OGH 15Os35/96

OGH15Os35/9618.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Waldner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Klaus A***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10.Jänner 1996, GZ 29 Vr 1909/95-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Hauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB sowie demgemäß im Strafausspruch (einschließ- lich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Klaus A***** wurde der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB

(1) sowie (insoweit abweichend von dem gegen ihn gestellten Strafantrag - ON 7 im einbezogenen Akt ON 17 - nur) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (2) schuldig erkannt und hiefür zu einer (für eine Probezeit von drei Jahren) bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Hingegen wurde der Angeklagte von der weiter wider ihn erhobenen Anklage (ON 10), er habe am 23.Juni 1995 in Innsbruck versucht, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) der Sonja S***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen, sich (hier unnötigerweise: oder einem Dritten) durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mit einer Strumpfmaske maskiert das Büro der Firma "N*****" betrat, dabei seine Hände in den Jackentaschen verborgen hielt, damit herumfuchtelte und so das Vorhandensein einer Waffe vortäuschte sowie Sonja S***** wiederholt durch die Worte: "Geld her" zur Herausgabe der Barschaft, die er in einer Größenordnung zwischen 200.000 S bis 300.000 S vermutete, aufforderte, und hiedurch das Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Hiezu stellte das Erstgericht im wesentlichen fest: Spätestens am Morgen des 23.Juni 1995 faßte der Angeklagte "den Entschluß, sich durch einen Überfall auf das Bestat- tungsinstitut N***** in Innsbruck [wo er bis zum Vortag als Helfer gearbeitet hatte] Geld zu verschaffen". In Tatortnähe kaufte er eine schwarze Strumpfhose und Gummihandschuhe, zog sich in der Folge eine Hälfte dieser Strumpfhose über den Kopf und betrat das Büro, in dem sich damals nur die Sekretärin Sonja S***** aufhielt. Der Angeklagte hatte "beide Hände in den Taschen seiner Lederjacke, fuchtelte dabei nervös mit den Händen herum" und richtete an Sonja S***** mehrmals die Aufforderung:

"Geld her !". Da sich das Tatopfer jedoch durch den Vorgang nicht einschüchtern ließ, verließ der Angeklagte "durch dieses Mißlingen des Überfalles entnervt" eilig das Geschäftslokal (US 4 f).

Das Gericht vermeinte, nicht feststellen zu können, ob Klaus A***** "anfänglich tatsächlich die Ausübung von Gewalt gegen Sonja S***** vorgehabt habe" (was ihm in der Anklage gar nicht vorgeworfen werde), ob er mit seinen in der Jackentasche verborgenen Händen das Vorhandensein einer Waffe vorzutäuschen versucht habe und ob er "nach seinem Tatplan bzw nach seinen inneren Vorstellungen durch die Maskierung bloß seine Identität verbergen und ein Erschrecken der Überfallenen ausnützen oder aber geradezu mit der Gefahr einer sofortigen, gegen das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit gerichteten Beeinträchtigung drohen wollte bzw einen solchen Eindruck zumindest ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand" (US 6 dritter Absatz).

In rechtlicher Hinsicht führte das Schöffengericht aus, es sei unbestritten, daß die zum Tatbild des Raubes gehörende Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nicht unbedingt eine entsprechende direkte Äußerung gegenüber dem Bedrohten voraussetze, vielmehr könne eine drohende Äußerung auch "konkludent" erfolgen; das "bloße Erscheinen eines maskierten Täters, der Geld fordert, ohne Gewalt anzudrohen und ohne sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, ob das Opfer den Umständen nach eine unmittelbar drohende Gefahr für seine körperliche Sicherheit annimmt", erfülle den Tatbestand des versuchten Raubes "jedenfalls (noch) nicht"; da der Vorsatz des Angeklagten "nicht auf eine Wegnahme, sondern auf eine (wenn auch nicht im Sinne des § 142 StGB tatbildliche) Abnötigung gerichtet war", scheide die Beurteilung der Tat als versuchter schwerer Diebstahl gleichfalls aus (US 8 f).

Rechtliche Beurteilung

Nur diesen Freispruch bekämpft die Staats- anwaltschaft mit einer auf die Z 5 und 9 lit a - der Sache nach teilweise Z 10 - des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtig- keitsbeschwerde, der schon aus dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zukommt.

Mit Recht zeigt nämlich die Beschwerdeführerin in ihrer Mängelrüge (Z 5) auf, der erstgerichtliche Ausspruch über entscheidende Tatsachen sei in bezug auf die subjektive Tatseite des in Rede stehenden Delikts undeutlich und widersprüchlich geblieben, weil die Konstatierung, wonach hiezu Feststellungen nicht getroffen werden konnten (US 6 dritter Absatz), mit der Feststellung, derzufolge der Vorsatz des Angeklagten nicht auf eine Wegnahme, sondern auf eine (wenn auch nicht im Sinne des § 142 StGB tatbildliche) Abnötigung gerichtet gewesen sei (US 8 unten bis 9 oben), nicht in Einklang zu bringen ist (wie im übrigen auch jener Teil des tatbezogenen Sachverhaltssubstrats, welcher ein [bloßes] Mißlingen des [vom Angeklagten geplanten und bereits begonnenen] "Überfalles" auf die im Büro allein anwesende Sonja S***** zur Beschaffung eines 83.000 S übersteigenden Betrages zum Ausdruck bringt, mit der Verneinung der inneren Tatseite nicht vereinbar ist und daher den vom öffentlichen Ankläger gerügten Widerspruch nicht nur nicht aufzuheben vermag, sondern diese Diskrepanz vielmehr noch verstärkt).

