OGH 13Os90/87

OGH13Os90/8710.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang L*** wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 22. April 1987, GZ. 11 Vr 1387/86-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Petsch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 25.Februar 1967 geborene Buchbinder Wolfgang L*** wurde des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB. (A) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4, erster Fall, StGB. (B) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wels

(A) versucht, Personen weiblichen Geschlechts mit Gewalt gegen ihre Person oder durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben widerstandsunfähig zu machen und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, und zwar

I. am 10.Juni 1986 gegen 23.30 Uhr Renate Z***, indem er ihr ein Kleidungsstück über den Kopf warf, sie in der Folge mit Gewalt zu Boden drückte, ihr die Kleidung vom Körper riß sowie durch die Äußerung "Sei still, sonst bringe ich dich um",

II. am 11.Juni 1986 gegen 0.45 Uhr Monika S***

dadurch, daß er ihr ein gerolltes Handtuch vor den Mund hielt, sie auf das Bett niederdrückte und ihr anschließend eine Ohrfeige versetzte,

III. am 31.August 1986 Karin B*** dadurch, daß er ihr einen Pullover über den Kopf zog, sie zu Boden warf, sie hinter einen Busch zerrte und sich auf sie setzte;

(B) am 31.August 1986 den Walter S***, der Karin B*** bei dem unter A III angeführten Angriff zu Hilfe eilte, durch Versetzen eines Stoßes gegen die Brust, wodurch er von einer Mauer herunterstürzte und Hautabschürfungen im Bereich der rechten Wade und über der linken Kniescheibe sowie einen Ausriß des Meniskushinterhorns mit Seitenbandläsion im Bereich des linken Knies erlitt, fahrlässig am Körper schwer verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche werden vom Angeklagten mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 li.t a und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten.

Unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung wird gegen den Schuldspruch A generell eingewendet, das Erstgericht habe sich nicht mit der Verantwortung auseinandergesetzt, der Beschwerdeführer sei infolge starker Alkoholisierung gar nicht mehr in der Lage gewesen, einen Geschlechtsverkehr durchzuführen.

Abgesehen davon, daß in den Urteilsgründen auf den Grad der jeweiligen Alkoholisierung des Angeklagten bei der Verübung der deliktischen Angriffe ohnedies eingegangen und eine volle Berauschung im Sinn des § 287 StGB. zu den Tatzeitpunkten ausgeschlossen worden ist (S. 352 bis 355, 357), würde eine auf Alkoholeinwirkung beruhende Beischlafsunfähigkeit die Strafbarkeit des Versuchs nicht ausschließen. Absolute Untauglichkeit des Versuchs kommt nur bei dauernder und genereller Unfähigkeit des Täters zur Vollziehung des Beischlafs in Betracht (Pallin im WK., Rz. 25 zu § 201 StGB.).

