OGH 15Os42/96

OGH15Os42/9628.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.März 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Petschnigg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gernot P***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 11.Jänner 1996, GZ 10 Vr 473/94-42, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde der am 27.November 1980 geborene - sohin zur Tatzeit bereits Jugendliche - Gernot P***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (I.1. und 2.) sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II.) und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.

Das Verbrechen der Brandstiftung (I.1. und 2.) liegt ihm deshalb zur Last, weil er (zu ergänzen: in Micheldorf/OÖ) mit dem strafunmündigen Rene K***** als Beteiligten an fremden Sachen ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst verursacht hat, indem sie jeweils mit einer brennenden Kerze gelagerte Strohballen anzündeten, und zwar

1. am 29.November 1994 am landwirtschaftlichen Anwesen des Johann Ke***** und

2. am 13.Dezember 1994 am Scheunentrakt des landwirtschaftlichen Anwesens des Josef und des Siegfried F*****.

Rechtliche Beurteilung

Nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 3, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 3) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß dem am 25.April 1984 geborenen, mithin strafunmündigen (an der Brandstiftung beteiligten) Zeugen Rene K***** in der Hauptverhandlung vom 23.November 1995 die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO von der Ablegung eines Zeugnisses zu befreien (231 oben/II).

Die Rüge geht fehl.

Zwar trifft es im Sinne der Beschwerdeargumentation zu, daß dem Zeugen Rene K***** kein Entschlagungsrecht nach der (durch das StPÄG 1993, BGBl 526, geänderten) Bestimmung des § 152 Abs 1 Z 1 erster Alternative StPO hätte zugebilligt werden dürfen (wohl aber möglicherweise nach der unverändert gebliebenen Norm des § 153 Abs 1 StPO), weil sich der Strafunmündige durch seine Aussage unter keinen Umständen (vgl § 4 Abs 1 JGG) der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen konnte (erste Alternative) und gegen ihn kein Strafverfahren geführt wurde (vgl S 3 b verso des Antrags- und Verfügungsbogens), in dessen Zusammenhang er Gefahr lief, sich selbst zu belasten (zweite Alternative).

Der relevierte Nichtigkeitsgrund liegt indes nur vor, wenn in der Hauptverhandlung eine Vorschrift verletzt oder vernachlässigt worden ist, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt. Wenn- gleich § 152 StPO im Katalog des § 281 Abs 1 Z 3 StPO angeführt ist, ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn dieser Gesetzesbestimmung unmißverständlich, daß nur eine unter Verletzung des § 152 StPO erfolgte Vernehmung eines entschlagungsberechtigten Zeugen, der auf sein Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, nicht ausdrücklich verzichtet hat, und die Verwertung seiner Aussage das Urteil nichtig macht (vgl die Gesetzesmaterialien, wiedergegeben bei Pleischl/Soyer StPO S 109 letzter Absatz zu § 152). Vorliegend hat sich der Zeuge Rene K***** aber der Aussage entschlagen, daher überhaupt keine Aussage abgelegt; folglich kann auch keine nichtige Aussage und sohin aus diesem Grund allein schon - abgesehen von der weiteren Voraussetzung des § 281 Abs 3 StPO - kein nach § 281 Z 3 StPO erfolgreich geltend zu machender Nichtigkeitsgrund vorliegen (EvBl 1967/47 uam).

Dem Beschwerdeführer wäre es allerdings unbenommen geblieben, sich in der Hauptverhandlung durch begründete Antragstellung auf Vernehmung dieses Zeugen die formellen Voraussetzungen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Z 4 StPO zu schaffen. Da er jedoch keinen darauf abzielenden Antrag gestellt hat, ermangelt es ihm an der Beschwerdelegitimation in dieser Richtung (vgl abermals EvBl 1967/47 = RZ 1967, 34 = Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 3 E 21 = § 281 Z 4 E 153).

Nicht stichhältig sind die Vorwürfe in der Mängelrüge (Z 5).

Zunächst versagt der Beschwerdeeinwand (Punkt a), die Begründung des Motivs des Angeklagten für die Brandstiftungen, nämlich den späteren Geschädigten "etwas zu Fleiß zu tun", sei im Urteil unvollständig begründet. Abgesehen davon, daß sich diese Feststellung erkennbar nur auf Johann Ke***** ("Geigenbauer") bezieht (US 3 mitte) und diese fallbezogen nicht entscheidend (dh weder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch für den anzuwendenden Strafsatz bedeutsam) ist, wobei auch die Beschwerdeausführung hiezu keine konkreten Anhaltspunkte liefert, entspricht sie eben jenen Worten, die der Angeklagte vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter gegenüber gebraucht hat (11 und 83 des Aktes ON 7/I). Im übrigen vermag naturgemäß der Täter selbst am besten anzugeben, aus welchen inneren Beweggründen heraus er gehandelt hat, weshalb das Gericht nicht verhalten war, die in der Beschwerdeschrift dargelegten Zeugenaussagen, die es - der Beschwerde zuwider - sehr wohl in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezogen hat (US 5 vorletzter Absatz) im einzelnen zu erörtern.

