OGH 15Os39/22g

OGH15Os39/22g7.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof.‑Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Marko, BA, BA, als Schriftführerin in der Strafsache gegen R* R* wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 und 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 30. November 2021, GZ 49 Hv 12/21s‑69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Löscher zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00039.22G.0607.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A./ und demzufolge auch im Strafausspruch mit Ausnahme des Konfiskationserkenntnisses aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

R* R* wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe am 16. Dezember 2008 in * M* R* am Körper verletzt, indem er ihr einen Schlag mit der Hand gegen das Gesicht versetzte, was einen operationsbedürftigen Nasenbeinbruch, mithin eine an sich schwere Körperverletzung, zur Folge hatte.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Er wird für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 und 4 zweiter Fall StGB und die ihm weiterhin zur Last liegenden Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde R* R* des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB idF BGBl 1987/605 (A./), „mehrerer Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3 Z 2 erster und zweiter Fall, Abs 4 zweiter Satz StGB idF BGBl 2009/40 (B./ II./ und III./ 1. und 2.), des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3 und 4 zweiter Satz StGB (B./ III./ 3. bis 6.)“, des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (C./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (D./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in * und an anderen Orten

A./

am 16. Dezember 2008 M* R* am Körper verletzt, indem er ihr einen Schlag mit der Hand gegen das Gesicht versetzte, was einen operationsbedürftigen Nasenbeinbruch, mithin eine an sich schwere Verletzung, zur Folge hatte;

B./

gegen M* R* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei er durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellte oder eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der verletzten Person bewirkte, und zwar durch regelmäßige Schläge mit der Hand, teils auch mit Gegenständen, die Hämatome, Beulen oder andere leichte Verletzungen zur Folge hatten, sowie dadurch, dass er ihr wiederholt gewaltsam ihr Mobiltelefon entriss und sie derart mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe ihres Mobiltelefons, nötigte, und die Gewalt „nach Abs 3 Z 2 idF BGBl 2009/40 – ab 1. Jänner 2020 nach Abs 3“ – länger als ein Jahr ausübte,

II./ in der Zeit von September 2014 bis Ende 2017, wobei er sie darüber hinaus

1. am 13. Juni 2016 mit seinen Händen schlug und mit seinen Füßen trat, was eine schwere Verletzung am Körper, nämlich einen Bruch der rechten Großzehe sowie eine Verstauchung der Halswirbelsäule und eine Prellung des linken Knies zur Folge hatte;

2. am 26. September 2017 durch Schläge mit Krücken auf den Kopf, was Beulen zur Folge hatte, am Körper verletzte;

3. am 30. Oktober 2017 dadurch, dass er ihr einen Löffel nachschoss, was eine Fissur des linken Mittelfingers zur Folge hatte, am Körper verletzte;

4. am 26. November 2017 dadurch, dass er ihr einen der bereits am 30. Oktober 2017 verletzten und zwischenzeitig geheilten Finger derart nach hinten bog, dass dieser abermals verletzt wurde, am Körper verletzte;

5. am 25. Dezember 2017

a) mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich dazu, sich auf die Terrasse zu begeben, nötigte, indem er sie an der Hand packte und trotz ihrer Gegenwehr hinauszog;

b) im Zuge der zu a) geschilderten Handlung, bei der er ihren Arm in der Terrassentüre einzwickte, was eine Prellung des linken Unterarms zur Folge hatte, am Körper verletzte;

III./ in der Zeit von November 2018 bis 5. April 2021, wobei er darüber hinaus

1. am 14. November 2018 dadurch, dass er sie am Kopf packte und diesen gegen die Tischplatte schlug, was eine offene Wunde beim rechten Augenbrauenrand zur Folge hatte, sie am Körper verletzte;

2. am 18. April 2019 dadurch, dass er sie die Treppe hinunterstieß, was eine Prellung und Rissquetschwunde mit Hämatom an der linken Augenbraue, eine oberflächliche Hautabschürfung an der Nasenwurzel, eine Prellung des rechten Unterarms sowie eine Prellung des linken Ringfingers zur Folge hatte, am Körper verletzte;

3. am 26. Jänner 2020 dadurch, dass er ihr mehrere Schläge mit der Hand versetzte, was eine Rissquetschwunde an der Stirnhaargrenze zur Folge hatte, am Körper verletzte;

