OGH 15Os35/22v

OGH15Os35/22v27.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Marko, BA, BA, als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Jänner 2022, GZ 17 Hv 12/20z‑481, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00035.22V.0727.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen C./ und D./1./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in der Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg gemäß § 366 Abs 2 StPO aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Die Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (C./), der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB (D./1./) und der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB (D./3./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in * und an anderen Orten

C./ im Zeitraum 11. August 2010 bis 28. August 2012 in wiederholten Angriffen seine Befugnis, als faktischer Geschäftsführer der G* GmbH über deren Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht (und diese dadurch am Vermögen geschädigt [US 7]), indem er die Bezahlung von in keinem betrieblichen Zusammenhang mit der G* GmbH stehenden Rechnungen für das Bauvorhaben „G* Ke*“ in Höhe von 147.201,39 Euro veranlasste, denen keine Gegenleistung an das Unternehmen gegenüberstand;

D./ als Geschäftsführer (§ 161 Abs 1 StGB) der S* GmbH

1./ über einen nicht näher bekannten Zeitraum bis 30. Juni 2013 deren Zahlungsunfähigkeit dadurch grob fahrlässig herbeigeführt, dass er entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens, Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen so führte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens‑, Finanz‑ und Ertragslage der S* GmbH erheblich erschwert wurde;

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen die Schuldsprüche C./ und D./1./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * S*, der Berechtigung zukommt.

[4] Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die Feststellungen zur faktischen Geschäftsführereigenschaft des Rechtsmittelwerbers in Ansehung der G* GmbH (C./) ebenso wie die in Ansehung der Schuldsprüche C./ und D./1./ zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen offenbar unzureichend begründet sind.

[5] In objektiver Hinsicht führte der Schöffensenat in seiner Beweiswürdigung undifferenziert zu allen Schuldsprüchen („die zur Sache getroffenen Feststellungen“) nur aus, dass diese „das Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens“ darstellten und „auf den umfangreichen Ermittlungsergebnissen“ von Kriminalpolizei sowie Steuerfahndung, eingeholten Gutachten und deren Erörterung in der Hauptverhandlung wie auch den Angaben (einiger) namentlich angeführter in der Hauptverhandlung (zu unterschiedlichen Beweisthemen) vernommener Zeugen beruhten (US 9 f).

[6] Eine solche nicht auf bestimmte Feststellungen bezogene bloße Aufzählung von in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweismitteln stellt in Wahrheit aber gar keine Begründung dar (vgl RIS‑Justiz RS0132828; RS0098818; 15 Os 44/14f; zum Ganzen Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 38). Gleiches gilt im Übrigen auch, soweit die Tatrichter „betreffend der Fakten C./ und D./“ pauschal den zuvor genannten Zeugen und Gutachten floskelhaft „uneingeschränkt“ Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit zubilligten (RIS‑Justiz RS0098818 [T4]).

[7] Zwar ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Sachverhalt grundsätzlich zulässig (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882). Fallbezogen wird jedoch die weder auf bestimmte Feststellungen noch auf konkrete Beweisergebnisse bezogene (und insofern inhaltsleere) Erwägung, dass sich die Konstatierungen zur „jeweiligen subjektiven Tatseite des Angeklagten […] zwanglos“ aus dem – ebenso unbegründet gebliebenen (siehe auch 13 Os 114/10d) – objektiven Tatgeschehen ableiten ließen, dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht gerecht (RIS‑Justiz RS0098671 [T9]).

[8] Das angefochtene Urteil war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und insoweit Verfahrenserneuerung anzuordnen. Das weitere Vorbringen des Nichtigkeitswerbers bedarf dementsprechend keiner Erörterung.

[9] Die – angemeldete (ON 482) – Berufung wegen Schuld war als unzulässig (§ 283 Abs 1 StPO) zurückzuweisen.

[10] Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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