OGH 12Os135/92

OGH12Os135/9228.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Mag. Strieder und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Röder als Schriftführer und Univ. Lektor Joshi als Dolmetscher, in der Strafsache gegen Gurdip S* wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Juni 1992, GZ 6e Vr 7512/91‑80, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten Gurdip S*, und des Verteidigers Dr. Getreuer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34608

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. Februar 1937 geborene indische Staatsangehörige Gurdip S* des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG schuldig erkannt. Danach hat er im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Ranbir S* und Tejinder S* den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 1506 Gramm Heroin, am 9. Mai 1991 aus Indien ausgeführt und am 10. Mai 1991 nach Ungarn eingeführt, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen hat, dessen Menge das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge bei weitem übersteigt.

Das Schöffengericht stellte fest, daß der Zeuge Ranbir S* in Indien von Tejinder S* einen Koffer übernahm, in welchem 1506 Gramm Herion versteckt waren. Ranbir S* sollte den Koffer nach Wien bringen und an den hier wohnhaften Angeklagten übergeben. Er trat die Reise unter Mitnahme des Koffers am 9. Mai 1991 an und flog über Moskau nach Budapest, wo er ein Zimmer mietete. Dort wurde das Suchtgift von Polizeibeamten endeckt. Dieser Suchtgifttransport aus Indien in Richtung Österreich war vom Angeklagten veranlaßt worden.

 

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

In der Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung der von ihm in der Hauptverhandlung beantragten Vernehmung des Tejinder S* als Zeugen, ohne jedoch eine Beeinträchtigung von Verfahrensrechten aufzeigen zu können. Kommt doch auch bei einer sinngemäßen Ergänzung des abgelehnten Beweisbegehrens über den protokollierten Wortlaut (Band II, S 15) hinaus darin bloß der Standpunkt des Verteidigers zum Ausdruck, daß die einzige Grundlage des Zeugen Ranbir S* für die Behauptung, der Angeklagte sei der Adressat des Heroin gewesen, in dem von Tejinder S* erteilten Auftrag zu erblicken sei, den Koffer an den Angeklagten zu übergeben. Damit wurde aber als Beweisthema lediglich ein Belastungsindiz umschrieben, das der Beschwerdeführer der Sache nach mit der Behauptung verknüpfte, daß sich aus dem begehrten Zeugenbeweis darüber hinaus kein weiterer Täterschaftsnachweis ergeben könne. Das solcherart bezweckte Ergebnis der Beweisaufnahme war daher für die Verteidigung des Angeklagten gegen den Anklagevorwurf nicht brauchbar, weil eben innerhalb des vom Antragsteller gezogenen engen Rahmens gar kein weiterer Verdachtsumstand eine Rolle spielte und demgemäß auch nicht widerlegt werden mußte. Aus zutreffender Sicht berücksichtigt das Vernehmungsbegehren die Möglichkeit, daß der Zeuge Ranbir S* bei seinem Kontakt mit dem nunmehr als Zeugen geführten Tejinder S* noch weitere belastende Hinweise auf die Beteiligung des Angeklagten gewonnen haben könnte. Nach Entwicklung dieser Hypothese leitete der Antragsteller aus ihr die Forderung ab, zum Zwecke ihrer Widerlegung den Zeugenbeweis aufzunehmen.

Für die Verteidigungsrechte des Angeklagten können aber nur solche Beweisaufnahmen dienlich sein, welche in irgendeiner Weise die gegen ihn ins Treffen geführten Belastungsmomente und nicht bloß abstrakt denkbare, allein vom Verteidiger entwickelte Möglichkeiten eines Tatnachweises betreffen. Durch das Unterbleiben der Zeugenvernehmung wurden daher Verfahrensansprüche des Angeklagten nicht beeinträchtigt, weshalb es unerheblich bleibt, daß das Erstgericht bei seinem ablehnenden Beschluß auf eine unzulässige Spekulation über die allfällige Ausübung eines Entschlagungsrechtes durch den Zeugen abstellte (siehe hiezu Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr 68 und 110 b zu § 281 Z 4).

Soweit die Verfahrensrüge jedoch damit begründet wird, daß die Befragung des Zeugen Tejinder S* auch der Klärung des Wissensstandes des Angeklagten über den Herointransport dienen sollte, bezieht sie sich auf ein anläßlich der Antragstellung in der Hauptverhandlung auch nicht sinngemäß vorgebrachtes Beweisthema, welches zudem noch einen der unmittelbaren Wahrnehmung entzogenen inneren Vorgang betroffen und daher sogar noch zusätzliche Darlegungen über die Erfolgsaussichten der Beweisaufnahme erfordert hätte. Auf diese erst im Rechtsmittelverfahren behauptete Zielsetzung der begehrten Zeugenvernehmung kann bei Prüfung der Berechtigung des Antrages durch den Obersten Gerichtshof nicht eingegangen werden (SSt 41/71).