4. am 1. März 2020 dadurch,

a) dass er sie an den Haaren packte und ins Haus zog, mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von ihrem Vorhaben, mit ihrer Tochter spazieren zu gehen, nötigte;

b) dass er sie in die Badewanne stieß und ihr mehrmals den Duschkopf heftig gegen den Kopf schlug, was eine 3,5 Zentimeter lange und tiefe Rissquetschwunde am Hinterkopf bis zum Schädelknochen reichend mit starker Blutung, eine Rissquetschwunde mit mehreren Kratzspuren an der rechten Wange, mehrere Hämatome am linken Unterarm, oberflächliche Hautabschürfungen im Lendenbereich sowie eine Prellung des rechten Zeigefingers zur Folge hatte, absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen versuchte;

5. am 23. August 2020 dadurch, dass er sie die Kellerstiege hinunterstieß, was eine schwere Verletzung am Körper, nämlich eine Gehirnerschütterung, eine Schädelprellung, starke Hämatome mehrfach auf der Stirn, eine Rissquetschwunde an der Unterlippe und Zunge, multiple Kratzer und striemenartige Läsionen unterhalb des rechten Ohrs in Richtung Hals, Hämatome und Schwellungen im Bereich des rechten Ober- und Unterarms, eine Nackenprellung, eine Bauchprellung und eine Gesäßprellung, was eine stationäre Krankenhausaufnahme erforderlich machte, zur Folge hatte, am Körper verletzte;

6. am 5. April 2021 dadurch, dass er ihr heißen Kaffee ins Gesicht schüttete, ihr die Tasse auf die rechte Hand schlug, ihr zahlreiche Schläge mit einer Kinderholzschaukel sowie mit dem Holzstiel einer WC‑Saugglocke gegen den Kopf und gegen den Körper versetzte, sie gegen den Badewannenrand stieß, auf sie, als sie bereits auf dem Boden lag, weiterhin mit dem Holzstiel der Saugglocke einschlug und mit seinen Füßen gegen ihren Oberkörper eintrat, was einen Bruch des rechten Zeigefingers, einen Bruch des rechten Mittelfingers, einen Bruch des Mittelhandknochens rechts, Rissquetschwunden und Hautläsionen des linken Klein‑ und Mittelfingers, eine massive Rissquetschwunde am Kopf sowie Rippenprellungen zur Folge hatte, absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zufügte;

C./

am 5. April 2021 M* R* dadurch, dass er sie fernmündlich sinngemäß aufforderte, sie solle– wie er – der Polizei gegenüber wahrheitswidrig angeben, dass sie im Keller von einer Leiter gefallen sei und sich derart verletzt habe, dazu zu bestimmen versucht, in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen;

D./

seit einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis zum 5. April 2021, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich eine Langwaffe mit gezogenem Lauf, Halbautomat der Marke Voere, Kaliber 22 LR sowie 113 Stück Munition Kaliber 22 LR besessen.

[3] Da

Rechtliche Beurteilung

gegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – teilweise Berechtigung zukommt.

[4] Zu A./ zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit b) zutreffend auf, dass die Strafbarkeit zufolge Ablaufs der fünfjähigen Verjährungsfrist gemäß § 57 Abs 2 und 3 StGB Ende 2013 erloschen ist. Verjährungshemmende Umstände wurden im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (vgl RIS‑Justiz RS0122332 [T11]) erfordert die Kassation des Schuldspruchs A./. Da der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen mit Blick auf die Aktenlage (vgl ON 10 und ON 61) in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war insoweit sofort mit Freispruch vorzugehen (vgl RIS‑Justiz RS0100239).

[5] Im Übrigen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch als unberechtigt.

[6] Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) betreffend B./ des Schuldspruchs stehen die Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. W*, wonach beim Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (ICD‑10: F60.8) mit erhöhter Impulsivität vorliege, den tatrichterlichen Feststellungen betreffend die subjektive Tatseite nicht erörterungsbedürftig entgegen.

[7] Die von der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) weiters behauptete Undeutlichkeit der Feststellungen liegt nicht vor. Betreffend B./ des Schuldspruchs konstatierten die Tatrichter, dass der Angeklagte dem Opfer „regelmäßig Schläge versetzte“ und ihm „wiederholt“ mit Gewalt das Mobiltelefon entriss (US 6). Darüber hinaus traf es zu einzelnen Gewalttaten, detailliertere Feststellungen (vgl US 7 f).

