Spruch:
In der Strafsache AZ 47 Hv 70/13i des Landesgerichts Salzburg, verletzen
1./ das Urteil vom 26. September 2014 in seinen Schuldsprüchen II.1. und II.2. §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB sowie in seinem Schuldspruch I.3. § 241e Abs 1 StGB;
2./ der gemeinsam mit dem Urteil verkündete, Nikola M***** betreffende Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO den im 16. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen I.3., II.1. und II.2., demzufolge auch in den die Angeklagten Mile K***** und Nikola M***** betreffenden Strafaussprüchen ebenso aufgehoben wie die zu den genannten Angeklagten ergangenen Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 StPO und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.
Gründe:
Nikola M***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. Mai 2012, GZ 33 Hv 24/12w‑15, der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 iVm Abs 5 Z 4 StGB und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (Zusatz‑)Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt, die unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 2. Juli 2014 (ON 21) wurde die Strafe endgültig nachgesehen.
Mit dem hinsichtlich des Angeklagten Nikola M***** und weiterer Angeklagter zur Gänze sowie hinsichtlich des Angeklagten Mile K***** in Ansehung des Schuldspruchs in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 26. September 2014, GZ 47 Hv 70/13i‑161, ‑ in dessen Ausfertigung verfehlt auch der Inhalt eines gegen die Angeklagten Michael Mi***** und Liljana M***** gesondert verkündeten Urteils (ON 160 S 10 f) aufgenommen wurde ‑ wurden ua Mile K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I.1.) sowie der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (I.3.) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen:) zweiter Fall StGB (II.1.) und Nikola M***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen:) zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (II.2.) schuldig erkannt.
Die den Angeklagten Nikola M***** betreffende Strafregisterauskunft (ON 158), der die endgültige Nachsicht der vom Landesgericht Salzburg zu AZ 33 Hv 24/12w verhängten Freiheitsstrafe zu entnehmen war, wurde in der Hauptverhandlung verlesen (ON 160 S 3).
Dessen ungeachtet erging gemeinsam mit dem Urteil ua der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 (zu ergänzen:) und Abs 6 StPO auf Absehen vom Widerruf der dem Angeklagten Nikola M***** mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. Mai 2012, AZ 33 Hv 24/12w, gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre (ON 161 S 6).
Inhaltlich der Schuldsprüche haben in Salzburg
Mile K*****
I.1. gemeinsam mit Slobodan A***** am 27. Mai 2012 Norbert S***** dadurch, dass er ihn am Boden festhielt, während Slobodan A***** jenem die Geldtasche samt Kreditkarte, E‑Card und Bargeld in der Höhe von 66 Euro entriss, mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
I.3. sich gemeinsam mit Slobodan A***** unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr bereichert werde, und zwar die im Zuge der unter I.1. beschriebenen Tat erbeutete, für Norbert S***** ausgestellte Kreditkarte;
II.1. am 27. Mai 2012 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der Sh***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich „durch die Verwendung der auf Norbert S***** lautenden Kreditkarte, somit unter Benützung eines entfremdeten unbaren Zahlungsmittels, zur Herausgabe von Waren im Gesamtwert von 784,09 Euro, somit zu Handlungen verleitet, die Norbert S***** an seinem Vermögen geschädigt haben“;
Nikola M*****
II.2. dadurch, dass er Mile K***** „beim Einkauf begleitete und diesem erklärte, wie der Ablauf der Bezahlung mit einer Kreditkarte funktioniert, indem er ihm sinngemäß mitteilte, dass dieser lediglich die Rechnung mit der gleichen Unterschrift, wie sie auf der Kreditkarte enthalten ist, unterzeichnen muss, zur Ausführung der unter II.1. geschilderten Tathandlung beigetragen“.
Zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Vergehens des schweren Betrugs (II.1. und 2.) führte das Gericht im Urteil aus:
„Mile K***** und Nikola M***** wussten, dass es sich um eine gestohlene Kreditkarte handelt, mit der die Einkäufe getätigt wurden und es durch die Setzung einer falschen Unterschrift auf die Rechnung (wodurch der Einkauf abgeschlossen wurde) zur Täuschung der Verkäufer über die Identität und Legitimität des Käufers kommt, wodurch in weiterer Folge eine unrechtmäßige Bereicherung des Mile K***** (oder dritter Personen) bewirkt wird. Trotz dieser Kenntnis bzw dieses Bewusstseins fanden sich sowohl Mile K***** als auch Nikola M***** damit ab und handelten in der beschriebenen Form“ (US 11 zweiter Absatz).
Ein Vorsatz der genannten Angeklagten, den Getäuschten oder einen anderen am Vermögen zu schädigen, wurde nicht festgestellt.
Die Staatsanwaltschaft erhob in Ansehung des Angeklagten K***** gegen das Urteil Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 172); das Rechtsmittelverfahren ist zu AZ 10 Bs 269/14a beim Oberlandesgericht Linz anhängig.
