OGH 15Os175/98

OGH15Os175/9817.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jannie Leon G***** und Jochen V***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 19. Mai 1998, GZ 12 Vr 296/98-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, der Angeklagten Jannie Leon G***** und Jochen V*****, der Verteidiger Dr. Rödler und Dr. Maurer sowie Mag. Brigitte Busch als Dolmetsch für die englische Sprache zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Jannie Leon G***** und Jochen V***** des "teils vollendeten, teils versuchten" Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB, Jochen V***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie

I. Jannie Leon G***** den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, und zwar 20,6350 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 1040+/-146 Gramm Delta-9-THC, somit in einer Menge, die zumindest das 25-fache der im § 28 Abs 2 (gemeint: Abs 6) SMG angeführten großen Menge, "deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen", ausmacht, dadurch, daß er das Suchtgift per Flugzeug von Johannesburg nach Brüssel brachte und in der Folge von Brüssel nach Wien transportieren wollte, wobei aber in Brüssel (durch belgische Polizeiorgane) der größte Teil der Suchtgiftmenge durch einen Ersatzstoff ausgetauscht wurde,

"1. am 23. 2. 1998 in Schwechat in einer Menge von 85,58 g nach Österreich eingeführt und

2. am 22. 2. 1998 in Johannesburg die Restmenge nach Österreich einzuführen versucht;"

II. Jochen V***** zur Ausführung der zu Punkt I. bezeichneten Tat des Jannie Leon G***** dadurch beigetragen, daß er auf dem Flughafen Schwechat Jannie Leon G***** unter Mitnahme eines Fotos des Genannten erwartete, ihn in Empfang nahm, ihm mitteilte, daß er den Koffer mit dem Suchtgift weiter nach Amsterdam bringen müsse, ihn zum Westbahnhof in Wien geleitete, ihm dort ein Zugticket nach Amsterdam kaufte und für eine Verwahrung des Suchtgiftkoffers in einem Schließfach sorgen sollte.

Den Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagte mit gesondert ausgeführten, jeweils auf die Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, die jedoch fehl gehen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jannie Leon G*****:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) finden die - vom Erstgericht aus der gebotenen Gesamtsicht der Verfahrens- ergebnisse mit denkmöglicher Begründung abgeleiteten - Urteilsfeststellungen über das Vorliegen der Wissenskomponente des - (auch) hinsichtlich der tatrelevanten Sucht- giftmenge (hier im Sinn der Qualifikation des § 28 Abs 4 Z 3 SMG) ausreichenden - bedingten Vorsatzes beim Beschwerdeführer sehr wohl schon in der Verantwortung beider Angeklagten Deckung. Diese haben nämlich der Sache nach übereinstimmend eingeräumt, im Rahmen einer geplanten Aktion zur arbeitsteiligen Ausführung eines umfangreichen Suchtgifttransportes die Beförderung von Suchtgift ernstlich für möglich gehalten, aber sich wegen der zugesagten Entlohnung mit der Verwirklichung einer solchen Tat - vorbehaltlos (und demzufolge auch ungeachtet der betreffenden Suchtgiftmenge) - abgefunden zu haben (US 9 iVm AS 77 und f, 138 und 307 sowie mit AS 309 bis 311).

Es versagen aber auch die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 9 lit b):

Die Beschwerde meint, daß infolge des während eines Zwischenaufenthaltes in Brüssel von der dortigen observierenden Behörde vorgenommenen Austausches des Großteils des Suchtgiftes (von ursprünglich insgesamt 20,6350 kg Cannabiskraut) gegen Sand absolute Untaug- lichkeit des insoweit zu Punkt I.2. des Urteils zur Last liegenden Einfuhrversuches vorläge und demgemäß nur die tatsächlich nach Österreich importierte Restmenge von 85,58 Gramm Cannabiskraut (I.1. des Urteils) vorwerfbar sei.

Diese Ansicht ist verfehlt.

Nach den Urteilsfeststellungen bestand das Tatverhalten dieses Beschwerdeführers in einem tatplankonform ein einheitliches Geschehen darstellenden (wiederholt) grenzüberschreitenden Suchtgifttransport mit vorausgeplanter Destination. Da Ausfuhr und Einfuhr alternative Bege- hungsarten eines einzigen Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG darstellen, genügt für die Deliktsvollendung die Verwirklichung einer Alternative, sodaß ein weiteres Verhalten des Täters, das einer gleichen oder weiteren Begehungsart des Deliktes entspricht, für die Subsumtion unerheblich ist. Dies bedeutet fallbezogen, daß bereits auf Grund der Ausfuhr des Suchtgiftes aus Südafrika (womit übrigens auch eine vollendete Einfuhr nach Belgien einhergeht, vgl 11 Os 41/82) - mit Zwischenziel Österreich - das Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG in bezug auf die gesamte Suchtgiftmenge vollendet wurde. Der Frage, ob durch nachfolgende Tathandlungen, nämlich durch die Ausfuhr aus Belgien und die Einfuhr nach Österreich das Delikt bezüglich der (in Belgien ausgetauschten und durch Sand ersetzten) "Restmenge" bloß versucht wurde und ob ein absolut untauglicher oder bloß relativ untauglicher Versuch vorliegt, kommt somit für die rechtliche Beurteilung der Tat keinerlei Bedeutung mehr zu, sodaß sich jede Erörterung der Beschwerdeausführungen hiezu erübrigt.