Als nicht zielführend erweisen sich aber auch die gegen den Schuldspruch A III gerichteten, Begründungsmängel (Z. 5) behauptenden Beschwerdeeinwände. Richtig ist, daß der Angeklagte im Gegensatz zu seiner Darstellung gegenüber dem Opfer und unmittelbar danach gegenüber dem Meldungsleger, er habe Karin B*** vergewaltigen wollen (S. 11, 22), bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Polizei und vor dem Untersuchungsrichter angegeben hat, nur das Bedürfnis gehabt zu haben, das Mädchen zu betasten (S. 26, 27, 38). In der Hauptverhandlung hat er indes ausdrücklich erklärt, auch diese am Tag der Tat noch unter Alkoholeinfluß geänderte Verantwortung nicht aufrechtzuerhalten, und sich ausschließlich auf eine Erinnerungslücke zufolge voller Berauschung berufen (siehe insbesondere S. 296, 302). Unter Bedachtnahme auf diese unmittelbar in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO.) auch unter Vorhalt der abweichenden Angaben im Vorverfahren gewählte Einlassung bedurfte es im Rahmen der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO.) keiner weiteren Erörterung der wechselnden Verantwortungen. Dies umso weniger, als aus dem sich aus allen Aussagen der Opfer ergebenden Gesamtverhalten des Angeklagten (in Verbindung mit dessen Geständnis unmittelbar nach der Festnahme) mängelfrei gefolgert werden konnte, daß sein Tun auch im gegenständlichen Fall (A III) darauf abgezielt hat, Karin B*** in einen Zustand körperlicher und psychischer Widerstandsunfähigkeit zu versetzen und in diesem Zustand sodann zum Beischlaf zu mißbrauchen (S. 355). Aber auch mit dem Hinweis auf die Zeugenaussage der Karin B***, (zufolge des brutalen Vorgehens des Angeklagten) zuletzt keinen aktiven Widerstand mehr geleistet und versucht zu haben, diesen - wie auch festgestellt wurde (S. 350) - durch Zureden von seinem Vorhaben abzubringen, vermag der Beschwerdeführer keine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung aufzuzeigen. Da ihm bloß versuchte Notzucht angelastet wird, kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte den ersten Deliktsakt, die Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit des Opfers, vollendet hat und es ihm tatsächlich gelungen ist, den Willen der B*** zu brechen. Aus diesem Grund stellt es auch keinen inneren Widerspruch betreffend entscheidungswesentliche Tatsachen dar, wenn das Gericht angenommen hat, daß eine Tatvollendung jeweils durch die Gegenwehr der Renate Z*** (A I) und der Monika S*** (A II)

unterblieben ist, der Angeklagte also sein Ziel, sie im Zustand der Widerstandsunfähigkeit zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, nicht erreicht hat. Beim Faktum A I kommt noch hinzu, daß nach den - auch insoweit überzeugend begründeten - Urteilsannahmen die Widerstandsunfähigkeit der Frau durch die inkriminierten Gewaltakte und Drohungen des Angeklagten tatsächlich herbeigeführt worden und die Tatvollendung nur deshalb unterblieben ist, weil unmittelbar vor der Vollziehung des Geschlechtsverkehrs in der Nähe ein Auto gestartet und diese Gelegenheit von Renate Z*** zu Hilferufen genützt wurde (S. 344, 345).

Mangels Entscheidungsrelevanz ist schließlich auch die Erörterung der in der Hauptverhandlung einverständlich verlesenen Zeugenaussage des Walter S***, er sei bei der Verfolgung des Angeklagten auf der Mauer "noch nicht wieder oben im Gleichgewicht" gewesen (S. 168 in Verbindung mit S. 335), in den Entscheidungsgründen entbehrlich gewesen. Wird doch damit keineswegs die Annahme tangiert, S*** sei durch einen Stoß des Angeklagten, den ihm dieser - wie er selbst nicht in Abrede stellte - versetzt hat, um sich freie Bahn für seine weitere Flucht zu verschaffen, rücklings von der Mauer gestürzt und habe sich dadurch schwere Verletzungen zugezogen (S. 351, 353); ebensowenig die Voraussehbarkeit der eingetretenen schweren Verletzungen als Folge eines Stoßes und eines dadurch verursachten Sturzes von einer Mauer in Frage gestellt.

Die Mängelrüge versagt somit in allen Punkten.

