Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sascha S***** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB (I./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 2 SMG (II./1./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./2./) schuldig erkannt. Danach hat er in P***** und W*****
I./ am 26. und 27. Mai 2007 Dominik H***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er den Inhalt von zumindest 3,25 Substitol-Tabletten à 200 mg in einem Löffel auflöste, in Spritzen aufzog und dem Genannten intravenös injizierte, was eine Morphinüberdosierung und letztlich den Tod des Genannten zur Folge hatte;
II./ vorschriftswidrig Suchtgift zum ausschließlich persönlichen
Gebrauch
1./ anderen überlassen und zwar
a./ am 26. Mai 2007 Dominik H***** zumindest ein Viertel einer 200 mg
Substitol-Tablette,
b./ am 27. Mai 2007 eine Linie Kokain unentgeltlich an Markus I***** und Andreas R*****;
c./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Mai 2007 an Markus I***** ein Gramm Cannabiskraut;
2./ vom 1. August 2004 bis 27. Mai 2007 in zahlreichen Angriffen erworben und besessen, und zwar Substitol-Tabletten, Kokain, MDMA und Cannabisprodukte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte - ausschließlich gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB (I./) sowie gegen die Strafbemessung gerichtete - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl. Die von der Mängelrüge (Z 5) im Hinblick auf die Verwendung der Worte „fallweise", „allenfalls", „zumindest", „relativ rasch", „circa" im Rahmen der Konstatierungen zu I./ behauptete Undeutlichkeit liegt nicht vor, weil den Urteilsfeststellungen unmissverständlich zu entnehmen ist, dass die zum Tod des Dominik H***** führende Morphinüberdosierung von 1,6 Mikrogramm pro Milliliter zu einem überwiegenden Teil, zumindest aber 1,361 Mikrogramm pro Milliliter, aus den vom Angeklagten absichtlich in vier Angriffen verabreichten Injektionen von 3,25 Substitol-Tabletten zu je 200 mg stammte, wobei der letale Bereich einer Morphinkonzentration je nach Konstitution des Suchtgiftkonsumenten bei 0,1 bis 4 Mikrogramm pro Milliliter Blutplasma anzunehmen ist, und der Angeklagte bis zu dem Zeitpunkt, in welchem er Dominik H***** die vierte Injektion verabreichte, in der Lage war, das Unrecht seines Verhaltens einzusehen und dieser Einsicht nach zu handeln (US 7 bis 10).
Das Schöffengericht stützte diese Feststellungen auf die zum Teil geständige Verantwortung des Angeklagten, auf die unprofessionelle Verhaltensweise des Dominik H***** beim Versuch der Selbstinjektion, auf die Angaben des Zeugen R*****, die keinen Schluss auf zuvor bestehenden Konsum von Drogen durch Injektion zugelassen hätten, auf den Umstand, dass sich am rechten und linken Arm des Tatopfers vier zielgerichtete professionell durchgeführte Einstichstellen befanden, sowie auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Gerald Z*****, wonach ein Großteil der zum Tod führenden Morphinkonzentration durch Injektionen verursacht worden ist (US 11 f und 15 f). Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite leitete das Schöffengericht aus der Verantwortung des Angeklagten, dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S*****, der zielgerichteten Vorgangsweise des Angeklagten, dem Umstand der medizinisch einwandfreien Injektionsstiche und der vor der letalen Injektion erfolgten Nachfrage des Angeklagten ab, ob Dominik H***** dies wirklich noch wolle (US 17 f).
Indem die Nichtigkeitsbeschwerde mit eigenen Beweiswerterwägungen eine letale Selbstinjektion durch das Tatopfer behauptet, macht sie keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 geltend, sondern kritisiert die erstrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Entgegen den eine Unvollständigkeit rügenden Beschwerdeausführungen hat sich das Erstgericht mit den Angaben der Zeugen R***** und I***** hinreichend auseinandergesetzt (US 12 f und 16 sowie US 13). Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird erneut kein Begründungsmangel releviert, sondern Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung geübt. Die Annahme der Tatrichter, dass der Angeklagte bei der Tat in der Lage war, deren Unrecht einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln, durften sie ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen auf die oben dargelegte Frage des Beschwerdeführers an H***** stützen. Die - einen Schuldspruch nur nach § 83 Abs 1 StGB reklamierende - Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich nicht an den Tatsachenfeststellungen des Schöffengerichts, indem sie behauptet, H***** habe sich die letzte letale Dosis selbst injiziert. Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) kritisiert die Wertung des Umstands als erschwerend, dass der Angeklagte in einem früheren Verfahren „auch mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, er habe Patrick B***** Suchtgift injiziert, der am nächsten Tag bei einem Verkehrsunfall in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand zu Tode kam"; mangels deswegen erhobener Anklage oder Verurteilung liege ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor. Dem zuwider impliziert die erstgerichtliche Formulierung nicht den Vorwurf einer gerichtlich strafbaren Handlung, sondern dass der Angeklagte sich ungeachtet der in einem Gerichtsverfahren erfolgten Konfrontation mit einer gleichartigen (wem auch immer und ob zu Recht oder nicht) vorgeworfenen Verhaltensweise nicht von der Tat abhalten ließ. Ein nichtigkeitsbegründender Verstoß gegen die Unschuldsvermutung liegt daher nicht vor.
Mit der Behauptung, verschiedene Milderungsgründe seien nicht berücksichtigt worden, wird kein Nichtigkeits-, sondern nur ein Berufungsgrund dargetan.
Angemerkt wird, dass hinsichtlich der Schuldsprüche zu II./ zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO kein Anlass bestand. Wenngleich der Schuldspruch zu I./ wegen einer strafbaren Handlung nach dem StGB - anders als ein Schuldspruch wegen eines weiteren Delikts nach dem SMG - ein Vorgehen nach §§ 35, 37 SMG zu II./ nicht hindern würde (RIS-Justiz RS0088677, SSt 45/15; EBRV 110 BlgNR XX. GP 54; Foregger/Litzka/Matzka, SMG § 35 Rz IV.3; hingegen missverständlich, weil auf ein „mit dem Suchtmittelgesetz nicht im Zusammenhang stehendes" Delikt abstellend: 11 Os 26/00; Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 35 Rz 20 und § 37 Rz 4), ging hier dem Schuldspruch zu II./2./ eine Verfahrensfortsetzung nach § 38 Abs 1 Z 2 SMG voraus (ON 21), die hinsichtlich aller nach § 27 SMG angeklagter Taten einer vorläufigen Einstellung durch das Gericht entgegenstand.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung des Angeklagten - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§ 285i, § 498 Abs 3 StPO).
Die Kostentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO).
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