OGH 16Ok1/18k (RS0132207)

OGH16Ok1/18k12.7.2018

Rechtssatz

Nach neuerer Rechtsprechung ist im Kartellverfahren eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht, weil kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können.

Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen ist es ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante ‑ sei sie auch noch so geringfügig ‑ eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrag aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest“ zu fassen. Dem Verpflichteten kann daher nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Gegenstand des Abstellungsauftrags so unbestimmt gefasst wäre, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert wird, die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind.

Normen

KartG §26

16 Ok 1/18kOGH12.07.2018

Veröff: SZ 2018/55

16 Ok 4/20dOGH17.02.2021

Beisatz: Hier: Liegt ein abzustellender Missbrauch vor, hat die Abstellung unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich unter dem Aspekt des Eigentumsrechtes geschützten Dispositionsbefugnis der Parteien so zu erfolgen, dass jene Effekte ausgeschaltet werden, die die Maßnahme als missbräuchlich erscheinen lassen. Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag hat sich daher gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Art und Umfang der Abstellungsverfügung bestimmen sich nach dem Marktverhalten, das als Missbrauch marktbeherrschender Stellung qualifiziert wurde. Eingriffe in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit sind auf das zur Erreichung des Normzwecks unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Dazu werden in den meisten Fällen Unterlassungsgebote ausreichen. Auch bei diesen muss die Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß § 355 EO exekutiv geahndet werden kann.<br/>Vergleichbar der Fassung von Unterlassungstiteln im Fall einer Verletzung von Eigentum und Besitz (vgl RS0010566) ist auch bei marktmissbräuchlichem Verhalten kein Handlungsverbot, sondern ein "Erfolgsverbot" zu erlassen. Bei Erfolgseintritt wird nach § 355 EO vollstreckt, um den Verpflichteten zu einem Handeln zu zwingen, das bewirken soll, dass das verbotene Verhalten verhindert wird, wobei die Art, wie dies zu geschehen hat, dem Verpflichteten überlassen bleibt. (T1)

Dokumentnummer

JJR_20180712_OGH0002_0160OK00001_18K0000_007

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