OGH 13Os114/10d

OGH13Os114/10d18.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Saadati als Schriftführerin in der Strafsache gegen Justyna G***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 1. Juli 2010, GZ 31 Hv 86/10w-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil (einschließlich der als „Beschluss“ erfolgten Einziehung) aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Justyna G***** des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen „schweren“ Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (1) sowie der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (2) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 (richtig:) Abs 2 Z 4 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach hat sie am 18. Februar 2010 in Salzburg

(1) im einverständlichen Zusammenwirken mit zwei abgesondert verurteilten Mittätern gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz dem Inhaber eines Schmuckgeschäfts Wertgegenstände und Gold „in unbekanntem Wert“ durch Einbruch wegzunehmen versucht,

(2) den Polizeibeamten Johann E***** durch Zufahren mit einem Pkw an ihrer Anhaltung zu hindern versucht sowie

(3) durch die zu 2 beschriebene Tathandlung den dort genannten Polizeibeamten vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen von der Angeklagten erhobenen, auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der angefochtenen Entscheidung zu deren Nachteil mehrfach der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

Hinsichtlich des Schuldspruchs 1 enthält das bekämpfte Urteil keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Die einleitende Urteilsannahme, die Beschwerdeführerin sei in der Absicht nach Österreich eingereist, „hier auch Einbruchsdiebstähle zu begehen“ (US 5, vgl auch US 8), weist keinen Bezug zu den vom Schuldspruch umfassten Tathandlungen auf und ist solcherart ungeeignet, diesen zu tragen. Hinsichtlich der gegenständlichen Tat enthält die angefochtene Entscheidung zur Intention der Beschwerdeführerin lediglich die Aussage, dass sie „genau wusste, dass ihre Begleiter vorhatten, in das Juweliergeschäft einzubrechen“ (US 6), was nicht einmal eine hinreichende Basis für eine Verurteilung wegen des Grundtatbestands des Diebstahls (§ 127 StGB) darstellt.

Bezüglich des Schuldspruchs 3 genügen schon die Feststellungen zur objektiven Tatseite nicht zur rechtsrichtigen Subsumtion. Die Tatrichter halten hiezu fest, dass Johann E***** „Verletzungen“ im Handrückenbereich und am linken Schienbein erlitten habe (US 7), und stellen solcherart keinen Sachverhaltsbezug her, womit die angefochtene Entscheidung auch insoweit an einem Rechtsmangel infolge fehlender Feststellungen leidet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8).

Die Schuldsprüche 1 und 3 waren somit von Amts wegen aufzuheben.

Zum Schuldspruch 2 zeigt die Mängelrüge (Z 5) - nominell verfehlt als Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) - zutreffend unzureichende Urteilsbegründung (Z 5 vierter Fall) auf. Das Erstgericht leitet nämlich zwar die Feststellungen zur subjektiven Tatseite methodisch zulässig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452) aus dem objektiven Tatgeschehen ab, legt aber nicht dar, auf welche Verfahrensergebnisse es die diesbezüglichen Konstatierungen stützt (s US 9). Die weder auf bestimmte Feststellungen noch auf konkrete Beweisergebnisse bezogene Floskel, der konstatierte Sachverhalt ergebe sich „aufgrund des abgeführten Beweisverfahrens“ (US 4, 7), wird dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht gerecht (RIS-Justiz RS0098818).

In Bezug auf den Schuldspruch 2 war daher der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang werden im Fall eines erneuten Schuldspruchs die den jeweiligen Tatbeständen entsprechenden Feststellungen zur subjektiven sowie zur objektiven Tatseite zu treffen und diese den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend zu begründen sein.

Sollte Gewerbsmäßigkeit angenommen werden, wird dabei zu beachten sein, dass diese die Absicht voraussetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen, sodass es auch Feststellungen zu dieser zeitlichen Komponente bedarf (hiezu eingehend Jerabek in WK² § 70 Rz 7).

Zwecks Vermeidung weiterer Fehler sei festgehalten, dass das Erstgericht den als qualifizierten Diebstahl gewerteten Sachverhalt nicht auch einem der Tatbestände des § 128 StGB unterstellt, aber dennoch von einem „schweren“ Diebstahl ausgeht (US 2).

Über die allfällige Einziehung wird nicht - wie hier (US 3) - in einem gesonderten Beschluss, sondern im Strafurteil zu entscheiden sein (§ 443 Abs 1 StPO). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Einziehung nur dann Platz greift, wenn sie nach der besonderen Beschaffenheit des Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken (§ 26 Abs 1 StGB), womit sie nur dann auszusprechen ist, wenn die Tauglichkeit für irgendeine Art von Delinquenz überwiegt (Ratz in WK² § 26 Rz 12).

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