Mit der Mängelrüge (Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die maßgebliche Feststellung, daß er den Herointransport veranlaßt hat. Keiner der hiezu behaupteten formalen Begründungsmängel liegt jedoch vor:

In der Urteilserwägung, wonach der Angeklagte über den Herointransport "informiert gewesen ist", wird sprachlich keineswegs zum Ausdruck gebracht, daß er sein Wissen von einem anderen Informationsträger bezog und nicht aus der Beteiligung an dem Vorgang. Von der Feststellung unvereinbarer Sachverhalte kann daher nicht die Rede sein. Ebensowenig ist der Ausspruch, daß der Angeklagte den Transport veranlaßte und durchführen ließ, in objektiver oder subjektiver Hinsicht mit Undeutlichkeit behaftet. Es kommt in diesen Urteilsannahmen vielmehr klar die Urheberschaft des Angeklagten für den Herointransport zum Ausdruck, wobei das Erstgericht zur Überzeugung gelangte, daß er sich deshalb eines Transporteurs bediente, weil ihm selbst der Schmuggel von Heroin zu risikoreich erschien (Urteil, S 9). Die Forderung des Beschwerdeführers nach einer für die rechtliche Beurteilung gar nicht gebotenen näheren sachverhaltsmäßigen Konkretisierung dieses Sachverhaltes vermag den eingewendeten Begründungsmangel der Undeutlichkeit ‑ welcher Zweifel über die inhaltliche Reichweite einer Urteilsbegründung voraussetzt ‑ nicht aufzuzeigen.

Schließlich ist auch der Beschwerdevorwurf einer unzureichenden Begründung der in Rede stehenden Urteilsfeststellung nicht stichhältig. Das Vorbringen übergeht dabei die entscheidenden Prämissen des Erstgerichtes bei der zugrunde liegenden Beweisführung, nämlich insbesondere die für glaubhaft erachteten Angaben des Zeugen Ranbir S* über die sachverhaltsmäßigen Beziehungen zwischen dem Suchtgifttransport und dem Angeklagten, aus denen insgesamt ohne Denkfehler auf seine Anstifterrolle und seine Kenntnis von der beförderten Heroinmenge geschlossen werden konnte. Eine gesonderte Begründung für das Wissen des Angeklagten davon, daß das über seine Veranlassung in einem doppelten Kofferboden transportierte Heroin in einem die sogenannte "übergroße Menge" laut § 12 Abs 3 Z 3 SGG bei weitem übersteigendem Quantum vorhanden war, konnte nach Lage des Falles unterbleiben, weil die für die Täterschaft des Angeklagten angeführten Urteilserwägungen ohnehin auch durch Hervorhebung seiner faktischen Tatherrschaft und seiner dominierenden Rolle in der Familie die subjektive Erfassung der Tatdimension zum Ausdruck brachten.

Die Ausführungen der Tatsachenrüge (Z 5a) vermögen keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld des Angeklagten zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Weshalb sich "auf Grund der Aussage" des Zeugen Ranbir S* solche Bedenken ergeben sollten, entbehrt einer Darlegung durch den Beschwerdeführer in nachvollziehbarer Form. Den bezüglichen Ausführungen ist nämlich nicht klar zu entnehmen, ob der Angeklagte einzelne Tatsachenbekundungen des Zeugen in Zweifel ziehen oder aber von deren Richtigkeit ausgehen, jedoch die vom Schöffengericht abgeleiteten Schlußfolgerungen als bedenklich darstellen will. Insgesamt sind die auf die Möglichkeit einer für den Angeklagten günstigeren Beweiswürdigung abzielenden Beschwerdeeinwände nicht geeignet, intersubjektiv begründete Zweifel gegen die bekämpfte Tatfestellung zu erwecken.

Als materiellrechtliche Nichtigkeit nach der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer Feststellungsmängel geltend, welche aber in Wahrheit nicht unterlaufen sind.