Der bezüglich der "Restmenge" erfolgte Schuldspruch (bloß) wegen des "in Johannesburg" in der Entwicklungsstufe des Versuchs begangenen Suchtgiftverbrechens ist daher rechtsirrig. Dieser Fehler kann jedoch durch den Obersten Gerichtshof nicht nach § 290 StPO korrigiert werden, weil einem solchen Vorgang das Verbot der reformatio in peius entgegensteht. Da aber auch durch den (hier verfehlt angenommenen, im Ausspruch jedoch nicht behebbaren) in Johannesburg begonnenen (bloßen) "Versuch", Suchtgift nach Österreich einzuführen und hier in Verkehr zu setzen, jedenfalls auch rechtlich erhebliche Interessen Österreichs verletzt wurden (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 64 E 2 mwN), weil es nicht darauf ankommt, ob nach dem Passieren von Staatsgrenzen das Reiseziel tatplanmäßig erreicht wird (12 Os 135/92), hat es mit diesen Bemerkungen zum Schuldspruch und zur Rechtsrüge nach Z 9 lit a sein Bewenden; wegen der Verletzung österreichischer Interessen ist aber die österreichische Strafgerichtsbarkeit gegeben (§ 64 Abs 1 Z 4 StGB).

Soweit der Angeklagte schließlich das ihm angelastete Tatverhalten (Punkte I.1. und 2.) mit dem Hinweis auf das Vorgehen der belgischen Behörden insgesamt als gerechtfertigt und damit auch als straflos bezeichnet (Z 9 lit b), verkennt er, daß derartige behördliche Maßnahmen zur (weiteren) Observierung eines Suchtgifttransportes an dessen Strafbarkeit nichts zu ändern vermögen (in diesem Sinne auch Kodek/Fabrizy, Das neue österreichische Suchtmittelgesetz, S 109 und 110).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jochen V*****:

Die Mängelrüge (Z 5) dieses Angeklagten kritisiert unter Berufung auf die Verantwortung beider Angeklagten die Urteilsfeststellung, die Wissenskomponente des erforderlichen (zumindest bedingten) Vorsatzes hätte auch bei diesem Angeklagten die insgesamt 20,6350 kg betragende "Übermenge" des tatgegenständlichen Suchtgiftes mitumfaßt. Es genügt, auf die Ausführungen zu dem im wesentlichen gleichlautenden Beschwerdevorbringen des Erstangeklagten hinzuweisen.

Abgesehen davon, daß das Unterbleiben einer Quantifizierung des Reingehaltes (an THC) der tatsächlich nach Österreich eingeführten Suchtgiftmenge (Punkt I.1.) keine Undeutlichkeit im Sinne des relevierten Nichtigkeitsgrundes darstellt, weil eine solche nur im Falle einer (hier aber nicht dargetanen und auch aus der Aktenlage nicht zu ersehenden) unklaren Reichweite der Urteilsgründe gegeben wäre, betrifft der gegenständliche Beschwerdeeinwand bei der - wie noch in der Stellungnahme zur Rechtsrüge dargelegt werden wird - zu Recht angenommenen Verantwortlichkeit auch dieses Angeklagten für die gesamte Suchtgiftmenge von 20,6350 kg Cannabiskraut auch keine entscheidungswesent- liche Tatsache.

Der Auffassung der Beschwerde zuwider (nominell Z 9 lit a; sachlich Z 10) erfüllt das ihm zu Punkt II. des Urteils angelastete Verhalten die Kriterien der Beitragstäterschaft (zum Suchtgiftdelikt des Erstangeklagten) nach § 12 dritter Fall StGB. Beitragstäter ist nach dieser Bestimmung, wer sonst zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen beiträgt, indem er vorsätzlich dessen Tatbildverwirklichung ermöglicht, erleichtert, absichert oder sonstwie fördert. Der Tatbeitrag kann durch physische oder psychische (intellektuelle) Unterstützung, somit durch Tat oder durch Rat, worunter auch ein Bestärken im Tatentschluß fällt, geleistet werden; so auch dann, wenn dem unmittelbaren Täter vor der Tat eine erst nach deren Ausführung zu leistende Hilfe zugesichert wird, weil damit eine Ermunterung, Motivierung und Stärkung seines Willens zur Tatausführung einhergeht.

