OGH 15Os30/89

OGH15Os30/894.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.April 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lässig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz W*** wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Dezember 1988, GZ 8 c Vr 9.226/88-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Franz W*** wurde mit dem bekämpften Urteil (I) des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und (II) des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Als versuchte Notzucht fällt ihm zur Last, am 20.September 1988 in Wien dadurch versucht zu haben, eine Person weiblichen Geschlechts mit Gewalt gegen ihre Person sowie durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben widerstandsunfähig zu machen und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, daß er Petra O*** verfolgte, ihr nachrannte, sie von rückwärts (gemeint: von hinten) an der Schulter erfaßte, einen Arm um ihren Hals legte, sie auf eine Wiese zerrte, sich ihr gegenüber äußerte, wenn sie schreie, steche er sie ab, sie zu Boden warf, sich auf sie drauflegte, sie am Hals packte und zu Boden drückte und ihr mit einer Hand unter den Rock griff und die Strumpfhose ausziehen wollte.

Rechtliche Beurteilung

Der allein gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht gerichteten, auf Gründe der Z 5, 5 a, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Soweit der Beschwerdeführer in der Mängelrüge

(Z 5) - augenscheinlich unter dem Gesichtspunkt eines inneren Widerspruches - zur Feststellung des auf einen Geschlechtsverkehr gerichteten Vorsatzes des Angeklagten darauf verweist, daß das Erstgericht an einer Stelle seiner Ausführungen (US 7) einen Mißbrauch "zur Unzucht, allenfalls zum Beischlaf" konstatierte, übersieht er, daß sich diese Urteilsfeststellung nur auf die der Tat vorgelagerte Phase des Ansichtigwerdens des nachmaligen Tatopfers bezieht; für die zeitlich danach liegende Versuchstat, bis zu der durchaus eine Konkretisierung im Willen des Täters erfolgt sein konnte, leitete das Schöffengericht einen auf Beischlaf gerichteten Vorsatz ohne Begründungsmangel aus dem Gesamtverhalten des Angeklagten bei der Tat, namentlich aus den Körperpositionen des Täters und des Opfers ab (US 9 f).

Soweit der Beschwerdeführer Feststellungen über einen "voll ausgeparkten" Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Tatortes und über eine Anwesenheit von Menschen beim Eingang einer (nahegelegenen) Kirche vermißt und sich dabei auf Aussagen der Zeuginnen K*** und O*** beruft, zitiert er deren Aussagen nur unvollständig und verleiht damit dem Aussageinhalt ein anderes Bild. Denn die Zeugin K*** bekundete, daß die beim Kircheneingang stehenden Menschen (vom Tatort aus) noch nicht zu sehen waren, sondern erst nach Passieren der Ecke (der Kirche). Der Parkplatz hinwieder ist nach der Aussage der Zeugin O*** (S 133) "meistens ziemlich voll", sie konnte sich jedoch nicht daran erinnern, ob dies auch am Tag der Tat der Fall war.

Der Umstand, daß im Urteilsspruch (und in der Anklageschrift) nur vom Ausziehen der Strumpfhose die Rede ist, in den Entscheidungsgründen jedoch vom Versuch, die Strumpfhose und die Unterhose auszuziehen (US 8), betrifft - ganz abgesehen davon, daß nach üblichen Bekleidungsgepflogenheiten eine Unterhose unter einer Strumpfhose getragen zu werden pflegt - ebensowenig eine entscheidende Tatsache, wie der Umstand, ob die Strumpfhose (und die Unterhose) zum Zweck der Ermöglichung eines Geschlechtsverkehrs ausgezogen oder (nur) heruntergezogen werden.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers stellte das Schöffengericht sehr wohl fest, worin es eine Widerstandsunfähigkeit des Tatopfers sah, denn es konstatierte, daß sich der (185 cm große - S 46) Angeklagte auf den Körper des 15-jährigen Mädchens legte und es dabei mit einer Hand am Hals fest zu Boden drückte (US 7). Eine vom Schöffengericht außerdem festgestellte (erfolglose) Gegenwehr steht dazu nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint - in Widerspruch, wurden doch vorliegend als Tatmittel nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch eine Drohung angewendet, sodaß bei Beurteilung der Frage der Widerstandsunfähigkeit insbesondere auch die psychische Beeinträchtigung des Tatopfers beachtlich ist (SSt 56/42 = JBl 1986, 59, SSt 52/5, EvBl 1986/147 ua); dies ganz abgesehen davon, daß ein festes Zubodendrücken am Hals bereits als Gewalt zu beurteilen ist, durch welche die Bewegungsfreiheit des Opfers derart eingeschränkt wird, daß es einen dem Tätervorhaben entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen kann (12 Os 68/88); außerdem verlangt versuchte Notzucht noch nicht Vorliegen einer Widerstandsunfähigkeit (13 Os 90/87, 11 Os 191/77). Soweit der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Aussage der Zeugin K*** (S 127) moniert, das Schöffengericht hätte nur feststellen dürfen, daß er versucht habe, sich auf das Tatopfer draufzulegen, vermag er abermals keinen Begründungsmangel aufzuzeigen, denn diese Zeugin bekundete zugleich, daß sie das daran anschließende Geschehen nicht beobachtete, schließt damit keineswegs aus, daß dieser "Versuch" in der Folge auch gelang, wie die vom Schöffengericht als voll glaubwürdig erachtete (US 9) Zeugin O*** bekundete. Daß die Aussagen der beiden Zeuginnen nicht in allen Details völlig deckungsgleich sind, wurde vom Schöffengericht ohnedies nicht übersehen, vielmehr ausgeführt, daß die Angaben der Zeugin O*** im wesentlichen von der Zeugin K*** bestätigt werden (US 9).

