Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung aller zu 1./ bis 5./ genannten Taten auch unter Abs 2 erster Fall des § 202 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Walter B***** hat durch die ihm zu 2./ bis 5./ zur Last liegenden Taten in einem Fall das Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 und in drei weiteren Fällen die Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242, weiters durch die ihm zu 1./ zur Last liegende Tat das Vergehen der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 202 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil der Strafe von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Den Berufungen gegen den Privatbeteiligtenzuspruch wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte (zu 2./ bis 5./) der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und (zu 1./) des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 und 2 erster Fall StGB idF vor dem StRÄG 2004 (gemeint idF BGBl 1989/242) schuldig erkannt.
Danach hat er in Haslach und anderen Orten Bettina B***** (nunmehr K*****) außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt bzw. durch gefährliche Drohung zur Duldung und Vornahme einer geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist und die Taten eine an sich schwere Körperverletzung der Genannten (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zur Folge hatten, und zwar:
1./ im Oktober 1997 in Haslach, indem er der nackt im Bett liegenden Bettina B***** mit Gewalt die Bettdecke wegzuziehen und ihre nackten Brüste anzugreifen versuchte;
2./ im Frühsommer 1998 in Haslach, indem er sie an den Armen zu sich auf den Schoß zog, sie festhielt und an der Brust sowie am Genitalbereich über der Oberbekleidung betastete;
3./ im Frühsommer 1999 in Haslach, indem er sie festhielt und über der Oberbekleidung auf ihre Brüste griff und diese fest drückte;
4./ am 30. April 2002 zwischen Ulrichsberg und Haslach, indem er sie trotz Gegenwehr an den Brüsten und im Schambereich über der Bekleidung berührte, ihre Hand festhielt und sie zu seinem Penis zu führen versuchte;
5./ Ende Juli 2002 zwischen der tschechischen Grenze und Haslach, indem er sie mit den Worten, dass er morgen zu ihr in die Wohnung käme und sie dann drankomme, somit mit der Androhung weiterer geschlechtlicher Nötigungen, gefährlich bedrohte, zur Duldung des Berührens ihrer Brüste und des Genitalbereichs.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die nominell auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl. Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen Gerhard B*****. Dieser war zum Beweis dafür gestellt worden, dass Bettina B***** während aufrechter Ehe eine ehebrecherische Beziehung eingegangen wäre und deshalb die Ehe zerrüttet gewesen und vom Zeugen die Scheidung begehrt worden sei, weiters dass die Genannte die gegenständlichen Vorwürfe erstmals im Zuge des Scheidungsverfahrens „nach strittigen Ausgleichszahlungen und Ehegattenunterhalts", nie aber während aufrechter Ehe bis zum Scheidungsverfahren erhoben habe, schließlich dass sie durch eine Fehlgeburt und die Geburt eines behinderten Kindes psychisch überlastet gewesen und „behandelt" worden sei (S 337). Das Schöffengericht durfte diesen Antrag zu Recht abweisen, wurde doch weder bei seiner Stellung dargetan noch war aus dem Zusammenhang ersichtlich, inwieweit die angeführten Umstände für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung seien (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 36). Soweit die Beschwerde zusätzlich vorbringt, letztgenannter Umstand würde erweisen, dass die - die Qualifikation nach § 202 Abs 2 erster Fall StGB begründende - posttraumatische Belastungsstörung durch die Fehlgeburt und die Geburt eines behinderten Kindes bedingt gewesen sei, vernachlässigt sie, dass der Oberste Gerichtshof die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen prüft und jedes vom Antrag abweichende oder diesen ergänzende Vorbringen im Rechtsmittel unzulässig ist (WK-StPO § 281 Rz 325).