[8] Undeutlichkeit in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes liegt aber nur dann vor, wenn nicht klar erkennbar ist, welche entscheidenden Tatsachen das Gericht als erwiesen angenommen hat (Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 52). In Ansehung der auch unter – zulässiger (Danek/Mann,WK-StPO § 270 Rz 32) – Bezugnahme auf die im Spruch enumerativ zusätzlich angeführten Gewalttaten getroffenen Feststellungen jahrelanger ständiger Gewaltausübung (US 6 f) und der jahrelangen Einschüchterungen (US 15) bleibt die Rüge eine Erklärung schuldig, weshalb diese Konstatierungen unklar sein sollen.

[9] Die in diesem Zusammenhang ein Fehlenvon Feststellungen zu den genauen Tatzeitpunkten des wiederholten Entreißens des Mobiltelefons (vgl US 7) behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu B./ des Schuldspruchs wird nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht erklärt, weshalb zusätzlich zum konstatierten Tatzeitraum September 2014 bis 5. April 2021 (US 2, 6 f) weitere Feststellungen zur Individualisierung der Tat von Nöten gewesen wären (vgl RIS‑Justiz RS0099648 [T3]).

[10] Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu B./III./4. zuwider ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus der äußersten Brutalität und den wiederholten Angriffen (US 15 vorletzter Absatz) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Im Übrigen stellt es keine entscheidende Tatsache dar, ob die Gewalt im Sinn des § 107b Abs 2 StGB dem – nach § 107b Abs 5 StGB verdrängten – Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zu subsumieren wäre.

[11] Die gegen die Annahme der Qualifikation des § 107b Abs 3 StGB gerichtete Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu B./ erklärt nicht, welche Beweisergebnisse über die ohnehin hinreichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) erörterte Verantwortung des Angeklagten (US 10 ff) hinaus unberücksichtigt geblieben wären, sondern argumentiertnach Art einerim kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Im Übrigen ist bei einer Gesamtschau den Gründen unmissverständlich zu entnehmen (US 13 ff), dass aufgrund der Angaben der Zeugin M* R* und weiterer Zeugen die umfassende Kontrolle des Verhaltens und die erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der verletzten Person im Sinn des § 107b Abs 3 StGB anzunehmen war.

[12] Zu C./ verweist die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) auf eine Passage aus der kontradiktorischen Vernehmung des Tatopfers (ON 26 S 71) und behauptet, dass es demnach schon vor der Aufforderung durch den Beschwerdeführer, falsch auszusagen, die Falschaussage getätigt hätte. Damit nimmt sie jedoch bloß eine eigenständige Interpretation der Zeugenaussage vor und übt im Schöffenverfahren unzulässige Beweiswürdigungskritik, ohne den Nichtigkeitgrund darzustellen (vgl zur Aussage des Opfers US 15 f).

[13] Die Aufklärungsrüge (Z 5a) vermisst die amtswegige Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit der Zeugin M* R*. Die Beschwerde bringt vor, der Angeklagte habe erst durch die Urteilsausfertigung von der psychischen Erkrankung des Tatopfers erfahren.

[14] Dem ist zu entgegnen, dass sich die Annahme der erwähnten psychischen Beeinträchtigung auf einen in der Hauptverhandlung verlesenen Befund des Dr. * G* gründet (US 14; ON 68 S 7 iVm ON 25 S 5). Demgemäß geht die Rüge schon deshalb fehl, weil sie nicht dartut, weshalb der Angeklagte an einer auf Einholung eines Gutachtens abzielenden Antragstellung gehindert war (vgl Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 67). Im Übrigen hat der Antragsteller nicht dargelegt, dass das Tatopfer die notwendige Zustimmung zu einer Untersuchung erteilt hätte oder eine solche erteilen würde (vgl ON 52; RIS‑Justiz RS0097584, RS0108614 [T3]).

[15] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu C./ moniert, den Feststellungen (vgl US 8) sei nicht zu entnehmen, dass sich der Bestimmungsversuch auf eine förmliche Vernehmung zur Sache im Sinn des § 288 Abs 1 StGB bezogen habe. Aus einer Gesamtbetrachtung der Feststellungen („[Intendierte] Bestimmung der Ehegattin zur Falschaussage vor der Kriminalpolizei“), der Ausführungen in der Beweiswürdigung (US 15 letzter Absatz f) und in den rechtlichen Erwägungen (US 17) lässt sich jedoch die Konstatierung der Tatrichter ableiten, dass der Angeklagte versuchte, M* R* zu einer Falschaussage bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Polizei zu bestimmen (vgl auch US 4: „vor der Kriminalpolizei als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache“; RIS‑Justiz RS0114639 [T6]).

