Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard P***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1.) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (2.), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (3.) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (4.) schuldig erkannt. Danach hat er am 20. März 2008 in Graz
1. mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Lien T***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 20 Euro und ein Mobiltelefon der Marke Nokia, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er Lien T***** die umgehängte Handtasche von der linken Schulter zerrte und dieser, als sie Gegenwehr leistete und die Tasche festhielt, mit einer zur Faust geballten, in ihre Richtung gestreckten Hand weitere Gewaltanwendungen androhte, worauf sie aus Angst die Tasche losließ und er mit der Beute flüchtete;
2. Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die im Zuge der zu 1. geschilderten Tat erbeuteten e-cards der Lien T***** und deren Söhne Duy Martin P***** und Justin P*****, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der sich daraus ergebenden Rechte und Tatsachen gebraucht werden;
3. sich im Zuge der zu 1. geschilderten Tat ein unbares Zahlungsmittel, nämlich eine Bankomatkarte der Lien T***** von der Raiffeisenbank B*****, über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde;
4. Lien T***** dadurch geschädigt, dass er fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Handtasche, einen Wohnungsschlüssel und einen Schlüssel für die Schrankenanlage der Firma B***** in einem unbekannten, jedoch 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert durch die zu 1. geschilderte Tat aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne diese sich oder einem Dritten zuzueignen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.
Aus Z 3 macht die Beschwerde geltend, die Urteilsausfertigung enthalte einen Zuspruch an die Privatbeteiligte Lien T***** (US 4; § 260 Abs 1 Z 5 StPO), der mündlich nicht verkündet worden sei (so auch das HV-Protokoll ON 39/S 4). Damit spricht sie keinen der allein unter Nichtigkeitssanktion stehenden Punkte des § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO an, doch wird diese den Privatbeteiligtenzuspruch betreffende Diskrepanz im Zuge des Berufungsverfahrens aufzuklären sein. Der Antrag, die Zeugin Lien T***** neuerlich zum Beweis dafür zu vernehmen, dass der Täter „ausländische Sprache" gesprochen hat, „woraus sich ergibt, dass der Angeklagte nicht der Täter ist" (ON 36/S 9), wurde - der Beschwerde zuwider (Z 4) - zu Recht abgewiesen, war die Zeugin doch (auch) zu dieser Frage in der Hauptverhandlung vom 13. Juni 2008 bereits vernommen worden (ON 27/S 11). Warum die Zeugin nunmehr anders aussagen sollte oder welche neuen Beweisergebnisse davon zu erwarten seien, vermag die Beschwerde nicht anzugeben.
Gleiches gilt für den Antrag auf Wiederholung der (bereits im Ermittlungsverfahren durchgeführten) Wahlkonfrontation zum Beweis dafür, dass die Zeugin Lien T***** den Angeklagten nicht erkannt hat. Hiebei handelt es sich ebenfalls um einen Erkundungsbeweis (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO).
Auch der Antrag auf Vernehmung des Rene B***** zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die gegenständliche Tat nicht begangen hat", ließ nicht erkennen, weshalb dieser Beweis geeignet sein sollte, das behauptete Beweisthema zu klären (RIS-Justiz RS0118444). Spekulationen darüber, dass Rene B***** (der im Übrigen an der Wahlkonfrontation teilgenommen hatte, vom Tatopfer aber nicht identifiziert wurde) einen Raubüberfall begangen habe, zum Zeitpunkt der Tat „Serienraubüberfälle stattgefunden hätten und die Personenbeschreibungen auf diese Person passen könnte", bilden keine tragfähige Grundlage für den Beweisantrag.
Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption des Nichtigkeitsverfahrens und des damit auch für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses verbundenen Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
Die Feststellungen des Erstgerichts zu den in der Wohnung des Angeklagten vorgefundenen Kleidungsstücken sind weder undeutlich (Z 5 erster Fall) noch betreffen sie eine entscheidende Tatsache. Den Umstand, dass das Mobiltelefon des Opfers sich nicht im Besitz des Angeklagten befand, sondern in einem Geschäft sichergestellt wurde, haben die Tatrichter gar wohl festgestellt (US 10). Dass sie daraus nicht dieselben Schlüsse gezogen haben wie der Beschwerdeführer, stellt keine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung dar (Z 5 zweiter Fall).
Auch mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen Walter P***** wird kein Begründungsmangel aufgezeigt, sondern auf Basis spekulativer Erwägungen zum Motiv des Angeklagten, mit der Polizei in Kontakt zu treten, die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld einer Kritik unterzogen.
Soweit die Aufklärungsrüge (Z 5a) unter Wiederholung der bisherigen Argumente einen Verstoß des Erstgerichts gegen die Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit geltend macht, gibt sie nicht an, woran der anwaltlich vertretene Angeklagte an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480). Auch der Verweis auf eine Passage des - im Übrigen zur Gefährlichkeitsprognose eingeholten - psychiatrischen Gutachtens ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zum „erforderlichen Vorsatz samt Bereicherungsvorsatz", übergeht dabei aber die diesbezüglichen Konstatierungen auf US 7.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt mit der Argumentation, es sei keine erhebliche Gewalt angewendet worden, eine Verurteilung (bloß) wegen des Verbrechens des „minderschweren" Raubes nach § 142 Abs 1 und 2 StGB an. Sie lässt aber eine Auseinandersetzung mit der für diese Privilegierung kumulativen Voraussetzung unbedeutender Tatfolgen vermissen und leitet solcherart nicht aus dem Gesetz ab, weshalb trotz der vom Erstgericht angenommenen Wegnahme „wichtiger Dokumente" (e-cards, Bankomatkarte, diverse Schlüssel, Monatsfahrkarte; US 7,
14) unbedeutende Tatfolgen vorliegen sollten (zur Einbeziehung aller tatbestandlichen und außertatbestandlichen negativen Auswirkungen der Tat als Kriterien für das Vorliegen [un-]bedeutender Folgen sowie zum Verlust wichtiger Dokumente als fühlbare Beeinträchtigung des Tatopfers vgl RIS-Justiz RS0094501 und RS0094494; SSt 61/21). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung der Verteidigung, die übersieht, dass nur gesetzgemäß ausgeführte Rechtsrügen zur Anordnung eines Gerichtstags führen - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)