Unter Z. 9 lit a und 10 rügt der Beschwerdeführer zudem, die zur inneren Tatseite getroffenen Tatsachenfeststellungen seien nicht geeignet, den Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung (B) und die Zurechnung der bei Walter S*** eingetretenen schweren Verletzungsfolgen als fahrlässig herbeigeführt (§ 7 Abs 2 StGB.) zu tragen. Soweit er hiebei die Annahme von Tatumständen vermißt, auf Grund deren er es für möglich gehalten habe, einen dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalt zu verwirklichen (§ 6 Abs 2 StGB.), übersieht er, daß für den Tatbestand des § 88 StGB. auch unbewußte Fahrlässigkeit (§ 6 Abs 1 StGB.) genügt. Im übrigen ist dem Schöffensenat beizupflichten, daß in der konkreten Tatsituation für den Angeklagten voraussehbar gewesen ist, daß sein Kontrahent infolge des Stoßes rücklings von der Mauer stürzen und sich dabei (beim Versuch, sich abzustützen oder bei einem unglücklichen Auftreten auf dem Boden) im Bereich der Beine schwer verletzen könnte, und daß das in diesem Zusammenhang festgestellte Tatverhalten des Beschwerdeführers sämtlichen Kriterien einer fahrlässigen Körperverletzung mit schweren Folge nach § 88 Abs 1 und Abs 4, erster Fall, StGB. entspricht. Das Versetzen eines Stoßes unter den gegebenen Verhältnissen stellt - insbesondere im Hinblick auf das Anhaltungsrecht des Verfolgers des Sittlichkeitsattentäters (§ 86 Abs 2 StPO.) - ein sorgfaltswidriges Verhalten dar, dessen Erfolg auch in bezug auf die qualifizierenden Tatfolgen als mit seiner Handlungsweise im Kausal-, Adäquanz- und Risikozusammenhang (im Sinn der herrschenden Lehre und Rechtsprechung) stehend dem Angeklagten objektiv und subjektiv zuzurechnen ist.

Einen den Schuldspruch A betreffenden Subsumtionsirrtum gemäß der Z. 10 macht der Beschwerdeführer mit der Behauptung geltend, die bezüglichen Handlungen würden den Tatbestand der versuchten Notzucht weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht verwirklichen, sie wären vielmehr rechtsrichtig teils (A I und II) als (versuchte) Nötigung zum Beischlaf (§ 202 StGB.), teils (A III) als (versuchte) Nötigung zur Unzucht, eventuell als Zwang zur Unzucht (§§ 204 bzw. 203 StGB.) zu beurteilen gewesen. Hiebei verweist der Beschwerdeführer zum einen darauf, daß die Gewaltanwendung nicht dem Charakter einer Überwältigung entsprochen hätte, weil sich die Opfer nicht in einer Lage extremer Hilflosigkeit befunden hätten, sondern noch zur Manifestierung eines entgegenstehenden Willens in der Lage gewesen seien; zum anderen sei durch die zur inneren Tatseite getroffenen Urteilsfeststellungen die Annahme eines auf Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit der Überfallenen gerichteten Vorsatzes nicht gedeckt.

Richtig ist, daß der Tatbestand der Notzucht (§ 201 Abs 1 StGB.) die Anwendung von Gewalt oder von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben verlangt, welche die Frau widerstandsunfähig machen. Dies bedeutet aber nicht, daß die Person weiblichen Geschlechts völlig unfähig sein muß, sich zur Wehr zu setzen; es genügt, daß sie durch diese Mittel in einen Zustand versetzt wird, in welchem sie ihren dem Vorhaben des Täters entgegenstehenden Willen nicht mehr wirksam betätigen kann (SSt. 52/5 = LSK. 1981/90). Widerstandsunfähigkeit im Sinn des § 201 StGB. setzt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung (LSK. 1976/237, 1979/313 u.a.) die Unmöglichkeit, Aussichtslosigkeit oder Unzumutbarkeit weiteren Widerstands voraus. Daß es im Tatplan des Angeklagten lag, den Widerstand der Frauen zu brechen und diese (insbesondere durch Anwendung brutaler körperlicher Gewalt und durch zusätzliche Anwendung einer Weste, eines Pullovers und eines zusammengerollten Handtuchs) in einen Zustand extremer Hilflosigkeit zu versetzen, um sie sodann in diesem Zustand zum Beischlaf zu mißbrauchen, hat das Erstgericht aber in jedem einzelnen Fall ausdrücklich als erwiesen angenommen (S. 344, 347, 349, 355). Soweit diese Feststellungen in der Beschwerde unberücksichtigt bleiben, entbehrt sie der gesetzmäßigen Darstellung.

