Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Gerhard S***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 11. September 2005 in Graz Doris F***** mit Gewalt, indem er ihr die Unterwäsche herunterriss, sie trotz Gegenwehr auf seinem Bett festhielt und ihr die Beine auseinanderdrückte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich dem mehrmaligen Einführen mehrerer Finger genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Die auf Z 4, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. In der Hauptverhandlung vom 17. Jänner 2006 beantragte der Verteidiger die Vernehmung der Doris F***** zum Beweis dafür, „dass die vom Zeugen H***** heute relativierten Äußerungen hinsichtlich seiner Einvernahme vor der Untersuchungsrichterin am 18. Oktober 2005 nicht der Richtigkeit entsprechen und von ihr (der Zeugin) nur falsch aufgefasst wurden, derartige Äußerungen hat Herr H***** nie getätigt" (S 224). Durch die Abweisung dieses Antrages unter Hinweis auf das von der Zeugin in Anspruch genommene Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO habe das Erstgericht eine vorgreifende Beweiswürdigung vorgenommen, weil die Zeugin in Wahrheit kein Entschlagungsrecht habe und dessen Gewährung auch nur nach persönlicher Rechtsbelehrung durch den Senat zulässig wäre (Z 4). Dem Beschwerdevorbringen zuwider durften die Tatrichter die beantragte Beweisaufnahme ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ablehnen. Zum einen betrifft die als Beweisthema genannte Aussage des Hannes H***** betreffend ein vor der Tat geführtes Gespräch, in dem ihm der Angeklagte sinngemäß erklärt habe, Hauptsache sei, er bekomme das von ihr (Doris F*****), was er wolle, keinen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321), weil Gerhard S***** - entgegen der Argumentation in der Beschwerde - nach den Annahmen der Tatrichter zu diesem Zeitpunkt (lediglich) „den Vorsatz gefasst hatte, mit Doris F***** sexuelle Handlungen durchzuführen" (US 4), den tatbestandsessentiellen Nötigungsvorsatz aber erst später bildete (US 5). Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum die Zeugin F***** bestätigen können soll, dass die Depositionen des Zeugen H***** vor der Untersuchungsrichterin „nicht der Richtigkeit entsprechen und von ihr nur falsch aufgefasst wurden". Zu den in der Beschwerde relevierten Fragen des Bestehens eines Entschlagungsrechtes zu diesem Beweisthema und der Notwendigkeit einer „persönlichen Belehrung" der Zeugin bleibt anzumerken, dass eine - vom Angeklagten offenbar angestrebte - partielle Zeugnisbefreiung (§ 152 Abs 4 StPO) - vom Fall der Angeklagtenmehrheit abgesehen - nur bei einem von mehreren (trennbaren) Sachverhalten, nicht aber in Bezug auf einzelne Aspekte und Begleitumstände eines einzigen unter Anklage gestellten Sachverhaltes in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0097865), und das Gesetz einen Entfall des Entschlagungsrechtes auch bei Hervorkommen neuer Beweisergebnisse (nach Durchführung einer kontradiktorischen Vernehmung im Sinn des § 162a StPO) nicht vorsieht (RIS-Justiz RS0110798). Zudem ist die Gültigkeit der Erklärung einer Zeugin, von ihrem Entschlagungsrecht in der Hauptverhandlung Gebrauch machen zu wollen, von einer richterlichen Belehrung über ein Entschlagungsrecht gänzlich unabhängig (RIS-Justiz RS0117927).
Auch die Mängelrüge (Z 5) bezieht sich auf die aus der Aussage des Zeugen H***** abgeleitete Feststellung, wonach der Angeklagte bereits bei Aufsuchen der Wohnung der Doris F***** den Vorsatz hatte, mit dieser sexuelle Handlungen durchzuführen, macht damit aber - wie oben ausgeführt - keinen formellen Begründungsmangel in Bezug auf eine schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsache (WK-StPO, § 281 Rz 399) geltend. Zudem haben sich die Tatrichter mit Unsicherheiten und Diskrepanzen in den Angaben jenes Zeugen eingehend auseinandergesetzt (US 7 f) und im Einklang mit den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen begründet dargelegt, warum sie die in Rede stehende Feststellung getroffen haben.
Der Umstand, dass Doris F***** dreimal pro Woche Männerbesuch empfangen haben soll, betrifft ebensowenig eine entscheidende Tatsache in der Bedeutung dieses Nichtigkeitsgrundes, wie die Frage, ob die bei Doris F***** vorhandenen „blauen Flecken" auf - wie die Beschwerde behauptet - alkoholbedingte Stürze zurückzuführen sind, stellt doch eine Körperverletzung kein Tatbestandselement der von den Tatrichtern als begründet angesehenen strafbaren Handlung des § 201 Abs 1 StGB dar.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht die Glaubwürdigkeit der Zeugin F***** in Zweifel zu ziehen, indem sie auf deren Alkoholabhängigkeit, die „schwer einsichtigen" Verletzungen, ihre Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung und das Nichtauffinden von Damenunterwäsche bei einer Nachschau in der Wohnung des Angeklagten hinweist, vermag damit aber keine - von den Tatrichtern nicht ohnehin schon in ihre Erwägungen einbezogenen (US 6 f) - sich aus den Akten ergebenden Umstände aufzuzeigen, die erhebliche Bedenken gegen die Feststellung der dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tatsachen wecken. Soweit sie im Übrigen pauschal auf „zahlreiche Widersprüchlichkeiten" in den Angaben dieser Zeugin verweist, unterlässt sie die zur prozessordnungsgemäßen Ausführung erforderliche deutliche und bestimmte Bezeichnung in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweisergebnisse (WK-StPO § 281 Rz 471).
Die Subsumtionsrüge (Z 10), die Feststellungen zur „schweren Gewalt" als Nötigungsmittel vermisst, argumentiert nicht auf Basis des geltenden Rechtes (die Differenzierung zwischen „Gewalt" und „schwerer Gewalt" in § 201 StGB wurde durch das StRÄG 2004, BGBl I 2004/15 aufgehoben) und entzieht sich so einer sachbezogenen Erwiderung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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