein zumindest seit 1999 in Kraft stehender Boykottbeschluss über die Belieferung des Cash & Carry-Handels mit Fassbier zum Zweck der Aufrechterhaltung eines den Flaschenbierpreis um bis zu 70 % übersteigenden Fassbierliterpreises gefasst und in der Folge mehrmals bekräftigt worden. Nach Zeugenaussagen hätten sich Brauereien gegenüber Cash & Carry-Händlern auf diesen Verbandsbeschluss berufen. Ein Brauereiunternehmen habe im Zuge eines Auskunftsverlangens einen Antrag auf Zuerkennung des Kronzeugenstatus gemäß § 11 Abs 3 Wettbewerbsgesetz eingebracht. Es sei zu erwarten, dass eine Hausdurchsuchung Dokumente zu Tage fördere, die den Verdacht eines kartellrechtswidrigen Boykottbeschlusses untermauerten und Kontakte der Mitbewerber außerhalb der Verbandssitzungen durch Schriftwechsel oder interne Dokumente über die Nichtbelieferung der Cash & Carry-Märkte nachweisen ließen.
Außerdem gebe es starke Indizien für wettbewerbswidrige Preisbindungen und Wiederverkaufsbeschränkungen von Vertriebspartnern durch die Brauereien. Der Kronzeuge habe eingeräumt, dass die konkreten Verkaufspreise vorgegeben worden seien. Es bestehe daher die Vermutung, dass sich bei den Antragsgegnerinnen Geschäftsunterlagen mit diesem Bezug befänden. Die betroffenen Unternehmen seien durch Kontaktaufnahme der Bundeswettbewerbsbehörde von der Untersuchung informiert, weshalb die Gefahr bestehe, dass an einer Verschleierung gearbeitet werde.
Das Erstgericht erließ mit dem angefochtenen Beschluss die Hausdurchsuchungsbefehle antragsgemäß. Die Bundeswettbewerbsbehörde habe durch Vorlage von Urkunden den begründeten Verdacht eines schwerwiegenden Wettbewerbsverstoßes bescheinigt. Es sei dem Ergebnisprotokoll der ordentlichen Vollversammlung der Brauereien Österreichs vom 22. 6. 1999, an der auch ein Vertreter der Antragsgegnerinnen teilgenommen habe, zu entnehmen, dass im Lenkungsausschuss, dem ebenfalls ein Vertreter der Antragsgegnerinnen angehört habe, ein einheitlicher „Branchenstandpunkt“ über die Nichtbelieferung von Lebensmitteleinzelhändlern und Cash & Carry-Märkten thematisiert worden sei. Im Ergebnisprotokoll der Sitzung des Lenkungsausschusses vom 30. 11. 2000 sei festgehalten, dass der Beschluss des Verbandes, keine Fassbierlieferung an den Handel vorzunehmen, erneuert werde. Auch im Protokoll der Sitzung des Lenkungsausschusses vom 14. 5. 2001 werde auf diesen Verbandsbeschluss verwiesen. Aus einer Gesprächsnotiz vom 9. 11. 2009 ergebe sich, dass die Antragsgegnerinnen auch noch im Jahr 2009 grundsätzlich (also unabhängig von angebotenen Konditionen) nicht bereit gewesen seien, Cash & Carry-Händler mit Fassbier zu beliefern. Schließlich habe ein führendes Brauereiunternehmen diesbezüglich einen Kronzeugenantrag eingebracht und angegeben, den Beschluss noch im Jahr 2010 befolgt zu haben. Es bestehe somit der für die Anordnung einer Hausdurchsuchung notwendige begründete Verdacht des behaupteten Lieferboykotts.
Weiters ergebe sich aus den vorgelegten Protokollen der begründete Verdacht, dass im Vertriebssystem der führenden österreichischen Brauereien, darunter auch der Antragsgegnerinnen, verbotene Preisbindungen der zweiten Hand und Wiederverkaufsbeschränkungen gehandhabt würden. Die Bundeswettbewerbsbehörde habe in dieser Sache bereits Auskunftsverlangen versandt, die nur in einem Fall zur Kooperation eines Unternehmens geführt hätten. Aus Zeugenaussagen sei bekannt, dass Brauereien gegenüber Abnehmern in der Vertriebskette keine schriftlichen Dokumente aus der Hand gäben. Aussagebereite Zeugen innerhalb der jeweiligen Vertriebssysteme seien nicht zu finden, wohl auch weil die betroffenen Wiederverkäufer von den Absprachen profitierten. Es liege daher der Verdacht nahe, dass sich bei den betroffenen Brauereiunternehmen, darunter auch bei den Antragsgegnerinnen, Geschäftsunterlagen befinden, die die vermuteten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen näher dokumentieren und beweisen könnten. Es sei davon auszugehen, dass diese Beweise ohne die Hausdurchsuchungen nicht erlangt werden könnten, weil die relevanten Schriftstücke beseitigt oder der Wettbewerbsbehörde nicht offengelegt würden. Die Hausdurchsuchungen seien daher sowohl erforderlich als auch angemessen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerinnen mit dem Antrag, die Hausdurchsuchungsbefehle aufzuheben und die Sicherstellung von Unterlagen und Daten für rechtswidrig zu erklären bzw deren Rückstellung anzuordnen.
