Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die Brüder Geza und Nikolaus H***** wurden (teilweise abweichend von der unter Punkt 1 a wegen Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklage - ON 41 - nur) der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1 a), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1 b) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (1 c), Nikolaus H***** überdies des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (2) schuldig erkannt.
Danach haben sie
(zu 1) im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter
a) am 12.April 1995 den Thomas K***** durch Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung einer allfälligen Tankschuld in Höhe von 100 S, genötigt, indem ihn Nikolaus H***** zunächst gewaltsam in den Kassenraum der Tankstelle zerrte, ihm Geza H***** dort vier bis fünf Faustschläge gegen den Kopf und Nikolaus H***** einen Fußtritt gegen den Bauch versetzten;
b) am 12.April 1995 den Thomas K***** durch die zu 1 a beschriebenen Tätlichkeiten am Körper verletzt, wobei die Tat eine Gewebsschwellung und eine kleine Blutunterlaufung vor dem linken Ohr, eine seichte Hautabschürfung und eine Hautrötung hinter dem linken Ohr sowie Kopf- und Bauchschmerzen zur Folge hatte;
c) am 10.März 1995 eine fremde Sache, nämlich den PKW des Dr.Tomasz T*****, durch Versetzen von Fußtritten und Schlägen beschädigt, wodurch ein Schaden von 13.625,20 S entstand;
(zu 2) Nikolaus H***** (allein) am 10.März 1995 den Dr.Tomasz T***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung (nämlich des Vergehens der gefährliche Drohung nach § 107 Abs 1 StGB) falsch verdächtigte, indem er am Gendarmerieposten Kufstein die Anzeige erstattete, Dr.T***** habe ihn mit einem Messer bedroht, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch erhoben beide Angeklagte (in einer gemeinsamen Rechtsmittelschrift) auf die Z 4, 5, 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden, die Strafaussprüche bekämpfen sie mit Berufungen.
Vorweg ist dem unter 2. der Beschwerdeanträge (15/II) gestellten Eventualbegehren, "im Sinne der Nichtigkeitsbeschwerde das Beweisverfahren antragsgemäß zu ergänzen ...", zu erwidern, daß das Nichtigkeitsverfahren der Überprüfung der Richtigkeit des Urteils (iS des Vorliegens oder Fehlens von Nichtigkeitsgründen) dient; der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsachenfeststellungsinstanz; es können daher im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde weder neue Tatsachen berücksichtigt werden, noch viel weniger darf der Oberste Gerichtshof die Tatsachengrundlage durch Beweisergänzung erweitern (Mayerhofer StPO4 § 281 E 15 a, 16, 22; § 288 E 17, 30).
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden die Beschwerdeführer durch die bekämpften Zwischenerkenntnisse des Gerichtshofes (473 und 485 f/I) in ihren Verteidigungsrechten nicht verkürzt. Die in der Hauptverhandlung am 13. und 20.November 1996 gestellten Anträge laufen nämlich nach Inhalt und Zielrichtung allesamt auf die unzulässige Aufnahme von bloßen Erkundungsbeweisen hinaus, wodurch lediglich mit untauglichen Mitteln die Tatzeugen auf ihre Glaubwürdigkeit bzw Unglaubwürdigkeit überprüft werden sollten. Die Angeklagten haben es dabei überdies - prozeßordnungswidrig - unterlassen, zugleich anzugeben, aus welchen Gründen die von ihnen behaupteten Ergebnisse - abweichend von aktenkundigen Tatsachen - zu erwarten waren (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 4 insb E 19, 19 b, 19 dd, 19 e ff, 88, 90, 90 e, 90 j, 90 k).
Der Zeuge Harald B***** wurde zum Beweis geführt, daß er aufgrund der örtlichen Gegebenheiten einen allfälligen Überfall oder Tätlichkeiten hätte sehen müssen, obwohl sich dieser schon anläßlich seiner sicherheitsbehördlichen Vernehmung am 12.April 1996 nicht mehr erinnern konnte, daß während seiner Anwesenheit am 12.April 1995 um
12.49 Uhr auf der fraglichen O*****-Tankstelle etwas Auffälliges vorgefallen wäre oder überhaupt, was an diesem Tag so alles passiert ist (417 ff/I). Zutreffend wies das Erstgericht darauf hin, daß K***** bereits gegen 12.50 Uhr am Gendarmerieposten Kufstein Anzeige erstattete (161/I). Bei dieser Sachlage hätte es bereits einer Darlegung im Beweisantrag bedurft, warum B***** dennoch relevante Aussagen über die Situation zum Tatzeitpunkt machen könne.