Auch die Urteilsfeststellung, daß der Beschwerdeführer sofort aufgesprungen war, als er die herannahende Zeugin K*** wahrnahm (US 8), ist mit keinem Begründungsmangel behaftet. Sie findet nämlich in der vom Schöffengericht als voll glaubwürdig erachteten Aussage der Zeugin O*** Deckung, die gerade diesen Umstand in ihrer in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltenen (S 131, 135) Vernehmung vor der Polizei (S 20) bekundet hatte.

Bei den Ausführungen des Schöffengerichtes, daß die Angaben der Zeugin O*** im wesentlichen von der Zeugin K*** bestätigt wurden (US 9), handelt es sich - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - gar nicht um eine "Feststellung" (zum Urteilssachverhalt), sondern um Darlegungen im Rahmen der Beweiswürdigung des Gerichtes, die im übrigen angesichts der Bekundungen der Zeugin K*** über das Umfassen des Tatopfers um den Hals, einer Gegenwehr, eines Zu-Boden-Bringens des Opfers und dem "Versuch" des Täters, sich draufzulegen sowie der Bekundungen über die der Tat nachfolgenden Äußerungen des Opfers ihr gegenüber und dessen Zustandsbild keineswegs unzutreffend ist.

Auch mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf eine Passage in der Aussage der Zeugin O*** (S 133), die er aus dem Zusammenhang löst, vermag er keinen Begründungsmangel aufzuzeigen. Denn die Zeugin hatte - was der Beschwerdeführer übergeht - vorerst erklärt, sie könne nicht sagen, wie lange der Vorfall gedauert habe, sodaß sich ihre anschließende Äußerung, "vielleicht eine Minute" ersichtlich als höchst vage Zeitschätzung darstellt, mit der sich das Schöffengericht nicht beschäftigen mußte.

Eine vom Beschwerdeführer vermißte Feststellung, daß außer der Zeugin K*** noch Schüler gekommen seien, war nicht erforderlich, denn diese waren - was der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen wieder verschweigt - noch hinter der Brücke (S 133); erst von der Brücke aus ist, wie sich aus der Aussage der Zeugin K*** ergibt, die Sicht auf den Tatort gegeben. Desgleichen waren Feststellungen über ein wiederholtes Begehen des Geländes durch Hundebesitzer und über einen Parkplatz in der Nähe der Kirche entbehrlich, zumal nicht einmal der Beschwerdeführer selbst behaupten konnte, es seien (zur Tatzeit) Hunde- oder Autobesitzer anwesend gewesen. Auch eine Feststellung, daß die Zeugin K*** ein Schreien des Tatopfers nicht hörte (S 128), war nicht erforderlich, denn die Zeugin O*** räumte ohnedies ein, daß ihr Schreien möglicherweise nicht sehr laut war (S 133 f), wozu kommt, daß sie nach der Bekundung der Zeugin K*** unmittelbar nach der Tat "ziemlich fertig war" und "fast nichts sagen" konnte (S 128). Soweit aber der Beschwerdeführer aus all diesen Umständen eine mangelnde Glaubwürdigkeit der Zeugin O*** ableitet, begibt er sich auf das ihm im Rahmen einer Mängelrüge verwehrte Gebiet der Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung. Das Schöffengericht stellte fest, daß der Angeklagte nach seinem Aufspringen davonging (US 8). Eine zusätzliche Feststellung, daß er keineswegs gelaufen sei, war entbehrlich.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Rechts- und Subsumtionsrügen (Z 9 lit a und b sowie Z 10) sind durchwegs nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Denn die Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe hat vom festgestellten Urteilssachverhalt auszugehen und diesen mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen. Eine prozeßordnungsgemäße Darstellung solcher Beschwerdegründe liegt nicht vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird. Derartige Ausführungen können einer materiellrechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Der Beschwerdeführer weicht vom festgestellten Urteilssachverhalt ab, indem er das Postulat aufstellt, es sei davon auszugehen, daß sich die Tat so abgespielt habe, wie er sie dargelegt habe. Gerade aber seine Darstellung wurde vom Gericht als unglaubwürdig abgelehnt (US 9).

Auch mit der Behauptung, er sei freiwillig vom Notzuchtsversuch zurückgetreten, verläßt er die Urteilsfeststellungen, wonach (ausschließlich) das Herannahen der Zeugin K***, mithin die Störung durch eine dritte Person, Ursache war, daß er aufsprang und davonging (US 8 und 10).

In seinen Ausführungen in der Subsumtionsrüge, in denen er vorerst eine Beurteilung der Tat (bloß) als Freiheitsentziehung nach § 99 StGB anstrebt, übergeht er die Feststellung des auch auf Ausübung des Beischlafes gerichteten Vorsatzes.

Soweit er in diesem Rahmen letztlich ausführt, es könne durch nichts erwiesen werden, daß er einen Geschlechtsverkehr vollziehen wollte und auf seine Ausführungen zu behaupteten Begründungsmängeln (Z 5) zur Widerstandsunfähigkeit Bezug nimmt, versucht er erneut nur Tatsachenfeststellungen zu bekämpfen und bringt insoweit keine Rechtsrüge zur Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt sofort bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO). Die Entscheidung über die vom Angeklagten außerdem erhobene Berufung fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien (§ 285 i StPO).

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