Die Bundeswettbewerbsbehörde sowie der Bundeskartellanwalt beantragen in ihren Rekursbeantwortungen jeweils, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Eingangs meinen die Rechtsmittelwerberinnen, die angefochtene Anordnung der Hausdurchsuchung enthalte keine Feststellungen, die es zuließen, die Erforderlichkeit der konkreten Ermittlungsmaßnahme und deren Verhältnismäßigkeit zu beurteilen.
§ 12 Abs 1 WettbG ordnet an, dass das Kartellgericht, wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen eines begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen die §§ 1, 5 oder 17 KartG 2005 oder Art 81 oder 82 EG (nunmehr Art 101 und 102 AEUV), eine Hausdurchsuchung anzuordnen hat. Diese Hausdurchsuchung ist nach § 12 Abs 3 WettbG vom Senatsvorsitzenden im Verfahren außer Streitsachen mit Beschluss anzuordnen. Weitere Inhaltserfordernisse werden nicht statuiert. Nach § 39 Abs 3 des subsidiär geltenden Außerstreitgesetzes hat die schriftliche Ausfertigung eines Beschlusses die Anträge der Parteien, die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, die Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung zu enthalten. Dass diese Teile der Begründung voneinander gesondert oder einzeln bezeichnet darzustellen wären, ordnet das Gesetz nicht an. Hier hat das Erstgericht eine derartige Trennung nicht vorgenommen, auf S 4 und 5 der Entscheidung aber insbesondere den Inhalt von Protokollen der Vollversammlung bzw des Lenkungsausschusses der Brauereien Österreichs im Bezug auf Beschränkungen über die Fassbierbelieferung und Verdachtsmomente betreffend das Vetriebssystem festgestellt und damit eine ausreichende Sachverhaltsbasis für die rechtliche Beurteilung geschaffen.
2. Die Rechtsmittelwerberinnen gestehen weiters zwar zu, dass es unter den Ermittlungsinstrumenten, die der BWB nach dem Wettbewerbsgesetz zur Verfügung stehen, kein hierarchisches Verhältnis gibt und der BWB hier eine Wahlmöglichkeit zusteht, sie meinen aber, dass die Androhung bzw Durchführung der Hausdurchsuchung im vorliegenden Fall unverhältnismäßig gewesen sei. Es hätten bereits aussagekräftige Unterlagen des Kronzeugen vorgelegen, und es habe nicht die geringste Veranlassung zur Annahme bestanden, dass die Antragsgegnerinnen die Beantwortung eines förmlichen Auskunftsverlangens verweigern würden. Für die Verschleierung von Unterlagen seien keinerlei Anhaltspunkte vorgelegen. Die Unverhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchung ergebe sich auch daraus, dass die BWB an andere Brauunternehmen Auskunftsverlangen gerichtet und auch gegenüber den Antragsgegnerinnen eine solche Vorgangsweise angekündigt habe. Angesichts der Kooperationsbereitschaft der Antragsgegnerinnen habe für die Hausdurchsuchung keinerlei Grund bestanden. Bei der Hausdurchsuchung im Büro eines Mitarbeiters sei eine Mappe mit der Aufschrift „BWB“ sichergestellt worden, in der Protokolle von Sitzungen des Brauereiverbands enthalten gewesen seien. Die Mappe sei zur Vorbereitung des in Aussicht gestellten Auskunftsverlangens erstellt worden. Dies zeige, dass keine Verdunkelungsabsicht bestanden habe.
Aus den Behauptungen der BWB ergebe sich auch keine maßgebliche Beteiligung der Antragsgegnerinnen an schwerwiegenden kartellrechtlichen Absprachen. Keiner der von den Zeugen konkret angeführten Vorwürfe richte sich direkt gegen die Antragsgegnerinnen. Außerdem hätten die Antragsgegnerinnen beim Gesamtfassbierausstoß in Österreich lediglich einen Marktanteil von etwa 4 %, weshalb von einer maßgeblichen Beteiligung nicht gesprochen werden könne.
