OGH 15Os85/97 (15Os86/97)

OGH15Os85/97 (15Os86/97)28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.August 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Friedrich K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz, zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Korneuburg vom 24.April 1997, GZ 11 Vr 874/95-89, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemäß § 494 a StPO zugleich mit diesem Urteil ergangenen (Widerrufs-)Beschluß nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Schäfer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen sowie der Beschwerde des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Friedrich K***** (im zweiten Rechtsgang neuerlich) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 11.Dezember 1995 in Ollersdorf mit Gewalt gegen eine Person, und zwar durch Zufügung von insgesamt 21 (im Urteilsspruch näher beschriebenen) Stich- und Schnittwunden mit einem ca 24,5 cm langen Jagdmesser, Ing.Walter W***** unter Verwendung einer Waffe eine fremde bewegliche Sache, nämlich 968,80 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Die Geschworenen hatten die Hauptfrage in Richtung des schweren Raubes bejaht und demzufolge die für den Fall der Verneinung gestellte Eventualfrage in Richtung Nötigung unbeantwortet gelassen.

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Fragestellungsrüge (Z 6) verkennt das Wesen einer Eventualfrage, welche auf eine strafbare Handlung gerichtet und im Falle ihrer Bejahung als Grundlage für einen Schuldspruch geeignet sein muß (Mayerhofer StPO4 § 314 ENr 1). Somit wäre die geforderte Eventualfragestellung darüber, ob sich der Angkelagte in einem bestimmten Tatbildirrtum befunden hat, gesetzlich gar nicht zulässig gewesen. Im übrigen waren - entgegen dem Beschwerdestandpunkt - die Geschworenen sehr wohl in die Lage versetzt worden, durch Verneinung der Hauptfrage nach Raub und Bejahung der Eventualfrage nach Nötigungshandlungen eine Geschehnisvariante festzustellen, wonach der Angeklagte irrtümlich eine in Wahrheit nicht bestehende Forderung hätte durchsetzen wollen (Mayerhofer aaO § 313 ENr 5).

Auch die Instruktionsrüge (Z 8) geht ins Leere, weil die Bedeutung eines (allfälligen) Irrtums des Täters über eine (vermeintliche) Anspruchsberechtigung der Sache nach ohnedies im Rahmen der Rechtsbelehrung zur Eventualfrage erörtert wurde (vgl S 8 oben der Rechtsbelehrung: "um zB einen tasächlich bestehenden oder auch nur vermeintlichen Rechtsanspruch durchzusetzen").

Die zitierte beispielhafte Erläuterung widerlegt den weiteren Beschwerdeeinwand, daß die Rechtsbelehrung über den im Anlaßfall aktuellen Unterschied zwischen Raub und Nötigung für Laien nicht verständlich war. Ebensowenig zutreffend ist der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, die Bedeutung der verwendeten Begriffe "Unrechtmäßigkeit" und "Rechtswidrigkeit" sei für die Geschworenen nicht richtig erfaßbar gewesen. In den betreffenden Passagen der Instruktion wurden die Ausdrücke im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs verwendet, weshalb es näherer Erörterungen nicht bedurfte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten - unter Einbeziehung des bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruches wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB, der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z 1 und Z 2 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB - nach § 75 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Jahren.

Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die einschlägige Vorstrafe und die besonders grausame Handlungsweise (21 Stich- und Schnittwunden); als mildernd, daß es beim Verbrechen des Mordes beim Versuch geblieben ist, die teilweise objektive Schadensgutmachung hinsichtlich des geraubten Bargelds, das teilweise abgelegte reumütige Geständnis und eigene schwere Verletzung.

Weiters faßte es gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluß auf Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Oktober 1994 zum AZ 5 d E Vr 1711/94, Hv 1087/94 gewährten bedingten Strafnachsicht einer wegen Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2 Z 4, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung verhängten neunmonatigen Freiheitsstrafe.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, mit der Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß das Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht; die Staatsanwaltschaft hingegen begehrt mit ihrer Berufung die Erhöhung der Freiheitsstrafe.

Beide Berufungen sind nicht im Recht.

Der Angeklagte vermag in seiner Berufung keine zusätzlichen Umstände mildernder Natur darzulegen.

Entgegen seinem Vorbringen stellt die Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt keinen Milderungsgrund dar, wußte er doch auf Grund seines Verhaltens anläßlich einer früheren (einschlägigen) Tat im alkoholisierten Zustand um die Folgen des Konsums berauschender Mittel. Eine Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit wird demnach durch den Vorwurf des Alkoholkonsums aufgewogen (§ 35 StGB). Weiters bietet die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Angeklagte "gesellschaftlich desintegriert" gewesen wäre, denn er konnte in der Wohnung eines Freundes wohnen und hatte durchgehend seinen Lebensunterhalt - wenn auch mit "Schwarz"-Arbeiten - verdient (53/I).

Das - zumindest teilweise abgelegte - Geständnis wurde vom Geschworenengericht zu Recht als mildernd gewertet. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Staatsanwaltschaft, wonach die Alkoholisierung noch zusätzlich als erschwerend zu werten wäre. Das Wissen des Angeklagten um seine erhöhte Neigung zur Delinquenz nach Alkoholmißbrauch schließt nur den Milderungsumstand nach § 35 StGB aus, die Alkoholisierung stellt jedoch in der Regel keinen Erschwerungsgrund dar (SSt 56/20).

Nach dem Gesagten bedürfen mithin die tatrichterlichen, die Strafbemessung betreffenden Kon- statierungen keiner nennenswerten Korrektur. Davon ausgehend erweist sich aber auch unter richtiger Wertung des überdurchschnittlich hohen Schuld- und Unrechtsgehaltes der Tat (Fesselung und Knebelung eines siebenjährigen Kindes, 21 Messerstiche gegen den herbeieilenden Vater des Kindes, die zum Herzstillstand führten, wobei nur das sofortige Einschreiten eines in der Nachbarschaft wohnenden Arztes den Todeseintritt verhinderte) die geschöpfte Unrechtsfolge als nicht korrekturbedürftig.

Der Widerruf der dem Angeklagten im Verfahren zum AZ 5 d E Vr 1711/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht war weiters, wie das Geschworenengericht zutreffend erkannt hat, zusätzlich zu seiner nunmehr neuerlichen Verurteilung erforderlich, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB), weil die Aufrechterhaltung der bloßen Androhung des Vollzuges jener wegen mehrerer Vermögensdelikte verhängten Strafe trotz schwerster abermaliger - auch einschlägiger - Delinquenz innerhalb der Probezeit in der Tat nicht geeignet erscheint, die damit anzustrebende spezialpräventive Effizienz zu entfalten.

Der Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerruf mußte daher ebenfalls ein Erfolg versagt bleiben.

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