Rechtliche Beurteilung
Im Verfahren AZ 47 Hv 70/13i des Landesgerichts Salzburg stehen ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt ‑ das Urteil vom 26. September 2014 und der gemeinsam mit diesem Urteil verkündete Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang.
1./ Der Tatbestand des Betrugs nach § 146 StGB setzt in objektiver Hinsicht einen Vermögensschaden voraus, der aufgrund der Verfügung des Getäuschten eingetreten ist, wobei es gleich ist, wer geschädigt wird (Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 57, 59).
Der Tatbestandsvorsatz muss sich darauf beziehen, durch Täuschung über Tatsachen einen Irrtum hervorzurufen (= Täuschungsvorsatz) und gerade dadurch eine Vermögensverfügung des Getäuschten und damit einen Vermögensschaden zu bewirken (= Schädigungsvorsatz). Bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) genügt (Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 111, 114). Der erweiterte Vorsatz des Täters muss über die Tatbildverwirklichung hinaus dahin gehen, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern (Kirchbacher WK² StGB § 146 Rz 118).
Das Landesgericht Salzburg stellte wohl Täuschungs‑ und Bereicherungsvorsatz, nicht jedoch einen Schädigungsvorsatz fest (US 11). Dieser Mangel an Konstatierungen hindert die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) der Tat unter § 146 StGB (II.1. und 2.).
Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen gereicht den Angeklagten zum Nachteil, der Oberste Gerichtshof sah sich zur Aufhebung der Schuldsprüche II.1. und 2. veranlasst.
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass ‑ entgegen den Annahmen im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zu II.1. (US 4) ‑ beim Kreditkartenbetrug der Schaden nicht unmittelbar den berechtigten Karteninhaber, sondern das Kreditkartenunternehmen trifft (Schroll in WK² StGB § 241e Rz 25; RIS‑Justiz RS0092066).
Auch der Schuldspruch I.3. entspricht nicht dem Gesetz, weil das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB eine Vorbereitungshandlung zur Verwendung des unbaren Zahlungsmittels darstellt, das mit der Strafbarkeit nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB infolge stillschweigender Subsidiarität verdrängt wird (RIS‑Justiz RS0120530; Schroll in WK² StGB § 241e Rz 26; Kirchbacher in WK² StGB § 147 Rz 28/11).
Diese Gesetzesverletzung hat sich ebenfalls zum Nachteil des Angeklagten K***** ausgewirkt, der Oberste Gerichtshof sah sich auch zur Aufhebung dieses Schuldspruchs veranlasst.
2./ Der gemeinsam mit dem Urteil verkündete Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 26. September 2014 auf Absehen vom Widerruf der Nikola M***** zu AZ 33 Hv 24/12w dieses Landesgerichts gewährten bedingten Strafnachsicht und auf Verlängerung der Probezeit verstößt gegen den im 16. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Schöffengerichts war die Entscheidung des Landesgerichts Salzburg über die endgültige Strafnachsicht bereits ergangen. Es durfte daher weder das erkennende noch ein anderes Gericht ohne vorangegangene prozessordnungsgemäße Kassation über den Entscheidungsgegenstand der (ursprünglich) bedingten Nachsicht neuerlich absprechen (RIS‑Justiz RS0091864).
Der dennoch ergangene Beschluss, der wegen der Bindungswirkung des vorher ergangenen Beschlusses über die Endgültigkeit der Strafnachsicht keine Rechtswirkung entfalten konnte, ist im vorliegenden Fall wegen der Aufhebung des Schuldspruchs II.2. und der damit verbundenen Kassation des Strafausspruchs ohnehin aufzuheben, sodass es einer eigens zur Klarstellung zu treffenden Verfügung nicht bedarf.
Der Oberste Gerichtshof sah sich daher insgesamt veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO), das Urteil in den Schuldsprüchen I.3., II.1. und II.2., demzufolge auch in den die Angeklagten K***** und M***** betreffenden Aussprüchen über die Strafe sowie die zu diesen Angeklagten ergangenen Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 StPO aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg zu verweisen.
Zur ‑ mit Blick auf § 289 StPO vorgenommenen ‑ Aufhebung auch des den Angeklagten K***** betreffenden Beschlusses nach § 494A Abs 1 Z 2 StPO wird klarstellend angemerkt, dass Voraussetzung für eine Entscheidung über einen Widerruf bedingter Strafnachsicht nach § 53 StGB, § 494a StPO eine Verurteilung, sohin (bloß) ein Schuldspruch (vgl Jerabek in WK 2 StGB § 53 Rz 3), nicht aber der Ausspruch einer Strafe ist, sodass die Aufhebung (lediglich) eines Teils des Schuldspruchs und des Strafausspruchs eines Urteils nicht zwingend die Kassation auch der (hier: in einem weiteren Rechtsgang infolge des Verbots der reformatioin peius nicht anders zu treffenden) Entscheidung auf Absehen vom Widerruf aus Anlass der neuen Verurteilung zur Folgen haben muss (vgl RIS‑Justiz RS0100194 [T15, T18]).
Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts über die betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft erübrigt sich daher.
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