Dazu hat das Kartellobergericht erwogen:
3. Das WettbG trifft innerhalb der der Bundeswettbewerbsbehörde zustehenden Ermittlungsbefugnisse keine hierarchische Ordnung. Es ist daher weder die Durchführung eines Auskunftsverlangens noch dessen Ankündigung Voraussetzung für die Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehls. Auskunftsverlangen und Nachprüfung sind zwei voneinander unabhängige Ermittlungsinstrumente zur Sachverhaltsaufklärung (Burrichter in Immenga/Mestmäcker Wettbewerbsrecht EG/Teil 2, Verordnung 1/2003 , Vorbem zu Art 17 bis 22 Rz 20 mwN).
Wenn an Unternehmen Auskunftsverlangen verschickt werden, bedeutet das nicht, dass die Bundeswettbewerbsbehörde diese Erhebungsmaßnahme gegenüber allen des Wettbewerbsverstoßes verdächtigen Unternehmen gleichermaßen anwenden muss. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 WettbG vorliegen, also die Hausdurchsuchung zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist und der begründete Verdacht eines in dieser Bestimmung genannten Kartellverstoßes besteht.
4. Begründet ist ein Verdacht, wie der erkennende Senat bereits in 16 Ok 2/10 ausgesprochen hat, dann, wenn er sich rational nachvollziehbar dartun lässt. Dafür müssen Tatsachen vorliegen, aus denen vertretbar und nachvollziehbar geschlossen werden kann, dass eine Zuwiderhandlung gegen die im Gesetz genannten Wettbewerbsbestimmungen vorliegt.
Hier ergibt sich aus dem vom Erstgericht festgestellten Inhalt der Protokolle der Vollversammlung bzw des Lenkungsausschusses des Verbandes der Brauereien Österreichs ein Verbandsbeschluss, keine Fassbierlieferungen an den Handel vorzunehmen. Damit ist aber ein Lieferboykott und damit der Verdacht einer kartellgesetzwidrigen Absprache nachvollziehbar und vertretbar zumindest in Bezug auf alle Brauereien dargetan, die in den genannten Gremien an den Abstimmungen beteiligt oder auch nur anwesend waren, ohne sich offen dagegen auszusprechen (vgl zur bloßen Anwesenheit EUG T-99/04 , AC-Treuhand AG, Rn 130 mwN).
5. Zum Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit einer Hausdurchsuchung:
Dazu sagt § 12 WettbG nichts Näheres. Die Bestimmung ist weitgehend dem Europäischen Recht, insbesondere Art 20 der Verordnung Nr 1/2003 über die Nachprüfungsrechte der Europäischen Kommission, nachgebildet. Danach muss die konkrete Nachprüfungshandlung zur Erfüllung der durch die Verordnung 1/2003 übertragenen Aufgaben erforderlich sein, also die Prüfung der vermuteten Zuwiderhandlung ermöglichen. Selbst wenn bereits Beweise oder Indizien für Zuwiderhandlungen vorliegen, sind die Behörden berechtigt, zusätzliche Beweise zu erheben und Auskünfte einzuholen, die es ermöglichen, das Ausmaß der Zuwiderhandlung, deren Dauer oder den Kreis der daran beteiligten Unternehmen genauer zu bestimmen (vgl Burrichter in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG/Teil 2, Verordnung 1/2003, Art 20 Rz 8 sowie Art 18 Rz 10).
Grundsätzlich darf auch nach Informationsquellen gesucht werden, die noch nicht bekannt sind (16 Ok 2/10; Miersch in Dalheimer/Feddersen/Miersch, EU-Kartellverfahrensordnung Art 20 Rz 48).
Die Erforderlichkeit ist daher anhand des verfolgten und dem Adressaten bekannt gegebenen Zwecks zu beurteilen. Die Ermittlungen sind aber nicht auf Tatsachen beschränkt, die unmittelbar die Tatbestandsvoraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes betreffen, sondern umfassen auch Informationen über den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, innerhalb dessen der Verfahrensgegenstand beurteilt werden muss (16 Ok 7/06 mwN).
