European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00062.15D.0826.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Hans L***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 (richtig: Abs 3), 148 zweiter Fall StGB (A./) und des Vergehens (richtig: der Vergehen) nach § 122 Abs 1 Z 1 GmbHG (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** mit Markus R*****, den er als ahnungsloses Werkzeug verwendete, indem er monatliche „MPS‑Berichte“ (sog „Monthly Profit Statements“) betreffend die M***** GmbH an deren Konzernmuttergesellschaften A***** „bzw“ H***** Ltd. übermittelte, in welchen er einzelne Buchhaltungskonten vorschriftswidrig nicht aufnahm, sodass die Verluste bei der M***** GmbH geringer ausgewiesen wurden, als sie tatsächlich waren, und diese „MPS‑Berichte“ in Besprechungen mit Konzernvertretern präsentiert wurden, von Jänner 2006
A./ bis Dezember 2008 mit dem Vorsatz, sich und die Mitarbeiter der M***** GmbH Markus R*****, Ursula B*****, Alain P***** und Jörg Pr***** durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung „schwerer Betrügereien“ eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Beweismittel Verfügungsberechtigte der H***** Ltd. zu Genehmigungen der Auszahlung jährlicher Bonuszahlungen, die auf Grundlage der genannten „MPS‑Berichte“ berechnet wurden, an ihn sowie an die vorgenannten Mitarbeiter verleitet, die die M***** GmbH mit insgesamt 202.682 Euro am Vermögen schädigten, und zwar durch nachstehende überhöhte Auszahlungen:
I./ an Markus R*****
1./ im Jahr 2006 43.800 Euro;
2./ im Jahr 2007 27.572 Euro;
3./ im Jahr 2008 43.553 Euro;
II./ an Mag. Hans L*****
1./ im Jahr 2006 21.610 Euro;
2./ im Jahr 2007 16.869 Euro;
3./ im Jahr 2008 17.518 Euro;
III./ an Ursula B*****
1./ im Jahr 2007 5.836 Euro;
2./ im Jahr 2008 3.984 Euro;
IV./ an Alain P*****
1./ im Jahr 2007 7.750 Euro;
2./ im Jahr 2008 5.068 Euro;
V./ an Jörg Pr***** im Jahr 2008 9.123 Euro;
B./ bis Dezember 2009 als Beauftragter der M***** GmbH in diese betreffenden Darstellungen, die an die Gesellschafter gerichtet sind, die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergegeben, nämlich einen um 34.518.000 Euro zu geringen kumulierten Verlust der M***** GmbH ausgewiesen, und zwar durch Angabe nachstehender Ergebniszahlen („Net Profit After Tax“) anstatt der nachgenannten tatsächlichen Ergebniszahlen:
I./ im Jahr 2006 einen Verlust von 7.230.000 Euro anstatt von 14.223.000 Euro;
II./ im Jahr 2007 einen Verlust von 1.948.000 Euro anstatt von 6.789.000 Euro;
III./ im Jahr 2008 einen Verlust von 16.647.000 Euro anstatt von 26.888.000 Euro;
IV./ im Jahr 2009 einen Verlust von 2.148.000 Euro anstatt von 14.591.000 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der Berechtigung zukommt.
Zutreffend kritisiert die Mängelrüge das Fehlen einer Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Feststellung, dass dem Angeklagten Mag. L***** die nach der Übernahme der M***** GmbH durch die (ihrerseits im Eigentum der H***** Ltd. stehende) A***** geltenden, (auch) im Rahmen der Erstellung der „MPS‑Berichte“ zu beachtenden Konzernrichtlinien bekannt waren (vgl US 11, 14 f, 16, 18, 21 ff, 42 f).
Die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, welche erst in der Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führen, kann aus Z 5 nur dann bekämpft werden, wenn die Tatrichter darin erkennbar eine notwendige Bedingung für Feststellungen hinsichtlich einer entscheidenden Tatsache erblickt haben (vgl RIS‑Justiz
RS0116737; Ratz,WK‑StPO § 281 Rz 410).
Dies trifft fallbezogen zu, denn die zu A./ erfolgte Urteilsannahme vorsätzlicher Täuschung der Konzernleitung ‑ konkret Verfügungsberechtigter der A***** und der H***** Ltd. ‑ über die Richtigkeit und Vollständigkeit der „Monthly Profit Statements“ (US 16 ff) setzt nach Auffassung des Erstgerichts erkennbar voraus, dass dem Angeklagten Mag. L***** die Konzernrichtlinien, soweit sie die „MPS‑Berichte“ determinieren und zumindest in jenen Details, in denen nach den Urteilsannahmen die Berichterstattung des Angeklagten fehlerhaft war, bekannt waren. Diese Kenntnis war für die Tatrichter somit eine notwendige Bedingung dafür, dass der Angeklagte die gegenständlichen Monatsberichte wider besseres Wissen erstellt, dadurch vorsätzlich über den wahren wirtschaftlichen (Miss‑)Erfolg der M***** GmbH getäuscht und davon abhängige Boni für sich und andere Mitarbeiter erschlichen hat.
Dass die Tatrichter in der Sachkenntnis des Angeklagten betreffend diese monatliche Berichterstattung eine notwendige Bedingung für die Annahme der subjektiven Tatseite erblickten, ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, dass sie das konzerninterne Regelwerk mehrfach zur Widerlegung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten herangezogen haben (US 52‑54, 60).
Gleiches gilt für die zu B./ erfolgte Konstatierung vorsätzlich unrichtiger Wiedergabe der Verhältnisse der Gesellschaft in diesen, an die Gesellschafter gerichteten Darstellungen (US 18 f, 44 f), denn auch diesbezüglich ist nach den Urteilskonstatierungen vorsätzliches Handeln des Angeklagten nur unter der Voraussetzung anzunehmen, dass er wusste, wie jene Monatsberichte korrekt abzufassen gewesen wären.
Das angefochtene Urteil war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Für den zweiten Rechtsgang bleibt anzumerken, dass echte, inhaltlich unrichtige Urkunden (oder Daten; vgl Kirchbacher in WK² StGB § 147 Rz 28 f, 31, 36) nur dann als falsche Beweismittel iSd § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB anzusehen sind, wenn ihnen ein eigener Beweiswert zukommt, was für den Fall, dass der Täuschende seine unrichtigen Sachverhaltsbehauptungen bloß (auch) schriftlich festhält, nicht zutrifft (RIS‑Justiz RS0103663 [T5 bis T9, T15, T16]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)