OGH 15Os58/04

OGH15Os58/0427.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred Franz S***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten Katharina S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. Jänner 2004, GZ 22 Hv 65/03f-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Privatbeteiligten werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch enthält, wurde Manfred Franz S***** (I/1 bis 3) der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und (II) der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Graz

(I) außer dem Fall des § 206 geschlechtliche Handlungen teils an einer unmündigen Person vorgenommen, teils von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er

(1) Anfang Februar 1999 die Hand seiner am 7. November 1988 geborenen Tochter Katharina S***** erfasste und zu seinem erigierten Penis führte, um damit daran bis zum Samenerguss zu reiben,

(2) Ende Februar 1999 die Hand seiner am 7. November 1988 geborenen Tochter Katharina S***** erfasste, zu seinem erigierten Penis führte und damit daran bis zum Samenerguss rieb und

(3) Mitte März 1999 seine am 7. November 1988 geborene Tochter Katharina S***** über der Kleidung an der Innenseite der Oberschenkel bis zur Scheide streichelte sowie

(II) durch die zu Punkt I/1 bis 3 angeführten Tathandlungen seine minderjährige Tochter zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 3), der Angeklagte sei nach den Vorlesungen nicht befragt worden, ob er darüber etwas zu bemerken habe, ist die behauptete Verletzung der Bestimmung des § 252 Abs 3 StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht und kann daher nur nach (hier nicht erfolgter) erfolgloser Antragstellung in der Hauptverhandlung aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO bekämpft werden (16 Os 21/90, 15 Os 85/95, 15 Os 1/96, 15 Os 206/98 uva).

Einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 252 Abs 1 Z 2a StPO blickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, dass das Protokoll über die gemäß § 162a StPO vor dem Untersuchungsrichter erfolgte kontradiktorische Vernehmung der (als seine Tochter nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO entschlagungsberechtigten) Katharina S***** (ON 9) in der Hauptverhandlung verlesen und im Urteil verwertet wurde, obwohl die Genannte die erforderliche Entschlagungserklärung bereits zu Ende der kontradiktorischen Vernehmung deponiert und die Hauptverhandlung selbst erst sechs Monate später stattgefunden hatte. Abgesehen davon, dass nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles vom 23. Jänner 2004 "der gesamte Akteninhalt" einverständlich "gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO" verlesen wurde (S 218) und der diesbezügliche Beschwerdeeinwand, dass dieser Umstand für den Einfluss des Verfahrensverstoßes auf die Entscheidung unbeachtlich sei, als unsubstanziiert nicht erörterungsbedürftig ist, verkennt die Beschwerde, dass die Aussageverweigerung eines (hiezu berechtigten) Zeugen an keine bestimmte Form gebunden ist und auch außerhalb der Hauptverhandlung abgegeben werden kann (14 Os 145/98, 14 Os 105/99). Dass die Zeugin ihren Entschluss, in der Hauptverhandlung nicht nochmals aussagen zu wollen, geändert hätte, wird von der Beschwerde nicht behauptet. Die Argumente betreffend die Zulässigkeit der Verlesung der kontradiktorischen Vernehmung des Zeugen Martin S***** bedürfen zum einen im Hinblick auf den diesbezüglich unangefochten gebliebenen Teilfreispruch, zum anderen auf das insoweit nicht aktenkonforme Vorbringen, der Zeuge wäre zu einer nochmaligen Aussage in der Hauptverhandlung bereit gewesen (vgl jedoch dagegen das Schreiben des Martin S***** an das Gericht vom 20. Jänner 2004, Beilage I zum Hv-Protokoll), keiner weiteren Erwiderung. Die (undifferenziert ausgeführte) Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) moniert Begründungsmängel sowohl hinsichtlich des Sachverhalts als auch der subjektiven Tatseite. Soweit die Feststellungen betreffend das Reiben des Penis "bis zum Samenerguss" bei Spruchfaktum I/1 und 2 als aktenwidrig und nicht durch den Inhalt von Zeugenaussagen gedeckt kritisiert werden, betrifft die Beschwerde - dem dies lediglich unsubstantiiert behauptenden Vorbringen zuwider - keine für den Ausspruch über die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidende Tatsachen und negiert im Übrigen, dass die Tatrichter bei Faktum I gar nicht von einem Samenerguss ausgegangen sind (vgl US 2 iVm US 5). Dem Umstand, aus welchen Gründen die Ehe des Angeklagten geschieden wurde, kommt mangels Entscheidungswesentlichkeit ebensowenig Bedeutung zu wie der Häufigkeit der Kontakte zwischen dem Angeklagten und seinen Kindern nach den Taten. Weiters verkennt die Beschwerde, dass ein Urteil nur dann aktenwidrig ist, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt. Der Vorwurf an die Tatrichter, aus der Urkunde oder Aussage statt der vertretbarerweise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, stellt bloß unzulässige Kritik an deren Beweiswürdigung dar (Ratz, WK-StPO Rz 467).

In Wahrheit bekämpft die Mängelrüge mit ihrem Vorbringen lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben im Einklang mit den Grundsätzen logischen Denkens und der empirischen Erfahrung nicht widersprechend begründet dargelegt, warum sie den Depositionen der Zeugin in ihren wesentlichen Teilen gefolgt sind und die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtet haben (US 7 und 9 ff). Dass sie dieser nicht gefolgt sind und die aus den im Ersturteil angeführten Beweismitteln gezogenen Schlüsse dem Beschwerdeführer nicht überzeugend genug erscheinen, vermag den Nichtigkeitsgrund nach Z 5 ebensowenig herzustellen wie die Einwände keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über den die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken vermögen (Z 5a). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übersieht, dass deren Gegenstand ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt ist, wobei unerheblich bleibt, ob die mit dem Gesetz zu vergleichenden Feststellungen einwandfrei zustande gekommen oder dargestellt sind oder erheblichen Bedenken begegnen (Ratz aaO Rz 581). Mit dem Vorbringen, das Streicheln an der Scheide sei in diesem Fall als rein "örtliche" Beschreibung anzusehen, ein Streicheln eines Kindes über der Jeans an der Innenseite des Oberschenkels allein könne nicht als Unzuchtshandlung angesehen werden, orientiert sich die Beschwerde nicht am Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit, wonach der Angeklagte in der Absicht, eine geschlechtliche Handlung an seiner unmündigen Tochter vorzunehmen und sie zur Unzucht zu missbrauchen, auf deren linken Oberschenkel griff, sie dort zu streicheln begann, wobei er mit der Hand immer weiter hinauf bis zu ihrer Scheide wanderte und schließlich mit seiner Hand auf ihre Scheide griff (US 6). Mit dem Hinweis, aus der Aktenlage ergebe sich, dass es für den Angeklagten üblich gewesen sei, im Rahmen von körperlichen Kontakten die Kinder am Gesäß oder Oberschenkel anzugreifen, zu streicheln oder zu zwicken, woraus sich der mangelnde Sexualbezug auch der angelasteten Handlung ableiten lasse, versucht die Beschwerde missliebige Feststellungen beweiswürdigend durch andere zu ersetzen und erweist sich damit ebenfalls als nicht prozessförmig ausgeführt (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO; vgl Ratz aaO Rz 593).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO, zum Teil iVm § 285a Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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