Denn (selbstschädigendes) "Abnötigen" bedeutet - im Gegensatz zum (fremdschädigenden) "Wegnehmen" - nur, daß der Täter den Gewahrsamsbruch nicht selbst vornimmt, sondern das Opfer, indem es (gezwungermaßen) die Sache herausgibt (Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 12 mw Literatur). Auch die Tathandlung des Abnötigens setzt sohin die Anwendung von Zwang voraus. Durch welche konkreten Nötigungsmittel ein solcher Zwang nach dem konkreten Tatplan des Angeklagten ausgeübt werden sollte, geht aus den erstgerichtlichen Feststellungen nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor. Der Urteilshinweis auf die mangelnde Erweislichkeit eines "anfänglich tatsächlich die Gewalt- ausübung" umfassenden Vorhabens (vgl etwa 29 vorletzer Absatz) läßt nämlich offen, ob der Angeklagte nicht doch den Einsatz von Gewalt wenigstens als ultima ratio in sein räuberisches Vorhaben aufgenommen hatte. Die konstatierte Verneinung des Willens des Angeklagten hinwieder, "mit der Gefahr einer sofortigen, gegen das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit gerichteten Beeinträchtigung" zu drohen, ist angesichts ihres Zusammenhanges mit der Feststellung eines auf "wenn auch nicht im Sinne des § 142 StGB tatbildliche" Abnötigung gerichteten Vorsatzes nur eine rechtliche Schlußfolgerung, die mangels eines eindeutigen Tatsachensubstrats nicht überprüfbar ist.

Die dargelegte Widersprüchlichkeit und Undeut- lichkeit der Urteilsfeststellungen zum Vorsatz des Ange- klagten betrifft einen entscheidenden Umstand im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO, weil das (vom Angeklagten eingestandene) Raubvorhaben, welches in dem hier zu beurteilenden Fall schon so weit gediehen war, daß der maskierte Täter am Tatort vom Opfer wiederholt Geld forderte, bereits - dem äußeren Tatbild nach - das Stadium des strafbaren Versuchs erreicht hat. Ein solches Verhalten indiziert nämlich nicht nur, daß der Täter die (aus subjektiver Sicht entscheidende) Hemmstufe schon überwunden hat, sondern muß auch in objektiver Hinsicht wenigstens als eine der Ausführung unmittelbar vorangehende (dh von ihr durch keine örtliche, zeitliche oder manipulative Zwischenetappe getrennte - vgl Leukauf/Steininger aaO § 15 RN 10 mwN) Handlung im Sinne des § 15 Abs 2 StGB beurteilt werden.

Dieses Verhalten könnte - je nach dem konkreten Tatplan - sogar für sich allein genommen bereits eine taug- liche Ausführungshandlung zum Raub sein: Erweckt doch das plötzliche Auftauchen eines Mannes mit einer über den Kopf gezogenen Strumpfmaske, der - mit seinen in den Jacken- taschen verborgenen Händen "herumfuchtelnd" - auf die allein anwesende Büroangestellte zugeht, indem er wiederholt Geld fordert, gemeiniglich den Eindruck, sie müsse im Fall ihrer Weigerung, das (im Tresor vorhandene) Geld herauszugeben, ernstlich entweder mit der Anwendung von Gewalt (mithin von nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes) oder mit dem sofortigen Eintritt eines gegen Leib oder Leben gerichteten schweren Übels (§ 89 StGB) rechnen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Täter die Drohung verwirklichen kann oder will, wenn sie nur vom Opfer ernstgenommen wird. Ebenso unerheblich ist, ob der Bedrohte subjektiv - sei es aus übergroßer Ängstlichkeit, sei es aus einer Fehleinschätzung, sei es aus besonderem Mut oder Gleichmut - bei Beurteilung der Lage aus seiner Sicht von den Befürchtungen eines Durchschnittsmenschen abweichende Erwartungen gehegt oder nicht gehegt hat (Leukauf/Steininger aaO RN 6, 8 und 9; Mayerhofer/Rieder StGB4 E 1, 12 ff jeweils zu § 142).

In Stattgebung der zum Nachteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war sonach der mit (von der Staatsanwaltschaft im Ergebnis zu Recht aufgezeigten) Begründungsmängeln behaftete Freispruch des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Verbrechens des versuchten Raubes und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen, weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und demnach eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat (§§ 285 e, 288 Abs 2 Z 1 StPO). Es erübrigt sich daher, auch noch auf das Vorbringen in der Rechtsrüge einzugehen.

Im zweiten Rechtsgang wird es zur Klärung der inneren Tatseite vor allem einer näheren Erörterung des Sinngehaltes des vom Angeklagten wiederholt abgelegten Geständnisses bedürfen, demzufolge er einen "Überfall" zur Geldbeschaffung nicht nur geplant, sondern bereits zu verwirklichen begonnen hatte (vgl 19 f, 92 ff, 120). Denn unter einem solchen "Überfall" ist nicht nur nach foren- sischem, sondern auch nach allgemeinem Verständnis ein "Raubüberfall" im Sinne des § 142 StGB zu verstehen. Zudem wird sich der erkennende Schöffensenat im erneuerten Verfahren mit der Bedeutung der Maskierung des Geld fordernden Angeklagten und eines in der Regel schon damit erzeugten Einschüchterungseffektes auseinanderzusetzen haben.

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