Nicht zielführend ist die Beschwerdebehauptung (Punkt b), das Erstgericht übergehe zum Nachteil des Nichtigkeitswerbers mit Stillschweigen die Tatsache, daß ein von ihm vor Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich abgelegtes Geständnis unter "massiven Vorhaltungen" zustandegekommen sei. Denn das Schöffengericht ist seiner in § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Pflicht, die Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen (EvBl 1972/17), dadurch hinreichend nachgekommen, daß es in den Entschei- dungsgründen wiederholt auf tatsächlich erfolgte "Vorhalte", die (in vielen Fällen vernehmungstechnisch notwendig sind und auch) nach den aktuellen Verfahrensergebnissen vorliegend durchaus unbedenklich gemacht wurden, darauf Bezug nimmt (US 6 vorletzter Absatz, 11 erster Absatz).

Mit dem weiteren Vorbringen laut Punkt c der Beschwerdeschrift (356 ff/II) hinwieder, demzufolge es sich bei der Urteilsbegründung, daß die Ausführungen des Sach- verständigen für Psychiatrie und Neurologie Dr.B***** in der Hauptverhandlung vom 23.November 1995, der Angeklagte habe bei seiner Vernehmung am 10.Februar 1995 ein Angstpotential aufgebaut, das zu seiner Gedanken- bzw. Vorbehalteübernahme geführt habe, die er dann von sich aus wiedergegeben habe, "nicht nachvollziehbar erscheinen" (US 7) und sich "als unschlüssig" darstellen (US 9 unten), um eine Scheinbegründung bzw um einen völlig undeutlichen Ausspruch des Erstgerichtes über die entscheidende Tatsache handle, ob das Geständnis des Angeklagten hier als echt und richtig angesehen werden kann, wird kein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt.

Denn zum einen werden damit keine Tatsachenfeststellungen bekämpft, sondern lediglich die Schlußfolgerungen aus all jenen (im Nichtigkeitsverfahren an sich unanfechtbaren) Erwägungen, welche die Tatrichter bewogen haben, der Sachverständigenexpertise nicht zu folgen (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 2, 26). Zum anderen ist das Sachverständigengutachten ein Beweismittel, dessen Beweiskraft das erkennende Gericht wie jene jedes anderen Beweismittels zu prüfen hat, ohne an den Inhalt des Gutachtens gebunden zu sein. Die Frage aber, ob ein Gutachten ausreichend und schlüssig ist, bleibt als Beweisfrage der Beurteilung durch die Tatsacheninstanz vorbehalten, ist somit ausschließlich Sache der Beweiswürdigung (Mayerhofer/Rieder aaO § 126 E 1; § 258 E 121, 123), worauf selbst der beigezogene Experte am Schluß seiner Ausführungen ausdrücklich hingewiesen hat (263 f/II).

Aus welchen Gründen das Schöffengericht der vom Beschwerdeführer problematisierten "prinzipiellen", dh verallgemeinernden Expertenmeinung (vgl 265 oben/II) für den vorliegenden Fall nicht folgte und dessen ungeachtet die Ansicht vertrat, das vor der Sicherheitsbehörde abgelegte und beim Untersuchungsrichter wiederholte Geständnis des Angeklagten entspreche dem tatsächlichen Geschehensablauf und sei korrekt zustandegekommen, hat es - im Gegensatz zur prozeßordnungswidrigen Vorgangsweise des Nichtigkeitswerbers, der die Argumentationskette des Schöffengerichtes unberücksichtigt läßt und nur einzelne Formulierungen aus dem Zusammenhang reißt - in einer sorgfältigen und kritischen Gesamtschau aller erhobenen Zeugen- und Sachbeweise sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) aktengetreu, zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sowie in Übereinstimmung mit der forensischen und allgemeinen Lebenserfahrung begründet (vgl US 5 ff), sodaß von einer "Scheinbegründung", noch viel weniger von einem "völlig undeutlichen Ausspruch" keine Rede sein kann.

Nach Inhalt und Zielrichtung trachtet der Beschwerdeführer vielmehr bloß - nach Art einer in den Verfahrensgesetzen gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung - mit einzelnen selektierten und isoliert betrachteten Passagen aus dem mündliche erstatteten Gutachten die sachgerechte Beweiswürdigung der Erkenntnis- richter zu kritisierten und "auf Grund dieses Gutachtens zumindest in Zweifel" - womit er selbst deutlich macht, daß er die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu bekämpfen trachtet (Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 42) - seinen Freispruch zu fordern.

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a), in der der Nichtigkeitswerber dem Erstgericht vorwirft, es gehe in der Urteilsbegründung weder auf die Rolle des strafunmündigen Rene K***** als Auslöser für die Vernehmung des Angeklagten und die Einleitung des Verfahrens gegen diesen noch auf dessen vielfältige Widersprüche in seinen Angaben und Beschuldigungen ein, noch werde berücksichtigt, daß der Angeklagte in verschiedener Weise auch von Dritten beschuldigt worden sei, etwa an den Grabschändungen beteiligt gewesen zu sein, werden keine unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt. Denn die von Rene K***** bei der Gendarmerie gemachten Angaben durften zufolge seiner (ihm vom Schöffengericht zugebilligten) Zeugnisentschlagung in der Hauptverhandlung, der der Beschwerdeführer - wie dargelegt - nicht widersprach, gemäß § 252 Abs 1 Z 3 und Abs 4 StPO folgerichtig gar nicht verwertet werden, und vom Anklagevorwurf der schweren Sachbeschädigung im Zusammenhang mit den Grabschändungen wurde der Angeklagte ohnehin rechtskräftig freigesprochen (US 2 f, 13).

Demnach war die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO zurückzuweisen, woraus folgt, daß die Entscheidung über die Berufung in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz fällt (§ 285 i StPO).

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