Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard L***** wird zur Gänze, jener des Angeklagten Werner L***** teilweise Folge gegeben; es wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen beider Angeklagten wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Faktum I) und des Werner L***** wegen des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (Faktum II) sowie in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen (Fakten III und IV) wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner L***** zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf den kassatorischen Teil der Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Werner L***** die durch den erfolglosen Teil seines Rechtsmittels verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Teilfreispruch des Werner L***** enthaltenden Urteil wurden die Angeklagten Werner L***** und Gerhard L***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Faktum I), weiters Werner L***** der Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (Faktum II.), der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (Faktum III.) und der "teils schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB" (Faktum IV.) schuldig erkannt.
Danach haben sie
I. Werner L***** und Gerhard L***** im Sommer 1996 in Enns als Beteiligte (§ 12 StGB) die am 11.März 1991, sohin unmündige Natascha H***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem sie dem Kind den Stiel eines Bartwisches in die Scheide einführten, wodurch es defloriert wurde;
II. Werner L***** im Sommer 1996 in Enns durch die zu I geschilderte Tathandlung unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht mißbraucht;
III. Werner L***** im Sommer 1989 in Enns außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er die neben ihm auf einer Couch sitzende Elke S***** umstieß, sodaß diese auf der Couch zu liegen kam, sie mit seinem Körpergewicht niederhielt und ihr auf die Brüste und den Geschlechtsbereich griff, wobei die Tatvollendung aufgrund deren Gegenwehr unterblieb;
IV. Werner L***** in Enns die Adelheid H***** vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
1. am 18.Juni 1989 in Enns durch Verdrehen der rechten Hand, wodurch diese einen Ellenbruch, sohin eine schwere Verletzung erlitt,
2. am 24.August 1991 durch Versetzen eines Stoßes, wodurch diese zu Sturz kam und eine Zerrung des rechten Kniegelenkbandes erlitt,
3. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des Jahres 1992 durch Versetzen von Faustschlägen, wodurch diese eine Blutunterlaufung im Bereich des linken Auges sowie Kratzwunden und Schwellungen an der linken Wange erlitt.
Die Angeklagten bekämpfen ihre Schuldsprüche mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die auf die Z 3, 4, 5 und 5 a (Werner L*****) bzw 3, 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 (Gerhard L*****) des § 281 Abs 1 StPO gestützt werden. Gegen die Straufaussprüche wenden sie sich mit Berufungen, die von Gerhard L***** bloß angemeldet, jedoch nicht ausgeführt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten
Werner L***** betreffend die Fakten III. und IV.:
Der Rechtsmittelantrag dieses Angeklagten richtet sich gegen den gesamten Schuldspruch ("... das angefochtene Urteil aufheben und einen Freispruch fällen ..."), somit auch den gegen die Schuldspruchfakten III. und IV. Die Beschwerde enthält indes zu diesen keine Ausführungen, sodaß es ihr an der vom Gesetz vorausgesetzten deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeitsgründen mangelt; sie läßt auch ausdrückliche oder doch durch deutliche Hinweisung angeführte Tatumstände vermissen, die Nichtigkeitsgründe bilden sollen, weshalb sie in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen war (§§ 285 Abs 1 Z 1 iVm 285 a Z 2 StPO).
Der Vollständigkeit halber sei zu IV. bemerkt, daß der die einzelnen Angriffe 1. bis 3. zusammenfassende Schuldspruch wegen "des Vergehens der teils schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB" insoweit verfehlt ist, als § 83 mit §§ 83, 84 Abs 1 StGB konkurriert, wenn der Täter verschiedene selbständige Taten teils mit leichtem, teils mit schwerem Verletzungserfolg begangen hat. Daß die Qualifikationsnorm des § 84 StGB - mangels einer dem § 29 entsprechenden Vorschrift - nur auf jene Tat(en) angewendet werden darf, bei welcher die Qualifi- kationsmerkmale erfüllt sind, hat das Erstgericht allerdings im Ergebnis ("teils schweren") erkannt. Aus diesem Grunde hat sich der Fehler auch nicht zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt, sodaß sich ein Vorgang nach § 290 StPO erübrigt.
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten
zu Faktum I. und des Angeklagten Werner L*****
zu Faktum II.:
Beide Beschwerden behaupten einen nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO Nichtigkeit begründenden Verfahrensmangel durch die gegen den Widerspruch beider Verteidiger vorgenommene Abspielung des Videobandes über die im Vorverfahren (unter Beteiligung der Verfahrensparteien gemäß § 162 a StPO) abgelegten Aussage der Zeugin Natascha H***** (S 78/III). Sie sind damit im Recht.
Gemäß § 252 Abs 1 StPO dürfen bei sonstiger Nichtigkeit (ua)
gerichtliche Protokolle über die Vernehmung von Zeugen sowie
technische Aufzeichnungen über die Vernehmung von Zeugen (§ 162 a)
bei sonstiger Nichtigkeit (ua) nur dann verlesen oder vorgeführt
werden, wenn Z 1 ... das Erscheinen wegen ihres Alters ... oder aus
anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden
konnte ... Z 2 a, wenn Zeugen die Aussage berechtigt verweigern (§
152) und die Parteien Gelegenheit hatten, sich in einer gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen (§§ 162 a, 247).
Nach dem Akteninhalt sind Anhaltspunkte im Sinne der Z 1 leg cit nicht gegeben; selbst das erkennende Gericht hatte die Vorladung der in Linz wohnenden Natascha H***** zur Hauptverhandlung vom 19.Februar 1997 verfügt (S 3 j vs/I) und nahm in der Hauptverhandlung vom 11. März 1997 eine Ausscheidung des Verfahrens gegen die Mitangeklagte Manuela L***** "zur neuerlichen Ladung der Natascha H*****" vor (S 78/III); schließlich liegt auch die Voraussetzung nach Z 2 a leg cit nicht vor, weil die Zeugin nicht persönlich die Aussage (berechtigt) verweigert hat. Denn das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 StPO ist ein höchstpersönliches, über das primär nur die dort genannten Personen verfügen können. Dispositionen über das Entschlagungsrecht durch andere kennt die Strafprozeßordnung nämlich nur im Zusammenhang mit der Wahrung des Amtsgeheimnisses (§ 151 Z 2 StPO). Der Erklärung der Mutter der Zeugin Natascha H***** als deren Erziehungsberechtigte in der Hauptverhandlung vom 19.Februar 1997, daß sie nicht wolle, daß ihre Tochter neuerlich vom Gericht bzw den Parteien befragt werde (S 499/II), kommt somit keine Relevanz zu (s. auch Mayerhofer StPO4 § 152 E 8 a; 13 Os 195/95; 13 Os 110,111/96).
Die Vorführung der Aufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Natascha H***** war daher prozeßordnungswidrig. Sie hat sich ersichtlich auch zum Nachteil beider Angeklagten ausgewirkt, weil das Schöffengericht die Schuldsprüche zu Faktum I und Faktum II ua hierauf stützte. Schon aus diesem Grund ist deren Aufhebung (einschließlich der Strafaussprüche) und insoweit die Anordnung der Verfahrenserneuerung unumgänglich, sodaß sich ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen der Beschwerde des Angeklagten Werner L***** zum Nichtigkeitsgrund nach Z 3 und zu den von beiden Angeklagten weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe erübrigt.
Im aufgezeigten Umfang war das angefochtene Urteil daher schon - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - ebenfalls bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285 e StPO), demgemäß auch die Angeklagten mit ihren Berufungen auf die (teils) kassatorische Entscheidung hinzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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