OGH 15Os48/20b

OGH15Os48/20b5.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Walter als Schriftführerin in der Medienrechtssache der Antragstellerinnen Emilia Z***** und Chidel Z***** gegen die Antragsgegnerinnen ***** GmbH und ***** GmbH wegen §§ 7 ff MedienG, AZ 93 Hv 48/18m des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2020, AZ 18 Bs 16/20i, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, der Vertreterin der Antragstellerinnen, Dr. Windhager, und des Vertreters der Antragsgegnerinnen, Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00048.20B.0605.000

 

Spruch:

 

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2020, AZ 18 Bs 16/20i, verletzt im Kostenersatzausspruch

1./ durch die Verpflichtung der Antragsgegnerinnen ***** GmbH und ***** GmbH zum Ersatz auch der auf die ganz erfolglos gebliebenen Berufungen der Antragstellerinnen Emilia Z***** und Chidel Z***** entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens § 390a Abs 1 erster Satz StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG sowie

2./ durch die Unterlassung einer Verpflichtung der Antragstellerinnen Emilia Z***** und Chidel Z***** zum Ersatz der auf ihre ganz erfolglos gebliebenen Berufungen entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG.

Der Kostenersatzausspruch des genannten Urteils wird dahin ergänzt, dass gemäß § 390a Abs 1 erster Satz StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG die Kostenersatzpflicht der Antragsgegnerinnen ***** GmbH und ***** GmbH um die auf die ganz erfolglos gebliebenen Berufungen der Antragstellerinnen Emilia Z***** und Chidel Z***** entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens eingeschränkt und den Letztgenannten gemäß § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG der Ersatz der auf ihre ganz erfolglos gebliebenen Berufungen entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt wird.

 

Gründe:

In der Medienrechtssache der Antragstellerinnen Emilia Z***** und Chidel Z***** gegen die Antragsgegnerinnen ***** GmbH und ***** GmbH wegen der §§ 7 ff MedienG wurden letztere mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. August 2019, GZ 93 Hv 48/18m-29, wegen mehrerer Veröffentlichungen jeweils zur Zahlung von Entschädigungen (a./) an die Erstantragstellerin nach § 7 Abs 1 MedienG und (b./) an die Zweitantragstellerin nach §§ 7 Abs 1 und 7b Abs 1 MedienG sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG zum Kostenersatz verurteilt.

Sowohl die beiden Antragstellerinnen als auch die beiden Antragsgegnerinnen erhoben gegen dieses Urteil Berufung (ON 32 und ON 33).

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2020, AZ 18 Bs 16/20i, wurde sämtlichen Berufungen nicht Folge gegeben. Gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG verpflichtete das Rechtsmittelgericht die Antragsgegnerinnen uneingeschränkt zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Dieser Kostenersatzausspruch steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 390a Abs 1 erster Satz StPO fallen den nach den §§ 389 und 390 StPO zum Kostenersatz Verpflichteten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, sofern sie nicht durch ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Gegners verursacht worden sind. Ist ein solches Rechtsmittel vom Privatankläger oder vom Privatbeteiligten ergriffen worden, so ist ihm der Ersatz der dadurch verursachten Kosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens aufzuerlegen (zweiter Satz leg cit). Diese Bestimmung gilt nach § 8a Abs 1 MedienG sinngemäß auch für das selbständige Entschädigungsverfahren.

Ganz erfolglos ist ein Rechtsmittel dann, wenn dem Rechtsmittelantrag in keinem Punkt Folge gegeben wurde (RIS-Justiz RS0108345 [T10]). Die besonderen Kosten des Verfahrens über ihr erfolgloses Rechtsmittel haben Privatankläger und Privatbeteiligter unabhängig davon zu ersetzen, ob auch der Verurteilte ein Rechtsmittel eingelegt hat. Auf den Umfang des auf dieses erfolglose Rechtsmittel entfallenden zusätzlichen Aufwands im Rechtsmittelverfahren kommt es bei dieser grundsätzlichen Kostenentscheidung nicht an (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 8 und 10; https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=15Os174/08i&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=15Os10/09y&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , 15 Os 54/11x).

Im vorliegenden Fall hat es das Oberlandesgericht als Berufungsgericht unterlassen, die auf die ganz erfolglos gebliebenen Berufungen der Antragstellerinnen entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens von der Ersatzpflicht der Antragsgegnerinnen auszunehmen. Korrespondierend dazu unterblieb auch der Ausspruch über die Verpflichtung der Antragstellerinnen zum Ersatz der auf ihre gänzlich erfolglosen Berufungen entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Diese Gesetzesverletzung gereicht den Antragsgegnerinnen als Medieninhaberinnen zum Nachteil (§ 292 letzter Satz StPO iVm § 41 Abs 6 MedienG). Der Oberste Gerichthof sah sich veranlasst, deren Feststellung – ungeachtet des damit für die Antragstellerinnen verbundenen Nachteils – mit konkreter Wirkung zu verbinden (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 29; 15 Os 54/11x). Art 1 des 1. ZP MRK steht dem nicht entgegen, weil die sechsmonatige Frist zur Einbringung eines Antrags auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228) noch offen steht und die Antragstellerinnen solcherart noch nicht auf den endgültigen Bestand des Kostenersatzausspruchs vertrauen durften (vgl RIS-Justiz RS0124798 [T2]).

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