European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00035.16K.0627.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hermann K***** des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs 1, 85 Z 1 StGB in der Fassung vor BGBl I 2015/112 (I./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 23. Dezember 2013 in F*****
I/) Franz M***** durch Versetzen von Faustschlägen und Tritten gegen den Kopf vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte, nämlich eine Impressionsbruchverletzung der Schädelkalotte im linken Stirn‑Schläfenbein, eine Tripod‑Fraktur mit Gesichtsschädelfraktur im Bereich des linken Jochbeins bzw des Jochbogens, der linken Augenhöhlenwand, des Augenhöhlenbodens und der vorderen Kieferwand mit Impression und Verlagerung von Knochenbruchfragmenten des Oberkiefers links, eine subdurale Blutung über der Großhirnhalbkugel, Hirnsubstanzblutungen im Bereich der Großhirnlappen, eine Bruchverletzung im rechten Schläfen‑Scheitelbereich mit fronto‑basaler Frakturausstrahlung, Hautabschürfungen über dem Grundgelenk des rechten Zeigefingers, eine teilweise Sehnervschädigung links, eine Reduktion der zentralen Sehschärfe links und eine Gesichtsfeldeinschränkung, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge, nämlich eine Einschränkung der Sehschärfe des linken Auges um 60 %, sohin eine schwere Schädigung des Sehvermögens nach sich gezogen hat;
II.) Martin Mi***** durch die Äußerung: „Pass auf, was du bei der Polizei sagst, weil du sonst genauso aussiehst wie M***** und du dich in S***** und in V***** nicht mehr blicken lassen kannst!“, mithin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, zu einer Unterlassung, und zwar zur Abstandnahme von einer wahrheitsgemäßen Aussage vor der Polizei, zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS‑Justiz RS0106268). Soweit sich die Mängelrüge (zu I./) auf die Feststellung bezieht, wonach der Angeklagte mit dem Opfer gemeinsam das Lokal verließ, wird ein entscheidender Umstand nicht angesprochen. Im Übrigen hat das Erstgericht, das sich diesbezüglich unter anderem auf die Aussage des Zeugen Manfred S***** stützte, dessen Angaben, wonach M***** K***** durch die Tür drängte oder ihn zur Tür hinausbrachte, nicht unrichtig oder in seinen wesentlichen Teilen unvollständig wiedergegeben (Z 5 letzter Fall; RIS‑Justiz RS0099431).
Die Mängelrüge wendet sich weiters gegen die Konstatierung, wonach der Angeklagte zum Tatzeitpunkt mittelgradig alkoholisiert war und nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand der vollen Berauschung handelte (US 4, 8). Das Schöffengericht stützte sich diesbezüglich auf das psychiatrische Sachverständigengutachten Dris. W*****. Inwiefern die Aussage des Sachverständigen in der Hauptverhandlung, wonach im Fall einer mittelgradigen Berauschung nicht ausgeschlossen werden könne, dass „sich jemand voll berauscht fühlt“ und weiters nicht auszuschließen wäre, dass beim Angeklagten eine bipolare Störung II vorlag (ON 77 S 5), der bekämpften Konstatierung erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte, macht die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht klar. Die Verantwortung des Angeklagten mit teilweisen Erinnerungslücken hat das Erstgericht dabei nicht unberücksichtigt gelassen (US 7).
Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) blieb auch die Aussage des Angeklagten, er hätte sich in einer Notwehrsituation befunden, nicht unerörtert (US 7 ff).
Die Aussage des Zeugen Mi***** (vgl US 7), der Angeklagte hätte M***** mit dem Fuß im Bereich des Oberkörpers getreten (ON 56 S 7; „Genau kann ich dies nicht eingrenzen.“), steht den Feststellungen nicht erörterungsbedürftig entgegen (neuerlich Z 5 zweiter Fall).
Indem die Nichtigkeitsbeschwerde ausführt, aufgrund seines Schuhwerks wäre es dem Angeklagten nicht möglich gewesen, M***** solche Verletzungen zuzufügen, und im Falle eines Fußtritts gegen den Kopf hätte das Opfer zusätzliche Schürf‑ und Abdruckspuren im Gesicht gehabt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf die Aussage des Zeugen Mi***** verweist, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Urteilsannahmen zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0119583).
Der Beschwerdeführer behauptet einen Feststellungsmangel (Z 9 lit b) zum Rechtfertigungsgrund der Notwehr nach § 3 StGB, setzt sich dabei aber über die erstgerichtlichen Konstatierungen hinweg, wonach er zweimal mit dem Fuß gegen den Kopf des „leblos“ am Boden liegenden Opfers eintrat (US 7).
Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) Notwehrüberschreitung nach § 3 Abs 2 StGB behauptet und einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung anstrebt, legt sie nicht dar, weshalb diese Privilegierung angenommen werden sollte, obwohl der Angeklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen aus Zorn handelte (US 5; vgl RIS‑Justiz RS0088869 [T1]).
Soweit der Nichtigkeitswerber ohne ein auf II./ des Schuldspruchs bezogenes Vorbringen die Aufhebung des gesamten angefochtenen Urteils beantragt, war auf seine Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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