OGH 15Os52/91

OGH15Os52/9129.8.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Joachim Ernst S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7.März 1991, GZ 8 Vr 2947/90-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Dibald zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt 1./ des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Joachim Ernst S***** ist schuldig, er hat am 18.Oktober 1990 in Voitsberg dem Manfred K***** mit Gewalt gegen dessen Person, nämlich dadurch, daß er ihn an der Hand festhielt und ihm die Armbanduhr im Wert von 500 S vom Handgelenk riß, eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Raubtat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde. Er hat hiedurch das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegende Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkt 2./ des Urteilssatzes) nach § 142 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB und gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.November 1990, GZ 8 E Vr 2777/90-5, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Joachim S***** (zu 1./) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und (zu 2./) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür zu zehn Monaten Zusatz-Freiheitsstrafe, wovon acht Monate bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er am 18.Oktober 1990 in Voitsberg dadurch, daß er Manfred K*****

1./ dessen Uhr entriß und an sich nahm, mit Gewalt gegen dessen Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2./ die Brille wegnahm und auf den Boden schleuderte, wodurch die Gläser zerbrachen und der Rahmen beschädigt wurde, vorsätzlich eine fremde Sache beschädigt und hiedurch einen Schaden von 4.800 S herbeigeführt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte ausschließlich im Schuldspruch zu 1./ (wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB) mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem in der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Einwand, die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite seien deswegen auf denkunrichtige Folgerungen des Erstgerichtes aus der Darstellung des Zeugen Kurt K***** gegründet, weil dieser angegeben hat, vom Beschwerdeführer kurz nach der Tat das Angebot zur Teilung der Raubbeute erhalten zu haben, die geraubte Uhr aber eine Realteilung gar nicht zulasse, unterliegt die Beschwerde einem Mißverständnis. Abgesehen davon, daß die Tatrichter die bekämpften Annahmen zur subjektiven Tatseite nicht allein aus der erwähnten Äußerung des Zeugen Kurt K***** abgeleitet haben (S 111 und 112 d.A), war das Angebot des Beschwerdeführers nach dem vom Zeugen Kurt K***** ausdrücklich bekundeten Sinngehalt keineswegs auf eine Realteilung, sondern naturgemäß auf die Teilung des Erlöses aus der beabsichtigten Weiterveräußerung der geraubten Uhr gerichtet (AS 101). Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Glaubwürdigkeit seiner Einlassung beruft, dem Manfred K***** die Uhr nur deshalb abgenommen zu haben, um einen (vermeintlichen) Schmuggel aufzudecken, kritisiert er in Wahrheit (lediglich) in einer im Rahmen einer Mängelrüge unzulässigen Weise die erstrichterliche Beweiswürdigung, ohne damit einen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen.

Das gilt gleichermaßen auch für seine Behauptung, die Argumentation des Schöffengerichtes, wonach sein Vorsatz darauf gerichtet war, die weggenommene Uhr zu behalten, lasse keinen Schluß auf ein Handeln mit Bereicherungsvorsatz zu, geht er doch dabei nicht von der Gesamtheit der Erwägungen der Tatrichter und somit nicht vom vollständigen Urteilssachverhalt aus, sodaß insoweit die Mängelrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gelangt.

Das Schöffengericht hat im - allein bekämpften - Raubfaktum der den Vorsatz, sich durch Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, bestreitenden Verantwortung des Beschwerdeführers mit denkmöglicher und schlüssiger Begründung, insbesondere mit dem Hinweis auf das erwähnte Angebot einer Teilung des Beuteerlöses mit Kurt K***** und auf das der Raubtat folgende Verhalten des Beschwerdeführers, der die Wegnahme der Uhr erst bei seiner Befragung durch die Gendarmerie am nächsten Tag zugab, die Glaubwürdigkeit versagt. Ein Begründungsmangel haftet diesem Ausspruch demnach nicht an.