Demzufolge liegt nicht Begünstigung, sondern ausschließlich Beteiligung im Sinn des § 12 dritter Fall StGB an der Vortat vor, und zwar sowohl in bezug auf deren Versuchs- und Ausführungsstadium als auch dann, wenn die Unterstützung allenfalls erst danach, aber zufolge einer bereits zuvor mit dem unmittelbaren Vortäter getroffenen Vereinbarung erfolgt (vgl hiezu insbesondere 14 Os 122/92 mwN), wobei diese Vereinbarung auch über einen Dritten zustandekommen kann. Da der grenzüberschreitende Suchtgifttransport mit der inländischen Destination nach dem zur Rechtsrüge des Erstangeklagten Gesagten ein einheitliches Tatgeschehen bildet und diesem ortsfremden Angeklagten vor Antritt der tatgegenständlichen Flugreise vom südafrikanischen Auftraggeber die Zusage gegeben wurde, daß ihn in Wien jemand (der Angeklagte V*****) erwarten und ihm weiterhelfen würde (zur motivierenden Auswirkung des betreffenden Versprechens auf den Erstangeklagten vgl AS 308), hat der gemäß dieser Zusage handelnde Beschwerdeführer Beitragstäterschaft im Sinn der vorangeführten Bestimmung in Ansehung sowohl aller Tatphasen als auch der Gesamtmenge des Suchtgiftes zu verantworten. Für die Beurteilung seines Tatbeitrages ist es daher auch ohne Belang, daß das unter Punkt I.1. angeführte Suchtgift schon vor seinem Tätigwerden im Luftwege über die österreichische Staatsgrenze gelangt und die Einfuhr nach Österreich damit insoweit vollendet war. Ebensowenig ist von Bedeutung, daß der Beschwerdeführer bei der Absprache zwischen dem Erstangeklagten und dessen südafrikanischem Auftraggeber nicht anwesend war, weil er sich zur Unterstützung von Drogenkurieren schon im Zuge einer früheren Südafrikareise vorweg zur Verfügung gestellt hatte und dem Beitragstäter die geförderte Tat nicht in allen Einzelheiten bekannt sein muß.

Damit gehen auch die Beschwerdeausführungen ins Leere, mit denen der Zweitangeklagte für sich Straflosigkeit sowohl hinsichtlich des Besitzes als auch einer allfälligen versuchten Ausfuhr der tatsächlich nach Österreich verbrachten 85,58 Gramm Cannabiskraut (Punkt I.1. des Urteils) reklamiert.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Vorliegen eines - auch die Strafbarkeit der Tatbeteiligung ausschließenden - absolut untauglichen Versuchs in Ansehung der in Belgien ausgetauschten Suchtgiftmenge beruft und die Duldung des Weitertransportes der restlichen Suchtgiftmenge (Punkt I.2. des Urteils) durch die observierenden belgischen Behörden als Rechtfertigungsgrund gewertet wissen will (insoweit Z 9 lit b), genügt der Hinweis auf die obige Erledigung der entsprechenden Einwendungen der Rechtsrüge des Erstangeklagten, anläßlich der auch zu der vom Angeklagten V***** behaupteten mangelnden, jedoch originär gegebenen (§ 64 Abs 1 Z 4 StGB) inländischen Gerichtsbarkeit Stellung genommen wurde.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren demnach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten nach § 28 Abs 4 SMG Freiheitsstrafen in der Dauer von zwei Jahren und drei Monaten.

Dabei wertete es als jeweils erschwerend bei beiden Angeklagten die große Suchtgiftmenge, die durch Österreich eingeführt werden sollte, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit, das Geständnis und (in Konse- quenz des insoweit verfehlten Schuldspruches) den Umstand, daß die Tat teilweise beim Versuch blieb.

Mit ihren Berufungen begehren die Angeklagten die Herabsetzung des Strafausmaßes, indes zu Unrecht.

Das Schöffengericht hat nämlich die maßgeblichen Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig aufgezählt (mit der Maßgabe, daß anstelle des Milderungsgrundes des bloßen Versuches jener der Sicherstellung des Suchtgiftes zu treten hätte) sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe des § 32 StGB gewichtet. Die Strafen werden dem Unrechtsgehalt der Tat und der jeweiligen personalen Täterschuld gerecht. Sie sind daher einer Reduktion nicht zugänglich.

Den Berufungen mußte demnach ebenfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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