Der Antrag auf Einholung eines neuropsychiatrischen Gutachtens betreffend das Tatopfer zum Beweis dafür, dass „die psychischen Probleme rein persönlich bedingt durch Überlastung, sei es im Arbeitsleben oder Kinderbetreuung" seien und Bettina B***** dazu neige, falsche Behauptungen leichtfertig aufzustellen (S 337 iVm 264), verfiel ebenfalls zu Recht der Ablehnung. Zum erstangeführten Themenbereich hat bereits die Sachverständige Dr. O***** ein Gutachten erstellt (ON 15, S 339 ff). Widersprüche oder Mängel desselben oder des Befunds wurden weder behauptet noch waren solche von Amts wegen ersichtlich, weshalb die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zu unterbleiben hatte (§§ 125, 126 StPO Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 38 mwN). Des weiteren kommt die Hilfestellung durch einen Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen nur ausnahmsweise, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, in Betracht (WK-StPO § 281 Rz 350; 15 Os 8/06z); dass und warum ein derartiger Ausnahmefall vorliege, wurde jedoch bei Antragstellung nicht dargetan.
Auch die Einholung eines zum Beweis dafür, dass aufgrund eines Schlaganfalls eine sexuelle Befriedigung des Angeklagten nicht mehr möglich gewesen sei (S 337 iVm 264), beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens unterblieb zu Recht, wurde doch auch in diesem Punkt im Antrag die keineswegs evidente Relevanz dieses Umstands für die Schuld- oder Subsumtionsfrage nicht dargetan. Der Beschwerde zuwider ist Vorsatz auf sexuelle Befriedigung nicht Tatbestandsvoraussetzung nach § 202 Abs 1 StGB (EvBl 1976/205; Fabrizy, StGB9 § 202 Rz 3).
Die Mängelrüge (Z 5) zeigt mit der Behauptung, es könne nicht mit der für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit festgestellt werden, welches Ereignis bei Bettina B***** eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst habe, keinen Begründungsmangel auf, sondern kritisiert in unzulässiger Form die - in der angeführten Frage insbesondere auf das vorliegende Sachverständigengutachten gestützte und mängelfreie - tatrichterliche Beweiswürdigung ohne einen Begründungsmangel aufzuzeigen. Die von der Beschwerde reklamierten Teile dieses Gutachtens blieben im Urteil nicht unerörtert (s US 9).
Die Feststellungen zu Faktum 4./ stehen nicht in innerem Widerspruch zueinander und sind auch nicht offenbar unzureichend begründet, zumal die Beschwerde verschweigt, dass der rechte Arm des Angeklagten nach den Annahmen der Tatrichter nicht völlig, sondern nur teilweise gelähmt war (US 5).
Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite blieben nicht unbegründet (s US 18 f).
Die Rechtsrüge (nominell verfehlt Z 10, inhaltlich Z 9 lit a) bestreitet zum Faktum 1./ das Vorliegen von Gewalt, orientiert sich dabei aber nicht an den Feststellungen (US 4), wonach der Angeklagte versuchte, seinem Opfer „mit Gewalt" die Tuchent wegzuziehen, was ihm deshalb misslang, weil sich dieses dagegen durch Festklammern an der Decke wehrte. Näherer Feststellungen zur Intensität des - nach den Konstatierungen somit jedenfalls nicht ganz unerheblichen (vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 35) - Kraftaufwands bedurfte es somit nicht. Soweit die Beschwerde zum Faktum 5./ vermeint, es sei keine gefährliche Drohung konstatiert worden, vernachlässigt sie die erkennbare Annahme (WK-StPO § 281 Rz 19) der Tatrichter, die Äußerung, der Angeklagte werde am nächsten Tag in ihre Wohnung kommen und dann werde sie sowieso „dran kommen", habe den Bedeutungsinhalt der Ankündigung „noch schlimmerer sexueller Angriffe" gegen sie gehabt (US 6). Auch diese Feststellungen zur subjektiven Tatseite blieben nicht unbegründet (US 18 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass durch den Schuldspruch das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 StPO).