Da der Beschwerdeführer die - für das Erstgericht bei der Annahme eines auf unrechtmäßige Bereicherung durch Zueignung der Uhr gerichteten Vorhabens maßgeblichen - Prämissen in der Hauptverhandlung ausdrücklich als richtig eingestanden hat (siehe S 90 d.A), ist auch das im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) ins Treffen geführte Vorbringen der Zeugin Raphaela H*****, wonach sich der Beschwerdeführer im Gegensatz zu seinem nachfolgenden Verhalten zu ihr geäußert habe, die Uhr am nächsten Tag zur Gendarmerie bringen zu wollen, nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen von Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, setzt er sich über den Inhalt des angefochtenen Urteils hinweg, demzufolge er bei der gewaltsamen Wegnahme der Uhr mit Bereicherungsvorsatz gehandelt hat (S 112 d.A). Ebensowenig geht der Beschwerdeführer von den tatsächlichen Urteilsannahmen aus, wenn er unter Hinweis auf seine - vom Erstgericht als unglaubwürdig verworfene - Einlassung, mit dem gegenständlichen Tatverhalten nur die Aufdeckung eines vermeintlichen Schmuggels bezweckt zu haben, die Prüfung der Rechtsfrage vermißt, ob ihm ein - das Vorliegen einer unrechtmäßige Bereicherung und damit auch die Beurteilung seiner Tat als Raub ausschließendes - Handeln in Ausübung einer vermeintlichen Rechtspflicht zugute zu halten gewesen wäre. Die Rechtsrüge ist daher nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Begründet ist allerdings die Beschwerde insoweit, als in der Subsumtionsrüge (Z 10) die Beurteilung der Tat als bloß "minderschwerer" Raub iS des Abs. 2 des § 142 StGB reklamiert wird.

Diese privilegierte Form des Raubes setzt voraus, daß die Raubtat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (Foregger-Serini4 Anm V zu § 142; Leukauf-Steininger2 § 142 RN 40 und die dort zitierte Judikatur).

Das Erstgericht hat die Raubtat offensichtlich nur deshalb nicht dem § 142 Abs 2 StGB unterstellt, weil der Beschwerdeführer der Uhr, deren Kaufpreis in Wahrheit bloß 500 S betragen hat, irrig einen Wert von 10.000 S beigemessen habe, sein Tatvorsatz demnach nicht auf die Erlangung einer Sache bloß geringen Wertes gerichtet gewesen sei (S 112 dA).

Die Beurteilung der Frage der Geringwertigkeit einer Sache ist

aber grundsätzlich nach objektiven Gesichtspunkten,

gegebenenfalls unter Berücksichtigung opferbezogener Faktoren

vorzunehmen (siehe dazu SSt 46/71 und 11 Os 115/89; Kienapfel BT

II2 § 141 Rz 13 bis 15). Nur in letzterer Hinsicht können demnach

(auch) subjektive Kriterien maßgebend sein. Die Grenze, bis zu

welcher im allgemeinen (noch) von einem geringen Wert einer Sache

gesprochen werden kann, ist (nunmehr) bei (maximal) 1.000 S

anzusetzen (vgl EvBl 1989/112 = NRsp 1989/121; EvBl 1991/33

= NRsp 1990/253 ua).

Darnach ist die Uhr, deren Wert bei 500 S liegt, als Sache geringen Wertes einzustufen. Daß sie der Beschwerdeführer irrig für wesentlich wertvoller gehalten hat, steht der Annahme der Privilegierung nicht entgegen, weil für diese - bezogen auf den Täter - allein der objektive Wert (und nicht eine irrige, darüber hinausgehende subjektive Einschätzung) maßgebend ist.

Die übrigen für die Privilegierung vorausgesetzten Umstände sind erfüllt: Die gegenständliche Tat wurde ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen, weil die auf Wegnahme der Uhr abzielende Tathandlung durch Festhalten des Tatopfers an der Hand sowie die beim Entreißen der Uhr erforderliche körperliche Anstrengung sowohl für sich allein als auch in ihrer Gesamtauswirkung nicht als Einsatz von vehementer physischer Kraft beurteilt werden kann und auch vom Betroffenen selbst gar nicht als derartige Gewaltanwendung empfunden wurde (S 59 dA). Über den Sachentzug hinausgehende Folgen (vgl hiezu NRsp 1990/214) hat die Raubtat nicht nach sich gezogen. Die Beschädigung der Brille des Tatopfers hat in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben, weil es sich dabei nicht um eine Tatfolge des Raubes, sondern um eine weitere, auf einem gesonderten Willensentschluß beruhende (S 110 dA) Tat handelt. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Umständen, die eine Unterstellung der Raubtat unter eine der Qualifikationen des § 143 StGB indizieren könnten, liegen nicht vor.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit (zufolge der Anwendung des § 31 Abs 1 StGB) vier Vergehen, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis, die Sicherstellung der Raubbeute und die Schadensgutmachung bezüglich des Vergehens der Sachbeschädigung. Davon ausgehend ist (unter Bedachtnahme auf die im Spruch zitierte Vorverurteilung) eine zusätzliche Freiheitsstrafe von sieben Monaten tatschuldangemessen, wobei diese Strafe angesichts des bisherigen ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden konnte.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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