OGH 15Os22/09p

OGH15Os22/09p18.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Koba K***** in einer Anstalt nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. November 2008, GZ 091 Hv 105/08i-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Koba K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil dieser unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistig-seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustands, nämlich einer paranoiden Schizophrenie mit kombinierter Persönlichkeitsstörung, mehrere mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Taten begangen hatte, die ihm außer dieses Zustands als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./), das Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach (den) §§ 15, 269 Abs 1 StGB (II./), das Vergehen der schweren Körperverletzung nach (den) §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (III./a./) und die Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach (den) §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (III./b./) zugerechnet würden. Demnach hat er am 11. Juli 2008 in Wien

I./ Anita C*****, die in ihrem Pkw saß, gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit einem Küchenmesser mit 25 cm langer Klinge gegen die Seitenscheibe ihres Fahrzeuges schlug und stach;

II./ die Polizeibeamten [BI] Steven M*****, [RI] Michael L*****, [RI] Roman R*****, [RI] Manuel S*****, [RI] Gerald M***** und [RI] Franz S***** dadurch, dass er mit Messern wiederholte Stichbewegungen gegen sie führte sowie zwei Messer in ihre Richtung schleuderte, sohin mit Gewalt, an einer Amtshandlung, nämlich seiner rechtmäßigen Festnahme, zu hindern versucht;

III./ im Zuge des zu II./ inkriminierten Verhaltens Beamte während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten am Körper verletzt bzw zu verletzen versucht, indem er wie zu II./ beschrieben gegen diese tätlich wurde, und zwar a./ [RI] Gerald M***** verletzt, wobei sich dieser ein 2 cm lange Schnittverletzung am rechten Oberschenkel zuzog;

b./ [BI] Steven M*****, [RI] Michael L*****, [RI] Roman R*****, [RI] Manuel S***** und [RI] Franz S***** zu verletzen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen. Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider wurde die subjektive Tatseite im konkreten Fall mit - wenn auch alleiniger - Bezugnahme auf das objektive Tatgeschehen (US 8 und 11) zureichend begründet. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein diesem zu Grunde liegendes Wissen und Wollen ist methodisch gerechtfertigt und rechtsstaatlich zulässig (RIS-Justiz RS0116882).

Zu Unrecht vermissen sowohl die Mängel- als auch die Subsumtionsrüge zur Anlasstat I./ eine Feststellung dahin, dass die vom Betroffenen getätigte Drohung „unter den gegebenen Umständen objektiv geeignet war, der Bedrohten die Besorgnis nicht nur einer Körperverletzung, sondern eines Anschlags auf ihr Leben einzuflößen". Denn die Frage nach der Eignung der Drohung iSd § 74 Z 5 StGB ist eine Rechtsfrage; die Beurteilung der Ernstlichkeit und des Bedeutungsinhalts einer Drohung hingegen fällt in den Tatsachenbereich. Eine solche Eignung ist dann gegeben, wenn die Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation nach dem objektiven Maßstab eines besonnenen Durchschnittsmenschen unter Mitberücksichtigung der in ihrer Person gelegenen besonderen Umstände die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten, dh den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei willens und in der Lage, diese Folgen, wenngleich nicht unbedingt genau unter den angekündigten Modalitäten, tatsächlich herbeizuführen (vgl Jerabek in WK² § 74 [2008] Rz 33 f).

Im Übrigen bestehen - der das Gegenteil bloß behauptenden, nicht aber argumentativ aus dem Gesetz ableitenden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 ff) Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider - an der Bejahung der Besorgniseignung durch das Erstgericht mit Blick auf die festgestellte, sich aus der Geste des Zustechens und dem Zuschlagen mit dem Messer gegen die Seitenscheibe des Autos ergebende Massivität des drohenden Angriffs und auf die Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen keine Bedenken.

Mit dem lapidaren, erneut sowohl im Rahmen der Mängel- als auch der Subsumtionsrüge vorgetragenen Einwand, zum - für die Verwirklichung des Tatbestands der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB erforderlichen - „bedingten Vorsatz hinsichtlich der Todesfolge" seien keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden, legt der Nichtigkeitswerber nicht dar, welcher zusätzlicher Konstatierungen es zur Annahme des auf gefährliche Drohung mit dem Tod gerichteten Vorsatzes (der fallbezogen hinreichend deutlich festgestellt wurde: US 8; „in der Absicht, Anita C***** durch ... Drohung mit dem Tod in Furcht und Unruhe zu versetzen.") noch bedurft hätte.

Die abschließende Kritik, das Erstgericht habe keine Feststellungen zum Bedeutungsinhalt des Verhaltens des Betroffenen getroffen, ist mit Blick auf den eindeutigen Ausspruch in den Entscheidungsgründen, wonach der Betroffene Anita C***** durch das festgestellte Verhalten gefährlich mit dem Tode bedrohte (US 8), nicht nachvollziehbar. Das weitere dazu erstattete Vorbringen, wonach das In-der-Hand-Halten eines Messers sowie das Hämmern gegen eine Autoscheibe „noch nicht per se eine objektiv ernstzunehmende Todesdrohung" implizieren würden, erschöpft sich in einer Bestreitung der Urteilsannahmen und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Soweit die Rüge aus Z 11 auf der unzutreffenden Prämisse der Aufhebung des Ausspruchs über die Begehung der Anlasstat I./ basiert, kann sie auf sich beruhen. In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die weitere Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) vermisst allerdings zu Recht über die bloße Zitierung des Gesetzeswortlautes hinausgehende konkrete Urteilsannahmen für das Vorliegen einer Prognosetat. Denn die alleinige Wiedergabe der verba legalia, wonach zu befürchten sei, „dass der Betroffene unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen werde" (US 10), stellt noch keine ausreichende Feststellungsgrundlage dar, die geeignet wäre, die angeordnete Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB zu tragen. Die Prognosetat ist im Urteil nämlich zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben, um solcherart die rechtliche Beurteilung der zu erwartenden mit Strafe bedrohten Handlung(en) mit schweren Folgen zu ermöglichen (vgl RIS-Justiz RS0118581 [T3, T10], RS0113980 [T8, T10]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 721 und derselbe in WK² § 21 Rz 26). Das Urteil war daher in seinem Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aufzuheben und es war die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Mit seiner Berufung war der Betroffene auf die teilkassatorische Entscheidung zu verweisen.

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