Grundsätzlich steht der Bundeswettbewerbsbehörde neben einer Hausdurchsuchung auch das Ermittlungsinstrument des Auskunftsverlangens nach § 11a WettbG zur Verfügung. Nach Abs 1 Z 2 dieser Bestimmung kann die BWB auch geschäftliche Unterlagen einsehen, prüfen und Abschriften und Auszüge anfertigen. Im Gegensatz zur Hausdurchsuchung, die zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen angeordnet werden kann, ermöglicht § 11a WettbG aber kein Suchen nach erforderlichen Unterlagen, sondern setzt viel mehr voraus, dass die geschäftlichen Unterlagen entweder bereits bekannt sind oder freiwillig zur Verfügung gestellt werden. Zur Erreichung des Zwecks der Aufklärung des begründeten Verdachts einer Beteiligung an einem kartellgesetzwidrigen Verhalten ist eine Hausdurchsuchung daher im Gegensatz zu einem Auskunftsverlangen immer dann geeignet, wenn erst nach zur Aufklärung geeigneten Informationsquellen gesucht werden muss, allenfalls auch, wenn die Vollständigkeit bereits vorhandener Unterlagen überprüft werden muss.
Diese Erforderlichkeit liegt hier vor, weil (insbesondere urkundliche) Quellen über das Abstimmungsverhalten und vor allem über die interne Durchführung der Beschlüsse im Vertrieb nicht vorliegen und sonst nicht beschafft werden können.
6. Zur Verhältnismäßigkeit:
Auch wenn keine Hierarchie unter den Ermittlungsinstrumenten der Wettbewerbsbehörden besteht, ist zu berücksichtigen, dass Hausdurchsuchungen einen schwerwiegenden Eingriff in die Individualsphäre des Betroffenen bilden. Es ist deshalb an das Interesse an der Sachaufklärung durch eine Hausdurchsuchung ein strengerer Maßstab anzulegen als bei Auskunftsverlangen. Im Einzelfall kann sich daher unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eine Einschränkung der Wahlfreiheit ergeben (Burrichter in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG/Teil 2, Verordnung 1/2003, Art 20 Rz 9). Zweckmäßig ist eine Nachprüfung insbesondere dann, wenn aus Sicht der Behörde Verdunkelungsgefahr besteht.
Hier hat die Bundeswettbewerbsbehörde einerseits Absprachen im Sinne eines Lieferboykotts und andererseits deren Umsetzung in der Vertriebskette im Fokus ihrer Erhebungen. Angesichts der sich aus den Protokollen der einschlägigen Sitzungen ergebenden Teilnahme von Vertretern der Antragsgegnerinnen an den entsprechenden Beschlüssen und der weiteren Indizien (behauptetes Preisgefüge und Angebotslage auf dem Markt, Zeugenaussagen betreffend den Vertrieb anderer Beteiligter) lag die Umsetzung der Beschlüsse auch durch die Antragsgegnerinnen nahe, ohne dass die Bundeswettbewerbsbehörde wissen konnte, welche konkreten Unterlagen in diesem Zusammenhang erstellt wurden bzw vorhanden sind. Da bereits ein Antrag auf Zuerkennung des Kronzeugenstatus einging, war auch die Besorgnis grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, dass andere der Beteiligung verdächtige Unternehmen inkriminierende Unterlagen beiseite schaffen könnten und somit Verdunkelungsgefahr bestand.
Wegen der aufgezeigten unterschiedlichen Zielrichtungen und Anwendungsbereiche von Auskunftsverlangen und Hausdurchsuchung ist die von den Rechtsmittelwerberinnen genannte grundsätzliche Bereitschaft zur Erteilung von Auskünften nicht geeignet, die mangelnde Verhältnismäßigkeit einer Hausdurchsuchung aufzuzeigen.
Auch wenn sich im Rahmen der Hausdurchsuchung herausgestellt haben sollte, dass bei den Antragsgegnerinnen bereits Vorbereitungen zur Beantwortung eines Auskunftsersuchens getroffen wurden, spricht dieser Umstand schon deshalb nicht gegen die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Hausdurchsuchung, weil diese ex ante zu beurteilen ist.
Eine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme ist daher nicht ersichtlich.
7. Die Rechtsmittelwerberinnen meinen weiters, dass das Bescheinigungsvorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde unzulänglich gewesen sei. Aus den vorhandenen Zeugenaussagen ergebe sich lediglich die Beteiligung anderer Brauereiunternehmen, die Antragsgegnerinnen kämen dagegen in diesen Aussagen nicht vor. Mit pauschalen Vermutungen könne aber die Notwendigkeit einer Hausdurchsuchung gerade bei den Antragsgegnerinnen nicht dargetan werden.