Das durch die zeugenschaftliche Vernehmung der Franziska P***** angestrebte Beweisergebnis, die Angeklagten hätten am Tage des Vorfalles mit Dr.T***** wegen des enormen Aufkommens an der Tankstelle insbesondere der Waschstraße keine Zeit gehabt, eine derartige Straftat zu begehen (471 f/I), läßt bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes von vorneherein keine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen erwarten, zumal die Genannte Pächterin einer anderen Tankstelle ist und nicht einmal behauptet wurde, daß sie Wahrnehmungen über die Situation der damals von den Angeklagten betriebenen Tankstelle gemacht habe.
Gleiches gilt für die beantragte Vernehmung des Zeugen Franz P***** zum Nachweis, daß die Gendarmerie bei ihm die maßgeblichen "Finanzamtsstreifen" beschlagnahmt hat und sich aus diesen Bons das genaue Datum des angeblichen Vorfalles mit K***** ergeben hätte (485/I), weil dieser bereits bei der Gendarmerie deponiert hat, er habe die Kassarollen nicht, und wisse auch nicht, wohin sie gekommen seien (369, 373 f/I). Die Behauptung einer Beschlagnahme der Rollen durch die Gendarmerie ist aktenwidrig.
Ebenso entbehrlich war im Hinblick auf die ohnedies in den Anzeigen enthaltenen Zeitangaben (43 und 161/I) die zeugenschaftliche Einvernahme des Gendarmeriebeamten R*****, der bestätigen sollte, daß Thomas K***** erst gegen 13 Uhr in der Gendarmeriedienststelle erschienen war (485/I).
Da im Antrag auf Einholung eines Gutachtens zum Beweis, daß die Verletzung am linken Ohr nicht von den Schlägen in das Gesicht und gegen den Bauch stammen kann, sondern (nach der bloßen Vermutung des Verteidigers) von dem durch K***** ausgeübten Eishockey-Sport (485/I), weder auf allfällige in den §§ 125, 126 StPO bezeichneten Mängel des vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr.Pu***** erstatteten Gutachtens (ON 14) hingewiesen, noch besondere Schwierigkeit von Befund oder Gutachten behauptet wird, lagen die Voraussetzungen für die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen nicht vor (Mayerhofer aaO § 118 E 66; § 134 E 52; § 281 Z 4 E 19 r, 19 s, 133, 133 a).
Sonach verweigerte das Schöffengericht mit Recht die Durchführung der beantragten Beweisaufnahmen.
Die Beschwerdebehauptung, der Zeuge Franz P***** sei auch zum Beweis des gleichzeitigen "Anwesenseins" des Zeugen B***** und des angeblichen Tatopfers K***** angeboten worden (5 zweiter Absatz/II), ist nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, dessen Berichtigung nicht begehrt wurde, aktenfremd.
Die weiteren Vorwürfe in der Beschwerdeschrift (5 zweiter und dritter Absatz/II), der Grundsatz "in dubio pro reo" sei in die gegenteilige Richtung ausgelegt worden und das gesamte Verfahren sei ausschließlich zu Lasten der Angeklagten geführt worden, kritisiert nicht nur unzulässig und damit unbeachtlich die tatrichterliche Beweiswürdigung, sondern wird auch durch die Tatsache widerlegt, daß die Erkenntnisrichter gerade im schwerwiegendsten Anklagepunkt zugunsten der Beschwerdeführer den unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz, mithin den Raub, verneint haben (US 9 zweiter Absatz, 10 dritter Absatz).
Das Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5), welches wiederholt mit dem Zweifelsgrundsatz argumentiert und damit in eine im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes verfällt (Mayerhofer aaO § 258 E 42), ist weitgehend keine prozeßordnungsgemäße Ausführung des bezeichneten formellen Nichtigkeitsgrundes.