Der Einwand einer unterbliebenen Klärung der Willenskomponente des Tätervorsatzes geht in prozeßordnungswidriger Weise nicht vom gesamten Urteilsinhalt aus, weil sich die Feststellungen über die subjektive Tatseite keineswegs auf die Annahme beschränken, der Angeklagte sei von der Tat informiert gewesen. Ferner trifft es nicht zu, daß der urteilsmäßige Ausspruch über die Veranlassung des grenzüberschreitenden Scuhtgifttransports durch den Angeklagten keine der Beteiligungsformen des § 12 StGB zum Ausdruck bringt. Wer einen anderen dazu veranlaßt, eine strafbare Handlung auszuführen, ist Bestimmungstäter im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB (Leukauf‑Steininger 3 RN 27 zu § 12). Der Umstand, daß diese Täterschaftsform im Schuldspruch nicht zum Ausdruck kommt, weil dort eine unmittelbare Täterschaft (als Mittäter: § 12 erster Fall StGB) umschrieben wird, vermag im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen keine Urteilsnichtigkeit zu bewirken (SSt 56/42 und viele andere). Entgegen dem weiteren Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers ist das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG ein abstraktes Gefährdungsdelikt, welches weder den Eintritt einer Gemeingefahr, noch einen diesbezüglichen konkreten Gefährdungsvorsatz erfordert, weshalb sich in diese Richtung gehende Feststellungen erübrigten (SSt 57/29). In der Beschwerde wird auch nicht dargelegt, welcher Umstand die gesonderte feststellungsmäßige Hervorhebung notwendig gemacht haben soll, daß dem Angeklagten die allgemein bekannte abstrakte Eignung der beförderten Heroinmenge bewußt war, im großen Umfang eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen enstehen zu lassen. Angesichts der hier vorliegenden Gegebenheiten wäre eine solche zusätzliche Klarstellung über das Wissen einer notorischen Tatsache nur bei Hinweisen auf eine atypische intellektuelle Ausstattung des Angeklagten geboten gewesen. Schließlich erübrigte sich auch eine Klärung, an welchem Ort der Angeklagte das ihm angelastete Verhalten gesetzt hat, weil strafbare Handlungen nach § 12 SGG jedenfalls dann ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatortes nach den österreichischen Strafgesetzen geahndet werden, wenn österreichische Interessen verletzt worden sind (§ 64 Abs 1 Z 4 StGB). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ‑ wie hier ‑ Suchtgift nach Österreich gebracht werden sollte (SSt 52/6).

Die schließlich in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vorgetragene Behauptung des Angeklagten, daß er nach den Urteilsfestellungen den Suchtgifttransport in Richtung Österreich veranlaßte und gar keinen Vorsatz hatte, das Heroin nach Ungarn einzuführen, bezieht sich ebenfalls auf keinen erheblichen Gesichtspunkt. Nach § 12 Abs 1 SGG ist unter anderem ganz allgemein das Einführen sowie als alternatives Gegenstück das Ausführen von Suchtgift in einer bestimmten Menge mit Strafe bedroht, wobei diese Tathandlungen durch Verbringen über eine Staatsgrenze verwirklicht werden. Für den diesbezüglichen Tatvorsatz ist bloß der Wille entscheidend, das betreffende Suchtgift grenzüberschreitend zu befördern, ohne daß es dabei auch zusätzlich noch darauf ankommt, ob nach Passieren von Staatsgrenzen das Reiseziel tatplanmäßig erreicht wird. Das Vorhaben, Heroin von Indien nach Österreich zu befördern, schließt zwangsläufig die Überschreitung zahlreicher Staatsgrenzen mit diesem Transport ein und ist daher ohne Rücksicht auf ein aktuelles geographisches Bewußtsein des Täters von den einzelnen Staatsgebieten auf tatbildmäßige Ausfuhr und Einfuhr gerichtet, welche jeweils durch Verbringen über eine Grenze ‑ auch auf dem Luftweg (EvBl 1982/30; 15 Os 126/88) ‑ vollendet ist. Daher bleibt es für die Frage des Tatvorsatzes des Angeklagten ohne Bedeutung, ob es seinem Tatplan entsprach, daß das Heroin auch nach Ungarn gelangte.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der einläßlichen Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die exorbitant große Suchtgiftmenge auch im Rahmen des § 12 Abs 3 Z 3 SGG und den Umstand, daß der Angeklagte die Tat aus reiner Gewinnsucht begangen habe, als mildernd dagegen die gerichtliche Unbescholtenheit und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren.

Die dagegen erhobene Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung anstrebt, ist nicht begründet.

Da die vom Angeklagten vorliegend zu verantwortende Heroinquantität von 730 Gramm an Reinsubstanz die zur Anwendbarkeit des Strafsatzes nach § 12 Abs 3 SGG erforderliche Menge (von 37,5 Gramm) um das rund Zwanzigfache übersteigt, wurde dieser Umstand zu Recht als erschwerend ins Kalkül gezogen und kann von einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot keine Rede sein. Angesichts dessen, daß bei der Struktur des gegenständlichen Deliktes keine nennenswerte mildernde Wirkung davon auszugehen vermag, daß kein Schaden entstanden ist und bei einem 55‑jährigen Mann der bisherige ordentliche Lebenswandel auch dann keine besonders hervorzuhebende Milde erheischte, wenn nicht - wie hier - schon vor der gegenständlichen Verfehlung ein evidentes Naheverhältnis zur Suchtgiftszene bestanden hat, bedürfen mithin die tatrichterlichen Strafzumessungsgründe keiner Korrektur.

Geht man aber davon aus, dann erweist sich bei einem bis zu fünfzehn Jahren reichenden Strafsatz die geschöpfte Unrechtsfolge als keineswegs überhöht und mithin einer Reduktion unzugänglich.

Es mußte sonach auch der unbegründeten Berufung ein Erfolg versagt bleiben.

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