Abgesehen davon, dass sich Hausdurchsuchungen nicht nur gegen die eines kartellrechtlichen Verstoßes verdächtigen Unternehmen, sondern auch gegen Dritte richten können, bei denen entsprechende Unterlagen iSd § 12 WettbG aufgefunden werden könnten (Burrichter in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG/Teil 2, Verordnung 1/2003 , Vorbem zu Art 17 bis 22 Rz 13, Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht Rz 542), ergibt sich hier, wie in Pkt 6 dargelegt, ohnehin ein ausreichend begründeter Verdacht auch wenn keine Zeugenaussagen über die konkrete Umsetzung der Verbandsbeschlüsse auch durch die Antragsgegnerinnen vorliegen. Ansonsten würde der Sinn von Hausdurchsuchungen, die, wie dargelegt, insbesondere auch auf unbekannte Informationsquellen abzielen können, in Frage gestellt und die Wirksamkeit und die Effektivität des Kartellrechtsschutzes unterminiert werden.
8. Die Rechtsmittelwerberinnen vertreten die Ansicht, dass von den zu untersuchenden Vorwürfen nur die das Brauereigeschäft betreibende Gesellschaft ihres Konzerns betroffen sein könne. Deren Muttergesellschaft sei dagegen eine reine Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft, der neben den Brauereiunternehmen noch sechs andere Tochtergesellschaften untergeordnet seien, die mit dem Geschäftsbereich der Herstellung und des Vertriebs von Fassbier keinen Zusammenhang hätten. Auch wenn im Rahmen der internen Aufteilung der Abteilungen jene für EDV und Recht für den Gesamtkonzern bei der Muttergesellschaft angesiedelt seien und insoweit ein gewisser Konnex mit dem von den Vorwürfen ausschließlich betroffenen Brauereibereich bestehe, werde dies im Hausdurchsuchungsbefehl nicht thematisiert. Insofern bestehe kein ausreichender Anfangsverdacht. Dies gelte noch mehr für die Zweitantragsgegnerin, die eine reine Beteiligungsgesellschaft sei und keinerlei operative Tätigkeit ausübe und zum Untersuchungsgegenstand keinerlei Bezug aufweise. Die Brauereigesellschaft sei eine von sieben Enkelgesellschaften dieser Holdinggesellschaft.
9. Dass der Adressat des Hausdurchsuchungsbefehls an der kartellrechtswidrigen Absprache selbst beteiligt ist oder - wie die Rechtsmittelwerberinnen unter Hinweis auf ihren einschlägigen Marktanteil behaupten - sogar maßgeblich beteiligt sein müsste, ist aber keine Voraussetzung für eine Hausdurchsuchung.
Die Rekurswerberinnen verweisen selbst darauf, dass für Brauereigesellschaft und Muttergesellschaft gemeinsame Abteilungen für EDV und insbesondere für Recht bestehen und daher ein Konnex unleugbar ist. Bedenkt man weiters, dass die Muttergesellschaft und die Holdinggesellschaft denselben Geschäftssitz haben und daher zumindest eine räumliche Nahebeziehung gegeben ist, ist es naheliegend und zweckmäßig, den Hausdurchsuchungsbefehl auf den Gesamtgebäudekomplex auszudehnen und nicht auf Teile davon zu beschränken. Ansonsten könnten bei der Durchführung der Hausdurchsuchung einerseits willkürlich und unüberprüfbar bestimmte Räume den einzelnen Gesellschaften zugeordnet werden. Andererseits würde die Gefahr einer raschen Verbringung von inkriminierendem Material innerhalb des Gebäudekomplexes in die Räume einer nicht vom Durchsuchungsbefehl betroffenen Gesellschaft bestehen.
Auch ist der Gegenstand der Hausdurchsuchung im angefochtenen Beschluss präzise auf den Verdacht der Boykottabsprachen bei der (Nicht-)Belieferung von Cash & Carry-Märkten mit Fassbier und damit in Zusammenhang stehende verbotene Preisbindungen im Vertriebssystem der Brauerei eingegrenzt, sodass ohnehin allfällige, zu diesem Untersuchungsgegenstand gehörige Unterlagen der Zweit- und Drittantragsgegnerinnen in das Verfahren einbezogen werden können.
10. Das weitere Vorbringen, wonach im Rahmen der durchgeführten Hausdurchsuchung auch Unterlagen anderer Konzerngesellschaften sichergestellt worden seien, ist kein Umstand, der im Rahmen der Überprüfung der Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls zu beurteilen wäre.
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