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten wegen mehrerer (vier) Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und eines Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, jeweils idF BGBl 1989/242. Nach den Feststellungen (US 8) war zwar jede der - nicht im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (dazu Ratz in WK2 Vor §§ 28-31 Rz 104 ff) begangen - Taten (mit)kausal (dazu Burgstaller in WK2 § 80 Rz 68) für die posttraumatische Belastungsstörung, sodass die Ursächlichkeit des Täterverhaltens für den Erfolg als Grundlage der objektiven Erfolgszurechnung hinsichtlich jeder einzelnen Tat gegeben ist. Eine mehrfache Anlastung der Erfolgsqualifikation - wie im Ersturteil bei sämtlichen dem Angeklagten zur Last liegenden realkonkurrierenden strafbaren Handlungen nach § 202 Abs 1 StGB - darf jedoch in Hinblick auf das Gebot der Vermeidung einer doppelten Bestrafung wegen desselben Erfolgsunwerts nicht erfolgen (Burgstaller in WK2 § 7 Rz 33; E.Steininger, SbgK § 7 Rz 55). Der Angeklagte hat daher durch die ihm zur Last liegenden Taten nur ein einziges nach § 202 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB qualifiziertes Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung und damit realkonkurrierend drei Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB sowie ein Vergehen der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB, jeweils idF BGBl 1989/242, begangen.
Bei der damit notwendigen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen und der lange Tatzeitraum als erschwerend, der zuvor ordentliche Lebenswandel sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd zu werten. Der Milderungsgrund, der Angeklagte habe die Taten schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten, liegt nicht vor, da als „längere Zeit" iSd § 34 Abs 1 Z 18 StGB eine Zeitspanne zu verstehen ist, die sich an der fünfjährigen Rückfallsverjährungszeit des § 39 Abs 2 StGB orientiert (vgl Ebner in WK2 § 32 Rz 46). Ebenso wenig kann die Beeinträchtigung des Angeklagten durch einen Schlaganfall im Jahr 2001 mildernd wirken, da dieser Umstand keinem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommt. Im Hinblick auf Tatgewicht und Täterschuld erachtete der Oberste Gerichtshof eine 18-monatige Freiheitsstrafe für angemessen. Insbesondere aus generalpräventiven Gründen bedarf es - wie bereits das Schöffengericht zutreffend ausgeführt hat - in einem Fall mehrjähriger sexueller Gewalt in der Familie mit schweren Folgen trotz der Unbescholtenheit und des fortgeschrittenen Alters des Angeklagten des Vollzugs eines Teils der Strafe; hiefür reicht aber im konkreten Fall ein dreimonatiger Strafteil aus.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten weiters gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages von 5.000 Euro an die Privatbeteiligte Bettina K***** und verwies die Genannte mit ihren darüber hinaus gehenden Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg.
Der Berufung des Angeklagten gegen den Privatbeteiligtenzuspruch kommt keine Berechtigung zu, ist es doch - ihr zuwider - nicht erforderlich, die Höhe des durch die Straftaten herbeigeführten Schadens genauer zu ermitteln, wenn der zugesprochene Teilbetrag (von 5.000 Euro) jedenfalls darunter liegt. Davon ist aber in Hinblick auf die Feststellung einer - durch geschlechtliche Nötigungen über einen Zeitraum von rund fünf Jahren durch den Vater des Freundes und späteren Schwiegervater des (zu Beginn der Tathandlungen 17-jährigen) Opfers bewirkten - posttraumatischen Belastungsstörung der im Urteil im Detail beschriebenen Art (US 8), die einer schweren Körperverletzung gleichzuhalten ist, auszugehen (vgl Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8, 235 ff; 9 Ob 78/99g = SZ 72/165). Mit der Behauptung, dass der Schaden nicht nur durch die Straftaten des Angeklagten, sondern auch andere (weder der Geschädigten noch anderen Personen vorwerfbare) Umstände verursacht worden sei, wird kein die Haftung des Angeklagten (§§ 1325, 1328 ABGB) reduzierender Grund dargetan (§§ 1301 ff ABGB; vgl Spenling, WK-StPO § 369 Rz 26 f), zumal der Schädiger auch dann für den gesamten Schadenserfolg verantwortlich bleibt, wenn zwei Umstände, beispielsweise einerseits die Straftat, andererseits eine besondere Veranlagung des Verletzten, nur zusammen die Schwere des Verletzungserfolges bedingen (9 Ob 78/99g = SZ 72/165). Entgegen der angemeldeten, aber nicht ausgeführten Berufung der Privatbeteiligten ist der Zuspruch eines höheren Betrages jedoch aus den vorliegenden Verfahrensergebnissen nicht ableitbar. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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