[16] Die Behauptung der eine Unterstellung der Urteilstaten B./ „unter die §§ 83 ff StGB“ anstrebenden Subsumtionsrüge (Z 10), es liege keine fortgesetzte Gewaltausübung eine längere Zeit hindurch vor, orientiert sich nicht an den Feststellungen zu „ständigen“ Gewalttaten in dem im Spruch genannten Zeitraum (US 6 f). Dem Einwand, es habe „längere Pausen“ gegeben, ist zu entgegnen, dass die Rüge eine sachverhaltsbezogene, methodengerechte Ableitung ihrer These mangelnder Tatbildlichkeit aus dem Gesetz vermissen lässt (vgl RIS-Justiz RS0116565; Leukauf/Steininger/Tipold,StGB Update 2020 § 107b Rz 7; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 23).

[17] Auch die gegen die Annahme der Qualifikation des § 107b Abs 4 zweiter Fall StGB vorgebrachte Subsumtionsrüge (Z 10) wird nicht prozessförmig erhoben, weil sie nicht vom festgestellten Tatzeitraum von September 2014 bis 5. April 2021 (mit einer bloßen Unterbrechung von rund elf Monaten) ausgeht (US 6 iVm Urteilsspruch zu B./).

[18] Weshalb die Feststellungen, wonach der Angeklagte mit Hilfe dieser Gewaltausübung auch eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellte und dadurch auch eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte, indem er die freie Wahl ihres sozialen Umfelds beschränkte und Kontakt zu ihrer Familie verhinderte (US 7), die Qualifikation nach § 107b Abs 3 StGB nicht tragen sollten, macht die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht klar (vgl RIS‑Justiz RS0127377 [T2]).

[19] Das Vorbringender Subsumtionsrüge (Z 10) zu B./, die Erfolgsqualifikation des § 107b Abs 3 StGB sei beim Versuch geblieben, weshalb „bloß die §§ 83 f“ heranzuziehen gewesen wären, ist nicht nachvollziehbar (vgl im Übrigen zur fehlenden Subsumtionsrelevanz der Abgrenzung Versuch/Vollendung RIS‑Justiz RS0122137).

[20] Anzumerken bleibt, dass dem Schöffengericht zu B./ des Schuldspruchs ein – dem Angeklagten allerdings nicht zum Nachteil gereichender (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) – Subsumtionsfehler unterlief (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Nach dem Urteilssachverhalt wurden die von B./ umfassten Taten teilweise im zeitlichen Geltungsbereich des § 107b StGB idF BGBl I 2009/40, teilweise im zeitlichen Geltungsbereich des § 107 StGB in der derzeit aktuellen Fassung begangen (zur Vornahme des Günstigkeitsvergleichs für jede Tat gesondert s RIS‑Justiz RS0089011 [insb T3, T4]). Der Strafsatz der strengsten erfüllten Qualifikationsnorm ist in beiden Gesetzesfassungen gleich streng (Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren sowohl nach Abs 4 vierter Fall aF als auch nach Abs 4 zweiter Fall idgF). Hievon ausgehend sind Tat- und Urteilszeitgesetze in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (RIS‑Justiz RS0119085 [T1]) gleich günstig. Gemäß § 61 zweiter Satz StGB sind die Taten daher rechtsrichtig einem Verbrechen nach § 107b Abs 1, 3 und 4 zweiter Fall StGB zu unterstellen (vgl 11 Os 12/21f; RIS‑Justiz RS0129716).

[21] Bei der damit erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, eine einschlägige Vorverurteilung, den langen Tatzeitraum sowie den Umstand, dass das Opfer eine nahe Angehörige ist, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis und die geleistete Schadensgutmachung. Davon ausgehend war bei einem Strafrahmen von fünf bis zu fünfzehn Jahren die im Spruch genannte Freiheitsstrafe als dem verwirklichten Unrecht und der Schuld des Angeklagten angemessene Sanktion zu verhängen.

[22] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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