Schlußendlich kann die Frage des Eintritts der Widerstandsunfähigkeit, wie schon in anderem Zusammenhang ausgeführt, in allen Fällen auf sich beruhen, weil dem Angeklagten Notzucht lediglich in der Entwicklungsstufe des Versuchs vorgeworfen wird. Von urteilsfremden Annahmen geht der Beschwerdeführer letztlich aus, wenn er die zum Urteilsfaktum A III getroffene Feststellung negiert, wonach seine Handlungsweise nicht bloß auf unzüchtige Betastung der Karin B***, sondern auf eine Ausübung des Beischlafs abgezielt hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagte nach §§ 28, 201 Abs 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und wertete als erschwerend das "Zusammentreffen von strafbaren Handlungen derselben mit solchen verschiedener Art" sowie die leichten Verletzungen der Renate Z*** und der Karin B***. Als mildernd wurden hingegen berücksichtigt die bisherige Unbescholtenheit, das Teilgeständnis (ohne jede Schuldeinsicht) und der Umstand, daß es in allen drei Fällen der Notzucht beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die "tatschuldangemessene" Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Richtig ist das Berufungsvorbringen insoweit, als auf das Alter des Rechtsmittelwerbers zum Tatzeitpunkt (neunzehn Jahre) hingewiesen wird, sodaß der gesetzliche Milderungsumstand des § 34 Z. 1 StGB. zu berücksichtigen ist. Die ebenfalls herausgestrichene Tatsache aber, daß Wolfgang L*** bei den einzelnen Tathandlungen jeweils unter nicht unerheblichem Alkoholeinfluß stand, kann im Hinblick darauf, daß er schon längere Zeit vorher zum Alkoholmißbrauch neigte und seine Freundin schon in diesem Zustand brutal mißhandelt hatte (S. 48 in Verbindung mit S. 335), nicht als mildernd gewertet werden, weil unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens (S. 328) ihm die Trunkenheit vorzuwerfen ist (§ 35 StGB.). Auch die Anerkennung (geringer) Schadenersatzbeträge bildet keinen Milderungsumstand (Leukauf-Steininger2, RN. 23 zu § 34 StGB.). Das (eingeschränkte) Geständnis wurde ohnehin als mildernd gewertet.

Unabhängig von den wie oben korrigierten Milderungsumständen bleibt aber die für die Strafzumessung in diesem Kriminalfall ausschlaggebende Tatsache bestehen, daß der im alkoholisierten Zustand zu aggressiven Sexualattacken neigende Berufungswerber innerhalb kurzer Zeit drei derartige, jeweils mit einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Verbrechen begangen hat, die noch dazu mit Verletzungen der Opfer und eines Helfers einhergingen. Unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Täters und der geringen Möglichkeit für die Frauen, sich vor seinen Angriffen zu schützen, ist die Schuld als sehr hoch zu bewerten (§ 32 Abs 3 StGB.), weshalb nach § 28 Abs 1 StGB. zwar nur eine - den Unrechtsgehalt aller Fakten absorbierende - Freiheitsstrafe zu verhängen ist, die sich aber im Hinblick auf den Erschwerungsgrund des § 33 Z. 1 StGB. nicht mehr zu nahe an der Strafuntergrenze bewegen kann. Das vom Schöffengericht gefundene Strafausmaß erscheint dem Obersten Gerichtshof nicht reduzierungsbedürftig, zumal - worauf die Berufung und ein dem Obersten Gerichtshof vom Sozialen Dienst im Gefangenenhaus Wels zugemitteltes Schreiben hinweisen - bereits eingeleitete Behandlungserfolge jedenfalls im Rahmen der bedingten Entlassung zu berücksichtigen sein werden. Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

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