Entgegen der Beschwerdeauffassung berühren die Bekundungen der Angeklagten und Zeugen, zu den fraglichen Zeiten seien ein zweiter Kunde, ein anderes Fahrzeug oder andere Kunden am Tatort anwesend gewesen und man sehe von den Zapfsäulen in den Kassenraum hinein, keine entscheidenden - also für die Schuldfrage maßgebenden - Tatsachen, weshalb das Gericht im Sinne des Gebotes nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO (demzufolge der Gerichtshof in den Gründen nur in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen und die Gründe anzuführen hat, die zu seiner Überzeugung der Richtigkeit dieser Annahmen geführt haben) auch nicht verhalten war, sich mit den diesbezüglichen Verantwortungen der Beschwerdeführer und den Aussagen der Zeugen K*****, Ku***** und Dr.T***** näher auseinanderzusetzen; führt doch eine bloße Wahrnehmungsmöglichkeit durch dritte Personen keineswegs zum zwingenden Schluß, daß diese tatsächlich Beobachtungen gemacht haben.
Auch mit den Depositionen der Zeugin Christiane H***** vor dem Rechtshilfegericht hat sich das Erstgericht zureichend befaßt (US 9 f). Soweit es daraus in einer gesamtheitlichen Betrachtung aller wesentlichen Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks (§ 258 Abs 2 StPO) über die Zeit der von Dr.T***** daheim geführten Telefongespräche und demnach über die wissentliche Falschbezichtigung durch den Angeklagten Nikolaus H***** zu dessen Nachteil aktenkonforme und empirisch einwandfreie Schlußfolgerungen gezogen hat (abermals US 9 f), ist dies ein im Nichtigkeitsverfahren unanfechtbarer Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung.
Keineswegs in einem unlösbaren Widerspruch mit sich selbst stehen die Urteilskonstatierungen, wonach die Angeklagten von ihren Positionen aus gegen die hinteren Seitentüren des Fahrzeuges Doris T***** traten, während dieser langsam zurückfuhr, und Geza H***** darüber hinaus mit einem Schlag den rechten Außenspiegel beschädigte (US 6 unten). Der vermeintliche Widerspruch liegt allein in der urteilsfremden Beschwerdeargumentation, der Erstangeklagte habe beide Beschädigungen gleichzeitig vorgenommen (vgl 7 unten f/II).
Die behaupteten formalen Begründungsfehler haften daher dem bekämpften Urteil nicht an, vielmehr trachten die Nichtigkeitswerber insgesamt bloß die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage zu ihren Gunsten zu verändern.
Die Tatsachenrüge (Z 5 a) läßt zur Gänze eine gesetzmäßige Ausführung dieses unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihten und daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichenden Anfechtungstatbestandes vermissen. Denn der zur Überzeugung der Erkenntnisrichter von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit von Zeugen oder Angeklagten aufgrund des von ihnen in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist auch mit dem relevierten Nichtigkeitsgrund nicht bekämpfbar. Insbesondere kann der zur Darlegung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheitsfindung gebotene Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen nicht durch die Behauptung ersetzt werden, vom Schöffengericht als glaubwürdig beurteilte Beweismittel seien unglaubwürdig (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5 a E 1, 3 ff).
Eben diesen prozeßordnungswidrigen Weg schlagen die Rechtsmittelwerber ein, indem sie weitwendig - teils nicht recht verständlich (vgl etwa 10 f/II) - aus ihrer Sicht "Geschehnisse des gesamten Vorverfahrens aufzeigen", breite Spekulationen über das Verschwinden des (nach den Gendarmerieerhebungen nicht mehr vorhandenen - ON 52 -, fallbezogen gar nicht entscheidenden) Kassabons anstellen, an der Verwertung der in der Hauptverhandlung verlesenen Anzeige des Gendarmeriepostens Kufstein vom 16.Dezember 1994 (vgl US 9 vierter Absatz) Kritik üben, einzelne, bereits in der Mängelrüge erhobene Vorwürfe wiederholen, zum Schuldspruch wegen Vergehens der Verleumdung erneut die Nichtbeachtung des Grundsatzes in dubio pro reo monieren und gegen die Abweisung ihrer Beweisanträge remonstrieren.
Nach Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof ergeben sich indes weder Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Art - gegen die sachgerechte und plausible Begründung des Schöffengerichtes, noch wurde die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) verletzt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Über die von den Angeklagten zudem erhobenen Berufungen hat demnach das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden (§ 285 i StPO).
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