European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00094.23X.1108.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch I./ zugrunde liegenden Tat nach § 143 Abs 1 erster Fall StGB, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.
Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft darauf verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch an den Privatbeteiligten kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (I./) sowie des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 15. Dezember 2022 in W*
I./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) anderer, im Urteil namentlich genannter Mitglieder dieser Vereinigung unter Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einem anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, nämlich * B* Bargeld in Höhe von 45.000 Euro, indem sie sich zu dritt – mit einer Sturmhaube maskiert – gewaltsam Zugang zu dessen Einfamilienhaus verschafften, das Opfer an Händen und Füßen fesselten, zwei der Täter das Haus nach Bargeld durchsuchten, während einer – mit einem Küchenbeil in Händen – bei B* verblieb und ihn wiederholt aufforderte zu sagen, wo sich Geld und Gold befinden;
II./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei namentlich genannten Mittätern B* widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie ihn nach der zu I./ beschriebenen Tat gefesselt zurückließen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände), nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen, und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel – bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweis-werterwägungen – verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
[5] Indem die Rüge jene Erwägungen des Erstgerichts ausklammert, die die Annahme der Mittäterschaft des Angeklagten maßgeblich (auch) auf die Ergebnisse der Rufdatenrückerfassung samt Standortteilung stützen (US 5), verfehlt sie die prozessförmige Ausrichtung.
[6] Soweit sie ferner versucht, seine Tatbeteiligung unter Hinweis auf die leugnende Verantwortung zu seiner Anwesenheit am Tatort, fehlende Spuren von ihm im Wohnhaus des Opfers, dessen Angaben lediglich zur Anzahl und nicht zur Identität der Täter sowie Deponate eines Zeugen zur Anzahl der Personen im Fluchtfahrzeug auf Basis eigener Beweiswerterwägungen in Frage zu stellen, weckt die Tatsachenrüge keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[8] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von dem Urteil anhaftender, nicht geltend gemachter materiell‑rechtlicher, Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).
[9] Das Urteil enthält keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die Subsumtion der vom Schuldspruch I./ erfassten Tat unter die Qualifikation des § 143 Abs 1 erster Fall StGB.
[10] Die rechtliche Annahme der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung setzt Konstatierungen zu sämtlichen der in § 278 Abs 2 StGB genannten Vereinigungsmerkmalen voraus, nämlich zu einem auf längere Zeit angelegten – somit jedenfalls auf mehrere Wochen ausgerichteten (RIS‑Justiz RS0119848, RS0125232) – Zusammenschluss (im Sinn einer zumindest konkludenten Willenseinigung) von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung – soweit hier relevant – ein oder mehrere Raubüberfälle ausgeführt werden (Eder‑Rieder in WK2 StGB § 143 Rz 4).
[11] Die Unterstellung unter die – zur Begehung eines Raubes unter Verwendung einer Waffe nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB kumulativ verwirklichbare (RIS‑Justiz RS0133640) – Qualifikation des § 143 Abs 1 erster Fall StGB erfordert daher auch Feststellungen zur zeitlichen Komponente der Vereinigung.
[12] Nach den Urteilskonstatierungen schloss sich der Angeklagte – anlässlich der Auskundschaftung des Wohnhauses des in Aussicht genommenen Opfers – am Abend des 14. Dezember 2022 mit zwei Mittätern zusammen, um „auf längere Zeit mehrere Verbrechen und Gewalttaten gegen Leib und Leben“ zu verüben. Die Tatausführung erfolgte gegen 3:00 Uhr am 15. Dezember 2022 (US 3), somit nur wenige Stunden nach dem angenommenen Zeitpunkt des Zusammenschlusses. In subjektiver Hinsicht konstatierten die Tatrichter, dass der Angeklagte und die Mittäter in der Absicht handelten, „hier als kriminelle Vereinigung tätig zu werden“ (US 4).
[13] Diesen Urteilskonstatierungen kann angesichts bloß einer Tatausführung an einem einzigen Tag keine Aussage zur zeitlichen Komponente des Zusammenschlusses entnommen werden. Vielmehr lässt die bloß zirkuläre Verwendung der verba legalia – unbeschadet der in Aussicht genommenen Begehung mehrerer Taten (US 3) – den gebotenen Sachverhaltsbezug vermissen.
[14] Dieser Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) gereicht dem Angeklagten zum Nachteil, weil die zweifache Qualifikation beim Raub erschwerend gewertet wurde (US 7, vgl RIS‑Justiz RS0113957; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 23) und erfordert – gleichfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch I./ zugrunde liegenden Tat (auch) unter § 143 Abs 1 erster Fall StGB, demzufolge auch des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie die Verweisung der Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e StPO).
[15] Darauf war der Angeklagte mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ebenso zu verweisen wie die Staatsanwaltschaft.
[16] Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch an den Privatbeteiligten kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie bezieht sich nicht auf die amtswegige Maßnahme (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12).
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