OGH 15Os47/14x

OGH15Os47/14x27.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maribel H***** wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 16. Jänner 2014, GZ 11 Hv 135/13a‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107780

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maribel H***** (zu I.) des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 erster Fall und Abs 4 vierter Fall StGB, (zu II.) des Vergehens der falschen Beweisaussage als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 288 Abs 1 und 4 StGB und (zu III.) des Verbrechens der Verleumdung als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in H*****

I. im Zeitraum von September 2010 bis Mai 2013, gegen ihren Sohn Alexis W*****, geboren am 21. Dezember 2001, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei sie die Gewalt gegen eine unmündige Person länger als ein Jahr ausübte, indem sie

1. „ihn vorsätzlich dadurch am Körper misshandelte, dass sie ihn wiederholt mit einem Gürtel, einem Schuh und einem Hausschuh auf seinen Rücken, seine Beine und Oberarme schlug, ihm seine Finger soweit zurückbog bis er starke Schmerzen verspürte, ihm mit dem Fuß auf den Bauch stieg, bis er Schmerzen verspürte, ihn an den Haaren erfasste und seinen Kopf herumriss sowie ihn mit der Faust und einmal mit der flachen Hand ins Gesicht und mit einem zusammengerollten Handtuch gegen die Schienbeine schlug, wobei es dadurch zu keinen Verletzungen kam;

2. ihn dadurch vorsätzlich am Körper verletzte, dass sie wiederholt mit einem Gürtel und einem Schuh auf seinen Rücken und seine Beine schlug (Hämatome und Striemen);

3. ihm, der ihrer Fürsorge und Obhut unterstand und der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, körperliche und seelische Qualen zufügte, indem sie ihn mehrmals im Winter zwischen einer halben Stunde bis Stunde ins Stiegenhaus oder ins Freie sperrte, wobei Alexis W***** bei einem Angriff nur mit einem Pyjama bekleidet im Freien ausharren musste, ihm einmalig einen Socken in den Mund stopfte und diesen mit einem Klebeband fixierte, er erbrechen musste und ihn danach zwang, das Erbrochene aufzuwischen, ihn mehrmals nachts aus dem Schlaf riss und ihn zwang, sein Zimmer aufzuräumen oder Schulaufgaben zu machen, ihn einmal aufforderte, sie mit einem Küchenmesser zu töten, ihm damit drohte, alle vier Jahre Volksschule wiederholen zu müssen, ihn regelmäßig als Kindesteufel titulierte und ihn regelmäßig mehrmals pro Woche zwang, ihr nach dem Duschen sein nacktes Hinterteil zu zeigen, um zu kontrollieren, ob er sauber ist;

4. ihn mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Auf‑den‑Boden‑Legen nötigte, indem sie seine Finger zurückbog“.

II. zwischen Jänner und Mai 2013 Alexis W***** dazu zu bestimmen versucht, in einem Ermittlungsverfahren nach der StPO vor der Kriminalpolizei als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem sie ihn aufforderte, vor der Polizei anzugeben, dass Manfred W***** versucht habe, sie am Stausee zu töten;

III. zwischen Jänner und Mai 2013 Alexis W***** dazu zu bestimmten versucht, seinen Vater Manfred W***** der Gefahr behördlicher Verfolgung dadurch auszusetzen, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 Abs 1 StGB, falsch bezichtigen sollte, obwohl sie wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war, indem sie ihn aufforderte, die zu Punkt II beschriebene Aussage vor der Polizei zu tätigen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Die Angeklagte kritisiert, dass über ihren Antrag auf Ladung und Vernehmung der Augusta W***** zum Beweis dafür, dass sie stets gut auf ihren Sohn geschaut habe, keine Gewalt und Misshandlungen gegen ihn ausgeübt habe und zudem nicht versucht habe, ihn dazu zu bestimmen eine Falschaussage abzulegen, somit die ihr laut Anklageschrift zur Last gelegten strafbaren Handlungen nicht verübt habe (ON 42 S 2 iVm ON 40), nicht entschieden worden sei. Das Gericht ist aber aufgrund der Angaben dieser Zeugin gegenüber jenem Beamten der zuständigen Polizeiinspektion, der ihr die Ladung zugestellt hatte, wonach sie die Aussage verweigern wolle (sie sei 84 Jahre alt und wolle aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses mit dieser Angelegenheit nichts zu tun haben und somit keine Angaben machen), davon ausgegangen, dass sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Nach Bekanntgabe dieses Berichts erklärte der Vorsitzende, dass die Zeugin für die Hauptverhandlung entschuldigt worden sei (ON 42 S 9; zur Möglichkeit einer Entschlagungserklärung auch schon vor der Hauptverhandlung s RIS-Justiz RS0111315).

Die diese Vorgangsweise kritisierende Verfahrensrüge übersieht, dass es in dieser Verfahrenssituation Aufgabe der ‑ anwaltlich vertretenen ‑ Beschwerdeführerin gewesen wäre, durch entsprechende Antragstellung auf die Durchführung des Beweisantrags hinzuwirken, um in Hinsicht auf die Entscheidung über dieses Begehren zur Anfechtung berechtigt zu sein (RIS-Justiz RS0117404). Dabei hätte sie darzulegen gehabt, weshalb erwartet werden könne, dass sich die Zeugin gleichwohl zur Aussage bereit finden werde (RIS-Justiz RS0117928).

Im Übrigen hätte der Beweisantrag auch sonst ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden können, legte er doch nicht dar, weshalb die beantragte Zeugin, die nicht an jener Adresse wohnt, an der die Beschwerdeführerin wohnhaft ist (ON 40 S 3), zeitlich lückenlos über den Umgang der Angeklagten mit ihrem Sohn Auskunft geben können sollte (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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