OGH 15Os70/89

OGH15Os70/891.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Otto S*** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. März 1989, GZ 2 d Vr 13321/84-77, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Otto S*** wurde des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Nachgenannten durch Vorlage einer von der Annahmestelle 11175 mit einer Stampiglie versehenen Wettscheinkopie der 3. Sporttotorunde vom 13., 14. und 15.Jänner 1984, in der ein nicht in Einklang mit den Wettbewerbsbedingungen zustande gekommener Treffer im 1. Rang ("Zwölfer") eingetragen war, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer verfälschten Urkunde, am 23.Jänner 1984 Angestellte der Ö*** G***, am 1. März 1984 die Inhaberin der Toto-Annahmestelle Nr. 11175, Herta B***, zur Auszahlung der Gewinnsumme von 676.035 S sowie am 12. Juni 1984 durch Einbringung einer Klage gegen Herta B*** vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien den zuständigen Richter im Verfahren 4 Cg 168/84 zum Zuspruch des genannten Geldbetrages, sohin zu Handlungen zu verleiten versucht, welche die Ö*** G*** bzw. den Versicherer der Herta B***, die V*** DER Ö***

B***, VersicherungsAG, mit dem angeführten, 500.000 S übersteigenden Betrag in ihrem Vermögen schädigen sollte. Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit. a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Schon der Verfahrensrüge (Z 4) kommt - soweit sie die Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Nichtzulassung des Sachverständigen UnivProf. Dr. Roland G***

rügt - Berechtigung zu.

Aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Akt 4 Cg 168/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien und aus ON 9 des gegenständlichen Strafaktes ergibt sich, daß von UnivProf. Dr. Roland G*** im Auftrag der Ö***

G*** ein Privatgutachten darüber erstattet

wurde, ob auf der vom Angeklagten zum 3. Wettbewerb des Sporttotos vom 13., 14. und 15.Jänner 1984 eingereichten Kopie des Wettscheins Nr. 14,056.739 die beiden letzten Tipkolonnen nachträglich eingetragen wurden. Dieser Auftrag erfolgte im Einvernehmen mit der V*** DER Ö*** B***,

Versicherungs-Aktiengesellschaft, als Haftpflichtversicherung der Toto-Annahmestelle (S 8 des genannten Cg-Aktes).

Aus diesem Grund erhob der Angeklagte schon mit Schriftsatz vom 3. Oktober 1985 "erhebliche Einwendungen" gemäß § 120 StPO gegen die Person des Sachverständigen UnivProf. Dr. Roland G*** (ON 28); dieser Antrag wurde mit Schriftsatz vom 24.April 1986 wiederholt (ON 33).

Ungeachtet dessen wurde der genannte Sachverständige zu den Hauptverhandlungen am 7.September 1988 und 15.März 1989 vorgeladen. In der letztgenannten Hauptverhandlung - noch vor der Gutachtenserstattung - sprach sich der Verteidiger erneut gegen die Person des Sachverständigen aus (S 51/II).

Diesen Antrag wies das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO mit der Begründung ab, daß die Strafprozeßordnung nicht verbiete, daß ein Sachverständiger, der ein Privatgutachten verfaßt hat, auch vom Gericht als Sachverständiger herangezogen wird und daß der Sachverständige seinem Sachverständigeneid verpflichtet sei (S 55 f/II). Sodann erstattete der Sachverständige sein Gutachten "wie in ON 9 und Beiakt ON 45", sohin wie in seinem vorhin genannten Privatgutachten. Dieses Gutachten war nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe (US 12 f, 15) mit eine Stütze für die Urteilsannahme, daß es sich bei der vom Angeklagten vorgelegten Wettscheinkopie 4029, soweit es die Ankreuzung der 7. und 8. Tipkolonne betrifft, um eine Verfälschung handelt. Dem gegenständlichen Strafverfahren hat sich die

V*** DER Ö*** B***,

Versicherungs-AG als Privatbeteiligte angeschlossen; über Antrag des Verteidigers faßte das Schöffengericht den Beschluß, diese Versicherungsgesellschaft als Privatbeteiligte zuzulassen (S 452/I). Bei der gegebenen Sachlage sind die Einwendungen des Angeklagten als erheblich im Sinn des § 120 StPO anzusehen. Die Tatsache, daß der beigezogene Sachverständige in bezug auf die den Gegenstand des Strafverfahrens bildende Urkunde bereits gegen Entgelt ein Privatgutachten für die Privatbeteiligte erstattet hatte, ist nämlich geeignet, den nicht bloß subjektiven Anschein einer Befangenheit des Sachverständigen zu erwecken, der ungeachtet der hohen Fachkunde des Sachverständigen und seiner Integrität beachtlich ist (SSt. 32/45; 9 Os 162/81; 11 Os 148/84; AnwBl. 1989, 439).

Durch die Abweisung der zeitgerecht vorgebrachten Einwendungen im erwähnten Zwischenerkenntnis des Schöffensenates wurden demnach Rechte der Verteidigung im Sinn der gerügten Nichtigkeit verletzt. Unter den aufgezeigten Umständen ist nämlich auch nicht unzweifelhaft erkennbar, daß die in Rede stehende Formverletzung auf die Sachentscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO).

In dieser prozessualen Situation ist es nicht geboten, auf das weiteren Beschwerdevorbringen des Angeklagten einzugehen; der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war vielmehr in nichtöffentlicher Sitzung sofort Folge zu geben, weil sich zeigt, daß eine Verfahrenserneuerung unumgänglich ist. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, daß im Urteilsspruch (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) sowohl die Qualifikation der Benützung einer verfälschten Urkunde im Sinn des § 147 Abs. 1 Z 1 StGB als auch die Versuchseigenschaft der Tat angeführt werden - siehe in dem Zusammenhang EvBl. 1982/10; vgl. allerdings auch die Subsumierung der Tat gemäß § 260 Abs. 1 Z 2 StPO in ON 77, welche die Versuchseigenschaft der Tat unberücksichtigt läßt; diese wird hinwieder in den Entscheidungsgründen sowohl in der Subsumierung der Tat als auch als Strafmilderungsgrund für gegeben angenommen, ebenso im Aktenvermerk ON 78; die Qualifikation nach § 147 Abs. 1 Z 1 StGB wiederum findet in der Subsumierung der Tat in den Entscheidungsgründen und auch im Aktenvermerk ON 78 keinen Niederschlag. Im erneuerten Verfahren wird

auch - erforderlichenfalls - darauf Bedacht zu nehmen sein.

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