OGH 15Os72/22k

OGH15Os72/22k5.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 13. April 2022, GZ 22 Hv 43/21w‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00072.22K.1205.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 1. Oktober 2020 in L* * A* gefährlich mit einer Verletzung ihrer Ehre sowie ihres höchstpersönlichen Lebensbereichs durch telefonische und durch Übermittlung einer Textmitteilung erfolgte Ankündigung des Veröffentlichens von Bildaufnahmen, nämlich von heimlich angefertigten „intimen“ Fotos oder Videos betreffend ihr Privat‑ und Sexualleben bedroht, um sie hiedurch, außer den Fällen des § 201 StGB, zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen, wobei es aufgrund ihrer Weigerung beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5a und Z 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

[4] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seine Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[5] Das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a) beschränkt sich darauf, den Beweiswerterwägungen des Schöffengerichts eigene Auffassungen betreffend die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeuginnen * A* und * I* entgegenzusetzen und darauf zu verweisen, dass die Datenauswertung des sichergestellten Mobiltelefons des Angeklagten keine Nacktaufnahme der Zeugin A* ergab. Damit wird der Anfechtungsrahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes verlassen und bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.

[6] Weshalb es für den Schuldspruch darauf ankommen sollte, ob der Angeklagte tatsächlich „intime“ Videos und Fotos der Zeugin A* angefertigt und auf einem Datenträger gespeichert hat, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar (vgl RIS‑Justiz RS0092132).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[8] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken, dass – worauf auch die Generalprokuratur hinweist – der konstatierte Bedeutungsinhalt der Äußerungen des Angeklagten zwar nicht die rechtliche Annahme einer Drohung mit einer Verletzung an der Ehre iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB zu tragen vermag, sehr wohl aber eine solche mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen im Sinn der genannten Bestimmung.

[9] Als Verletzung an der Ehre iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB ist jede Verminderung des Ansehens und der Achtung einer Person in den Augen der für sie maßgeblichen Umwelt zu verstehen (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 31; Rami in WK2 StGB Vor §§ 111–117 Rz 6; RIS‑Justiz RS0092487, RS0092529).

[10] Die Behauptung des Bestehens einer partnerschaftlichen Beziehung oder der Vornahme sexueller Handlungen unter Erwachsenen für sich allein betrachtet stellt keine Verletzung der Ehre dar (vgl RIS‑Justiz RS0129288), mögen diese Umstände auch im unmittelbaren sozialen Umfeld einer Person als unerwünscht eingestuft werden.

[11] Allerdings stellen die Offenbarung derartiger persönlicher Lebensumstände wie das Eingehen oder der Abbruch einer Partnerschaft oder sexuellen Beziehung oder Mitteilungen über das Sexualverhalten einer Person grundsätzlich Eingriffe in deren höchstpersönlichen Lebensbereich dar (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 32/1; Rami in WK2 MedienG § 7 Rz 4; RIS‑Justiz RS0129288).

[12] Die Ankündigung der Veröffentlichung bislang privat gebliebener Fotos und Videos aus der Beziehung des * R* mit * A* und die Bekanntgabe des zurückliegenden Bestehens einer partnerschaftlichen (geschlechtlichen) Beziehung zwischen den Genannten in sozialen Netzwerken sowie gegenüber Familienangehörigen der * A* stellt somit zwar eine Drohung mit einer Verletzung deren höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Veröffentlichen und Bekanntgabe der angeführten Informationen und Bildaufnahmen dar, nicht jedoch auch eine solche mit einer Ehrverletzung.

[13] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte